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Parlamentarisches Profil : Der Atomgegner: Victor Perli

09.07.2018
2023-08-30T12:34:31.7200Z
3 Min

D em Himmel ist Victor Perli (38) derzeit gerne schon mal 2.000 Meter näher als in seinem Berliner Abgeordnetenbüro: dreiwöchiger Wanderurlaub mit seiner Partnerin erst nach Tirol und dann nach Mittelitalien: "Ich bin beim Wandern kein Gipfelkletterer, aber ich mag hohe Berge mit Aussicht." Für ihn bedeutet das Erholung pur - nicht zuletzt nach der letzten Parlamentswoche vor der Sommerpause mit den Etat-Debatten. Perli sitzt für die Linksfraktion im Haushaltsausschuss.

Für das von der Koalition vorgelegte Zahlenwerk hat er nichts als Schelte übrig: "Aus unserer Sicht ist das ein Haushalt, der soziale Ungerechtigkeit hinnimmt, aufrüstet und von unten nach oben umverteilt. Der an Problemen nichts ändert und zu wenig enthält für den Klimaschutz und die Zukunftsaufgaben." Die Koalition feiere sich für die Schwarze Null. "Dabei übersieht sie, dass wir einen immensen Investitionsstau in der Gesellschaft haben - von maroden öffentlichen Gebäuden und kaputten Straßen bis hin zu einem Personalmangel überall im öffentlichen Dienst." Sein knapper Befund: "Da wird auf Kosten der Zukunft gespart."

Er verweist auf die "Niedrigzinsphase, in der man zu sehr günstigen Konditionen finanzieren kann". Dabei blickt er nicht zuletzt auf den Wohnungsmarkt: "Viele Menschen können sich die Miete einfach nicht mehr leisten." Es sei nicht nur versäumt worden, den sozialen Wohnungsbau zu stärken. Er sei "sogar massiv zurückgefahren" worden. Perli: "Das ist ein Versagen der Politik. Da sagen wir, es muss massiv umgesteuert werden mit Investitionen."

Es verwundert nicht, dass der Abgeordnete aus Wolfenbüttel mit den Atom-Endlagern Asse II und Schacht Konrad in seinem Beritt sozusagen als gelernter Anti-Kernkraft-Politiker gelten kann. Im niedersächsischen Landtag machte er sich mit der Thematik einen Namen, bis die Linken dort bei der Wahl 2013 an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten. Im Bundestag, dem er seit Herbst vergangenen Jahres angehört, betreibt er allerdings Haushaltspolitik.

Die Regierung durch viele Nachfragen zu kontrollieren: Das reize ihn besonders am Haushaltsausschuss, sagt Perli. Dort gelinge dies der Opposition am besten. Die Beschäftigung mit dem Haushaltsplan sei ihm auch deshalb wichtig, weil der Etat "in Zahlen gegossene Politik" darstelle: "Am Haushaltsausschuss finde ich besonders faszinierend, dass ich es mit der gesamten Bandbreite der Bundespolitik zu tun habe."

Der Atompolitik gelte aber weiterhin sein Augenmerk. Immerhin sei inzwischen "ein großer Konflikt abgeräumt worden, seit der Atomausstieg "zwar noch nicht umgesetzt, aber auf dem Weg ist". Die Endlagersuche bleibe ein heikles Thema: "Um diese Fragestellung zu begleiten, muss ich jedoch nicht im Umweltausschuss sitzen."

Gab es eine Initialzündung, sich gesellschaftlich zu engagieren? "Ich bin seit dem 16. Lebensjahr politisch aktiv", blickt Perli zurück. Und dies erst einmal vor Ort: "Junge Neonazis hatten in dem Dorf, in dem ich wohnte, den Jugendraum gekapert. Dagegen haben wir eine Initiative gegründet." Das war auch die Zeit des Regierungswechsels von Helmut Kohl zu Gerhard Schröder: "Ich stand mit einer Grundsympathie der rot-grünen Bundesregierung gegenüber." Dann habe er aber "erkannt, dass sie das Gegenteil von dem verfolgt, was ich gut fand: Kosovo - der erste deutsche Kriegseinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg, dann der "Sozialabbau mit der Agenda 2010."

Perli erinnert sich: "In unseren Schülerkreisen waren Joschka Fischer und Gregor Gysi populär." Aber Fischer habe eben mit diesen Kriegseinsätzen an Popularität eingebüßt. Zudem brachte es Perli auf, dass "Rot-Grün den Atomausstieg auf die lange Bank geschoben hat". Für ihn sei mithin klar gewesen: "Es braucht eine Kraft links von SPD und Grünen."

Damals besuchte er das "Gymnasium im Schloss" in Wolfenbüttel. Studiert hat er Politikwissenschaft in Braunschweig und Potsdam. Geboren wurde Perli in Bad Oeynhausen. Über seine Eltern besitzt er die italienische und niederländische Staatsbürgerschaft. 2007 wurde er in Deutschland eingebürgert.