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recht : Der Schutz der Bevölkerungsgruppen

Heftiger Streit über AfD-Gesetzentwurf zur Änderung des Volksverhetzungsparagrafen

30.04.2018
2023-08-30T12:34:28.7200Z
3 Min

Die AfD-Fraktion ist mit einem Gesetzentwurf zur Änderung des Volksverhetzungsparagrafen 130 im Strafgesetzbuch (StGB) auf scharfen Widerspruch gestoßen. In der ersten Beratung über den Entwurf am vergangenen Freitag warfen Redner der anderen Fraktionen der AfD vor, einer national-völkischen Ideologie anzuhängen und mit der Initiative letztlich auf eine Abschwächung oder Abschaffung des Paragrafen zu zielen. In der von Zwischenrufen und Zwischenfragen geprägten Debatte machten Redner von Union, SPD, FDP, Linken und Grünen klar, dass eine Änderung des Paragrafen im Sinne der AfD weder sinnvoll noch notwendig sei.

Hetze Die AfD-Fraktion will mit dem Gesetzentwurf (19/1842) eine sogenannte Legaldefinition für "Teile der Bevölkerung" in Paragraf 130 einführen, um die deutsche Bevölkerung vor Hetze zu schützen. Während die Justiz etwa "Ausländer" und "Flüchtlinge" als Teile der Bevölkerung im Sinne von Paragraf 130 anerkenne, verweigere sie der deutschen Bevölkerung einen entsprechenden Schutz. Eine Legaldefinition solle auch die deutsche Bevölkerung als solche und ebenso den öffentlichen Frieden schützen, indem Volksverhetzungen gegen Deutsche explizit für strafbar erklärt werden. Jens Maier (AfD) argumentierte, es gehe darum, eine Strafbarkeitslücke zu schließen, denn mittlerweile greife die Deutschenfeindlichkeit um sich. Dass gegen diese Hetze nichts getan werde, sei ein Skandal.

Schutzgut Ingmar Jung (CDU) erwiderte, das Schutzgut des Paragrafen 130 sei der öffentliche Frieden, nicht eine bestimmte Bevölkerungsgruppe. Für die Ausgestaltung des unbestimmten Rechtsbegriffs sei die Rechtsprechung zuständig. Der AfD gehe es nur darum, Stimmung zu machen gegen alle möglichen Randgruppen.

Jürgen Martens (FDP) stellte klar, niemand in Deutschland müsse sich beleidigen lassen, weder Deutsche noch Ausländer. Die AfD geriere sich als Opfer der Ausländer und bastele an einem "Teutonenschutzkern". Der Entwurf selbst sei unklar, unverständlich und unlogisch. "Das ist sinnfrei, das ist Wortgeklingel."

Sarah Ryglewski (SPD) erinnerte daran, dass AfD-Politiker selbst oder Anhänger der Partei mit "widerlichen Äußerungen", etwa gegen den Sohn von Ex-Tennisspieler Boris Becker, aufgefallen seien. Die Partei wolle Teile der Bevölkerung ausgrenzen. Der Antrag zeuge von einem völkischen Weltbild sagte sie und merkte an: "Fremd im eigenen Land, das ist bei Ihnen ja ein Dauerschlager."

Kompetenz Auch Martina Renner (Linke) stellte Aufrichtigkeit und Kompetenz der Antragsteller infrage. Eigentlich gehe es der AfD um die Abschaffung des Paragrafen, mutmaßte Renner, die daran erinnerte, dass schon vor dem historischen Hintergrund der Nazi-Gewaltherrschaft die Minderheiten gesetzlich geschützt werden müssten. Renner folgerte: "Sie wollen die Manipulation der Erinnerung und die Vorbereitung einer autoritären Zukunft."

Nach Ansicht von Canan Bayram (Grüne) macht der Entwurf inhaltlich keinen Sinn. Er sei verfassungsrechtlich bedenklich und lasse viele Fragen offen. Der AfD gehe es offensichtlich nur darum, ihre völkisch-nationalen Anhänger davor zu schützen, dass sie vom Staat belangt würden. Das Gesetz habe sich in seiner jetzigen Form bewährt und diene dazu, den öffentlichen Frieden zu erhalten.

Geschichte Auch Patrick Sensburg (CDU) betonte, Gesetze sollten nur dann geändert werden, wenn es dafür zwingende Gründe gebe. In diesem Fall gebe es keinen Bedarf an einer Änderung des Paragrafen. Hetze jedweder Art sei nicht zu tolerieren. Aber das eigene "national-deutsche Antlitz" ins rechte Licht zu rücken, sei auch falsch.

Karl-Heinz Brunner (SPD) gab zu bedenken, der Paragraf 130 habe zwei Funktionen, den öffentlichen Frieden zu wahren und Minderheiten zu schützen, nicht die Mehrheitsgesellschaft, die auch polemische Angriffe aushalten müsse.

Nie wieder dürfe in Deutschland "der Mob" losziehen und Minderheiten jagen oder verunglimpfen. Deshalb verbiete sich auch jede Relativierung und deshalb "dürfen wir nicht Hand anlegen an diese Vorschrift".

Claus Peter Kosfeld