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Bildung und Forschung : Das Kooperationsverbot wackelt

Die neue Ministerin wirbt im Bundestag für eine Grundgesetzänderung. Unterstützung kommt auch aus der Opposition

22.05.2018
2023-08-30T12:34:29.7200Z
4 Min

Nach dem Etatentwurf 2018 sind für Bildung und Forschung nach stetigen Erhöhungen weniger Mittel eingeplant als im Vorjahr: Ressortchefin Anja Karliczek (CDU) sollen danach im laufenden Jahr 17,59 Milliarden Euro (2017: 17,65 Milliarden Euro) zur Verfügung stehen. Immerhin: Es ist der viertgrößte Etat der Bundesministerien, und für 2019 stellte Karliczek im Bundestag "weitere Aufwüchse" in Aussicht.

Anders als ihre Vorgängerin warb die neue Bundesministerin vergangene Woche in der Haushaltsdebatte des Bundestages unmissverständlich für eine weitgehende Lockerung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern im Schulbereich: "Wichtig ist, dass wir jetzt zügig die Grundlage dafür schaffen und gemeinsam hier im Deutschen Bundestag und mit den Ländern das Grundgesetz ändern - im Interesse unserer Kinder", sagte Karliczek. Sie wolle, dass Bildung von Bund, Ländern, Kommunen, Eltern, Lehrern und Schülern zusammen gedacht wird, unabhängig davon, wer im Detail die Verantwortung trage. Ein zentraler Testfall für diese Zusammenarbeit sei der Digitalpakt. (siehe auch Seite 2)

Zweidrittelmehrheit nötig Für die Aufhebung des Kooperationsverbotes hatte die SPD während der Koalitionsverhandlungen gekämpft, aber auch FDP, Linke und Bündnis 90/Die Grünen treten seit langem dafür ein. Dazu ist eine Grundgesetzänderung nötig, bei der die Regierungskoalition für die erforderliche Zweidrittelmehrheit auf Teile der Opposition angewiesen ist.

Christoph Meyer (FDP) bekräftigte, dass die Liberalen für die Aufhebung des Kooperationsverbotes stimmen würden, und sprach sich ebenfalls für den Digitalpakt aus. Zugleich kritisierte er das zu langsame Tempo: "Angesichts der Zahlen werden Sie mit einer Bund-Länder-Vereinbarung, einer Programmaufstellung, einem Richtlinienerlass und einer Ausschreibung frühestens Ende 2019 vorankommen. Das ist ein Armutszeugnis für diese Koalition."

Kai Gehring (Grüne) sagte für seine Fraktion ebenfalls Unterstützung bei der Grundgesetzänderung zu, kritisierte aber den Haushaltsentwurf insgesamt: "46 Milliarden Euro wollen Union und SPD per Gießkanne in dieser Wahlperiode zusätzlich ausgeben. Nur kümmerliche sechs Milliarden Euro davon sind für Bildung und Forschung, Hochschulen und Digitalisierung vorgesehen. Was für ein Armutszeugnis!" Das BAföG werde abgeschmolzen und die Bundesministerin schweige zudem zum Megathema "Integration durch Bildung". Auch könne sie nichts Konkretes vorweisen, wie sie die duale Ausbildung stärken wolle. Zudem habe er Zweifel, dass die Koalition wirklich 3,5 Milliarden Euro des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgeben werde. Gehring bezeichnete es zudem als großen Fehler, "dass Sie sich im Koalitionsvertrag vom Sieben-Prozent-Ziel für Bildung verabschiedet haben. Unseren Kindern können wir ein unterfinanziertes Bildungssystem nicht zumuten."

Während Karl Lauterbach (SPD) über die unbefriedigende Lage an den Schulen und das Hinterherhinken der deutschen Universitäten zu internationalen Spitzenuniversitäten und Forschung einging, und für die Weiterentwicklung des nationalen Bildungs- und Forschungsniveau einsetzte, warb sein Fraktionskollege Sven Schulz für die Aufhebung des Kooperationsverbots: "Bildung ist die wichtigste Ressource, die stärkste Kraft dieses Landes. Wir alle müssen zusammenarbeiten - Kommunen, Länder und eben auch der Bund -, um die Bildung zu stärken."

Albert Rupprecht (CSU) machte die Vorbehalte seiner Fraktion gegenüber einer solchen Abschaffung deutlich. Der Begriff "Kooperationsverbot" sei ein "genialer linker Kampfbegriff." Er sei aber in der Sache falsch und gefährlich, weil der Eindruck erweckt werde, man brauche bloß das "üble" Kooperationsverbot abschaffen und dann gäbe es riesige Qualitätssprünge im Bildungswesen. "Das ist eine ideologische Verkürzung, die der Komplexität unseres Bildungswesens in keiner Weise gerecht wird." Rupprecht betonte, dass es bereits jetzt zahlreiche Kooperationen gerade in der Wissenschaft zwischen Bund und Ländern gebe. 2002 habe der Betrag, mit dem Bund und Länder gemeinsam die Wissenschaft unterstützt hätten, bei 4,8 Milliarden Euro gelegen; im Jahr 2015 bei 13,4 Milliarden Euro. Das sei eine Verdreifachung der Mittel. Dennoch schloss Rupprecht eine Grundgesetzänderung nicht aus und sagte: "Wir werden eine entsprechende Änderung mittragen, aber es muss geklärt sein, dass Subsidiarität und Dezentralität weiterhin gegeben sind."

»Bildungsmauer« Als ein weiteres zentrales Thema sprachen mehrere Redner die Ungleichheit in der Bildung an. Gesine Lötzsch (Linke) bezeichnete die "Bildungsmauer zwischen oben und unten in unserem Land" als "unverantwortlich hoch." Von 100 Kindern aus Akademikerfamilien begännen statistisch gesehen 79 ein Hochschulstudium; bei Nichtakademikern schafften gerade einmal 27 von 100 Kindern den Sprung an die Hochschule. Lötzsch forderte die Ministerin auf "diese Bildungsmauern endlich niederzureißen".

Götz Frömming (AfD) bemängelte, dass sich im Etatentwurf "zahlreiche ideologisch eingefärbte Posten" verbergen würden: "Brauchen wir tatsächlich eine Bundesförderung für Bildung für nachhaltige Entwicklung? Brauchen wir vom Bund geförderte europäische Schulen?" Zudem kritisierter Frömming den "Hype" um die digitale Bildung. Dadurch werde vermieden, "über die wirklichen Probleme in diesem Land und insbesondere an unseren Schulen sprechen" zu müssen. An den Schulen bahne sich eine Katastrophe an. Deutschland brauche bis 2025 nach Berechnungen von Bildungsforschern 105.000 neue Grundschullehrer. Es stünden aber im selben Zeitraum nur 70.000 Absolventen von Universitäten zur Verfügung.

CSU-Mann Rupprecht

entgegnete, die AfD rede "bei jeder Debatte und auch im Ausschuss von der Schulbildung". Das sei aber "der einzige Bereich, für den wir nicht zuständig sind. Dafür sind die Länder zuständig."