Piwik Webtracking Image

Fahrverbote : Expertenstreit um Hardware-Updates

Städtetag-Vertreter kritisiert »Sofortprogramm Saubere Luft«

02.07.2018
2023-08-30T12:34:31.7200Z
3 Min

Aus Sicht von Umweltverbänden führt an verpflichtenden Hardware-Nachrüstungen bei Dieselfahrzeugen mit unzulässigen Abschalteinrichtungen kein Weg vorbei. Das wurde während einer öffentlichen Expertenanhörung des Verkehrsausschusses zu Anträgen der FDP-Fraktion (19/1695) sowie der Fraktion Die Linke (19/1360) vergangene Woche deutlich.

Die durch das von der Bundesregierung favorisierte Software-Update zu erreichenden 25 bis 30 Prozent Verminderung der Stickoxid-Emissionen, die aber auch nur bei optimalen Witterungsbedingungen erreichbar seien, reichten nicht aus, sagte Jens Hilgenberg vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Schließlich würden die Grenzwertüberschreitungen in einigen Städten bei mehr als 100 Prozent liegen. Die Kosten für die benötigten Hardware-Updates müssten die Hersteller tragen, sagte der BUND-Vertreter.

SCR-Katalysator Auch Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hält nicht allzu viel von Software-Updates. Bei Temperaturen von ein bis zwei Grad lägen die Emissionswerte damit sogar höher als ohne. "Sie tragen nicht dazu bei, dass die Luftqualität entscheidend verbessert wird", sagte sie. Daher würden technische Nachrüstungen benötigt, die durch die Hersteller finanziert und durchgeführt werden müssten. Nur so könne eine korrekte Ansteuerung des zur Reduzierung von Stickoxid-Emissionen geeigneten SCR-Katalysators durch die von den Herstellern programmierte Motorsteuerung sichergestellt werden. Es gebe verfügbare Hardware-Nachrüstungen, sagte Saar. Die Kosten lägen bei 1.500 Euro pro Fahrzeug.

Widerspruch gab es dazu von Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie, Mitautor einer Studie, wonach Hardware-Nachrüstungen technisch kompliziert und teuer seien. Eine feldfähige Hardware-Lösung existiere derzeit nicht, sagte Koch. Die schnellste Wirkung, um die Stickoxid-Emissionen zu reduzieren, werde mit einem Software-Update erreicht. Nachrüstlösungen hätten hingegen zur Folge, dass mit ihnen ein Sachverhalt verbessert werde, aber mehrere neue Probleme auftauchten.

Georg Wachtmeister von der TU München, der in einer weiteren Studie für die Bundesregierung SCR-Katalysatoren als System für die Nachrüstung empfohlen hatte, warnte davor, zu denken, es gebe schnelle Nachrüstungen "aus der Schublade". Es werde Fahrzeuge geben, bei denen es schwierig bis unmöglich sei, einen motornahen Platz für den Katalysator und den AdBlue-Tank zu finden. Daher könne er sich spezielle Software-Lösungen für Städte vorstellen, sagte Wachtmeister.

Kritik an den gewählten Standorten für die Emissionsmessungen übte Matthias Klingner vom Frauenhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktur-Systeme. So sei etwa das Neckartor in Stuttgart nicht repräsentativ für den Luftzustand der Stadt. Je näher die Messcontainer an der Fahrbahn stünden, desto höher lägen auch die ermittelten Werte, sagte Klingner. Im Interesse "schutzwürdiger Personen" sei es vielmehr, Messungen in angrenzenden Kindergärten, Altenheimen, Krankenhäusern sowie Park- und Wohnanlagen durchzuführen und die Messdaten nach einem standardisierten Verfahren auszuwerten.

ADAC-Vertreter Alexander Möller warnte davor, Mobilität und Gesundheit gegeneinander auszuspielen. Ziel müsse es sein, Grenzwerte einzuhalten und Fahrverbote zu vermeiden. Ein generelles Fahrverbot, wie es mit einer Blauen Plakette verbunden sei, lehne der ADAC ab, betonte Möller. Das Bundesverwaltungsgericht habe ohnehin lediglich lokale Fahrverbote als letztes Mittel erlaubt. Aus Sicht des ADAC-Vertreters hätten die Kommunen aber noch nicht sämtliche Möglichkeiten zur Emissionssenkung ausgeschöpft.

Hilmar von Lojewski, Vertreter des Deutschen Städtetages, sah das anders. Die Kommunen hätten sehr wohl alle Möglichkeiten ausgeschöpft, "die sie mit eigenen Mitteln darstellen können". Enttäuscht zeigte er sich von dem seitens der Bundesregierung aufgelegten "Sofortprogramm Saubere Luft", von dem noch nicht ein Cent abgeflossen sei, weil sich die Abwicklung für die Kommunen ausgesprochen sperrig gestalte. Der benötigte "Blanko-Scheck" für die Kommunen sei das Programm nicht, sagte Lojewski.