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EUROPARATS-PARLAMENT : Suche nach dem Ausweg aus der Sackgasse

Eine Lösung im Konflikt mit Russland wegen der Ukraine-Krise ist nicht in Sicht

30.01.2017
2023-08-30T12:32:14.7200Z
3 Min

Tapfer kündigte Pedro Agramunt vergangene Woche vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats an, er werde seine Anstrengungen fortsetzen, um im Dialog mit dem russischen Parlament, der Duma, einen Ausweg aus der "Sackgasse" zu finden. Auch die russische Volksvertretung und deren Vorsteher Wjatscheslaw Wolodin seien ja offen für Kontakte, sagte der Präsident des Straßburger Kammer.

Axel Fischer (CDU), Leiter der Bundestagsdelegation in Straßburg, setzt ebenfalls auf Dialog, um "wieder einen Weg zur Zusammenarbeit mit den russischen Abgeordneten zu finden". Allerdings fordert er "ein klares Zeichen aus Moskau, für Gespräche mit uns bereit zu sein".

Eiszeit Ob sich die Hoffnungen auf Tauwetter in der wegen des Ukraine-Konflikts zwischen dem Europarat und dem Kreml herrschenden Eiszeit erfüllen werden und Russland die von Fischer kritisierte "Politik des leeren Stuhls" in Straßburg irgendwann beenden wird, ist offen. Zu spüren ist im Palais de l'Europe eine gewisse Ratlosigkeit. Im Vorfeld der Sitzungswoche hatte die Frage, ob die Duma-Vertreter ihren Boykott verlängern oder wieder mitmachen, für Aufregung gesorgt: Reisen die Russen trotz ihres Njets doch noch in letzter Minute zur Wintersitzung an? Sie blieben bei ihrem Nein - und niemand im Plenum wollte dazu das Wort ergreifen, nur Agramunt ging in seiner Rede darauf ein.

Wegen der Annexion der Krim und der russischen Militärhilfe für die Aufständischen in der Ostukraine hatten die Abgeordneten 2014 den Duma-Abgesandten das Stimmrecht entzogen und weitere Sanktionen auferlegt. Im Gegenzug boykottiert Moskau seither das Europaratsparlament. Dessen Strafmaßnahmen liefen jetzt eigentlich aus. Die russischen Vertreter hätten nun einen Antrag auf Wiederzulassung zu den Sitzungen stellen müssen. Für diesen Fall forderten indes fast 70 der rund 320 Abgeordneten eine Fortsetzung der Sanktionen und übten scharfe Kritik am Kreml - dem sie etwa eine "militärische Aggression" im Donbass vorwarfen.

In dieser aufgeladenen Situation reiste Agramunt eigens nach Moskau, um mit Wolodin und anderen führenden Parlamentariern nach einer Lösung zu suchen. Vergebens: Dem Spanier blieb nur, das russische Beharren auf dem Boykott zu "bedauern" - und die Straßburger Kollegen mit der vagen Aussicht auf einen künftigen Dialog zu vertrösten.

Doch nicht nur der Ukraine-Konflikt provoziert Zoff. Ärger gibt es seit langem, weil Moskau die Entscheidungen des Menschenrechtsgerichtshofs nicht konsequent umsetzt. Inzwischen dekretiert ein Gesetz sogar, dass die russische Verfassung über den Straßburger Urteilen steht. Kurz vor der Wintertagung des Europaratsparlaments landete das Moskauer Verfassungsgericht einen Paukenschlag: Ein Spruch des Menschenrechtsgerichtshofs von 2014, der den Kreml zur Zahlung einer Entschädigung von 1,9 Milliarden Euro an die Ex-Aktionäre des Ölkonzerns Yukos verpflichtet, wurde kurzerhand für nichtig erklärt. Die Straßburger Anordnung widerspreche der russischen Verfassung und deren Normen von "Gleichheit und Gerechtigkeit": Yukos habe mit Steuerhinterziehung die "Grundlagen des Staats" bedroht. Die Europaratsrichter hatten Rechtsverstöße bei der staatlichen Zerschlagung von Yukos bemängelt, dessen Haupteigner der Oligarch und Kremlkritiker Michail Chodorkowski war.

Das russische Vorgehen sorgt beim Europarat für Unruhe. Es dürfe keine "selektive Umsetzung" der Straßburger Urteile geben, insistierten Theodora Bakoyannis und Liliane Maury Pasquier, Russland-Berichterstatterinnen des Parlaments, sowie Pierre Yves Le Borgn, zuständig für den Gerichtshof. Moskau habe sich mit der Unterzeichnung der Menschenrechtscharta "rechtlich verpflichtet", die Straßburger Urteile "voll umzusetzen". Es sei "inakzeptabel", eine Entscheidung der Europaratsrichter nicht zu respektieren, betonten die drei Berichterstatter.

Menschenrechtskommissar Nils Muiznieks kritisierte die Moskauer Rechtsprechung, weil sie die Botschaft vermittele, man könne rechtsstaatliche Prinzipien nach Belieben außer Kraft setzen. Dies könne "weitreichende Folgen" für den gesamten Kontinent haben.