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INNERES : »Eine echte Asylwende«

Der Streit über die Flüchtlingspolitik beherrscht auch die Bundestagsdebatte über Seehofers Etat

09.07.2018
2023-08-30T12:34:31.7200Z
3 Min

Dass der Streit zwischen CDU und CSU über die deutsche Flüchtlingspolitik, nachdem er die Republik drei Wochen hindurch in Atem gehalten hatte, am vergangenen Donnerstag auch die Schlussdebatte des Bundestags über den Etat 2018 des Bundesministeriums für Inneres, Bau und Heimat prägte, kann nicht überraschen. Gleiches gilt für die an diesem Vormittag geäußerte Oppositionskritik an der unionsinternen Verständigung, die freilich schon am Abend von einer Übereinkunft der Koalitionsspitzen überholt sein sollte (siehe Seite 1). Immerhin zeigte sich Ressortchef Horst Seehofer (CSU) in der Bundestagsdebatte schon um 9.50 Uhr "guter Dinge", dass die Union auch mit dem Koalitionspartner SPD eine "verlässliche Einigung" erzielen werde.

Zu den "wichtigsten Schritten jetzt" zählte er "ein neues Grenzregime an der deutsch-österreichischen Grenze". Man erhalte "Transitzentren" - der Begriff sollte sich in dem später vereinbarten Koalitionspapier nicht mehr wiederfinden - "aus denen Asylbewerber innerhalb kürzester Zeit direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden". Das alles erfolge "abgestimmt mit unseren europäischen Nachbarn - das ist eine echte Asylwende, die hier eingeleitet wird", sagte Seehofer. Seine zu diesem Zeitpunkt noch teilweise bevorstehenden Gespräche mit Italien, Österreich und Ungarn, denen weitere Gespräche folgen würden, dienten der "Information unserer Partner und der Sondierung, wie wir vielleicht Überlegungen anstellen, da zu gemeinsamen Vereinbarungen zu kommen", fügte der Minister hinzu. Dabei werde es in der "ersten Runde keine Abschlüsse geben". Er gehe davon aus, dass "am Ende die wichtigsten Punkte dieser Vereinbarung von den Regierungschefs fixiert werden müssen".

Harsche Worte Martin Hess (AfD) sprach mit Blick auf den Unionsstreit von einem "unwürdigen Schauspiel der letzten Tage". Europa wolle die deutsche "Willkommenspolitik" nicht mehr, doch bis es wirksame Maßnahmen treffe, "müssen wir selbst handeln". Notwendig sei ein effektiver nationaler Grenzschutz, "bis die europäische Außengrenze effektiv geschützt wird".

Stefan Ruppert (FDP) nannte das zurückliegende "Chaos" "sehr betrüblich". Die Union verhindere seit 25 Jahren ein Einwanderungsgesetz: "Wir haben keine gesteuerte Einwanderung in Deutschland - das hat zu Unruhe, zu Unsicherheit geführt". Zu glauben, "dass in zwei oder drei Wochen Ordnung in etwas zu bringen ist, was Sie 25 Jahre nicht geordnet haben", sei eine "etwas naive Herangehensweise", fügte Ruppert hinzu.

Victor Perli (Linke) hielt Seehofer vor, sich seit Wochen vor allem "um den inneren Aufstand gegen die Kanzlerin" zu kümmern. Mit seiner Politik grenze er Millionen Menschen aus. Die Mehrheit im Land wolle jedoch "keinen Rechtsruck, und sie will auch keinen Innenminister, der schrittweise das Programm der Rechtsaußen übernimmt".

Irene Mihalic (Grüne) betonte, der "Geschwisterstreit" der Unionsparteien sei "nur notdürftig gekittet" und das Ergebnis "ein ganz fauler Kompromiss" zu Lasten Dritter. "Sie ziehen die Brücken hoch und versuchen, Deutschland vor dem Leid der Welt, so gut es geht, abzuschotten", kritisierte sie. Gleichzeitig werde nichts getan, "um die Fluchtursachen wirklich grundsätzlich anzugehen".

Mehr Stellen Martin Gerster (SPD) beklagte, die vergangenen Wochen seien geprägt gewesen von einem Machtkampf zwischen CDU und CSU "auf dem Rücken von Menschen" und zu Lasten der Demokratie. Im Haushaltsausschuss werde dagegen dafür gesorgt, dass "die Weichenstellung stimmt". So erhielten die Sicherheitsbehörden im Rahmen der Haushaltsberatungen zusätzlich 3.800 Stellen. Auch erhalte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 1.500 zusätzliche Stellen; zudem würden hier 4.500 Stellen entfristet.

Auch Klaus-Dieter Gröhler (CDU) verwies auf die in der vergangenen Wahlperiode begonnene Personalverstärkung im Bereich der inneren Sicherheit. "Zusätzlich über 3.000 Stellen für die Bundespolizei 525 zusätzliche Stellen für das Bundeskriminalamt - das wird diese beiden Sicherheitsbehörden in die Lage versetzen, die Herausforderungen zu erfüllen", sagte er.

Seehofer nannte seinen Etat, der knapp 6.000 neue Stellen aufweise, einen "Haushalt der Superlative", der neue Maßstäbe setze. Der Etat seines Ministeriums sieht im laufenden Jahr nach der vom Bundestag beschlossenen Ausschussfassung (19/2425) Ausgaben von mehr als 14,13 Milliarden Euro vor. Das sind gut 375 Millionen mehr als im ursprünglichen Regierungsentwurf und knapp 5,16 Milliarden Euro mehr als im Haushalt 2017, was unter anderem am Aufgabenzuwachs um den Bereich Bauen und Wohnen liegt (siehe Seite 4).