Piwik Webtracking Image

Parlamentarisches Profil : Der Regimegegner: Andreas Lämmel

08.01.2018
2023-08-30T12:33:47.7200Z
3 Min

Andreas Lämmel führte ein unauffälliges Leben im "Arbeiter- und Bauernstaat". Bis zum großen Umbruch 1989/90 hatte sich der gelernte Konditor und spätere Maschinenbauingenieur von Parteien wie Massenorganisationen der DDR konsequent ferngehalten. "Ich stand kritisch zum SED-Regime und seiner Bevormundung der Bürger. Wer nicht in der Partei und linientreu war, wurde ausgegrenzt und konnte sich nichts aufbauen", sagt der gebürtige Vogtländer, der seit 2005 für die CDU Dresden im Bundestag sitzt. Sein breites Sächsisch versteckt er nicht.

Mit der Wende kam der damals 30-jährige Lämmel in die Politik, wie viele damals. Das Erweckungserlebnis war für den Sohn eines evangelischen Pfarrers die Kommunalwahl im Mai 1989, die "klar gefälscht" war. Die Empörung war groß. "Es war klar, dass 1989 in der DDR etwas passiert. Meine Frau und ich haben entschieden, jetzt oder nie", sagt Lämmel. Er baute im Oktober 1989 die Oppositionsbewegung "Neues Forum" in Dresden mit auf und stellte der losen Gruppe den Flur seiner Wohnung als Geschäftsstelle zur Verfügung. "Das war eine aufregende Zeit. Ständig waren fremde Leute in der Wohnung, es musste immer jemand von uns da sein." Und das mit zwei kleinen Kindern.

Für Lämmel gab es neben der Kommunalwahl noch zwei weitere Schlüsselereignisse, die ihn in die aktive Opposition trieben: Das Massaker auf dem Pekinger Tiananmen-Platz im Juni 1989, zu dem SED-Zentralkomitee-Sekretär Egon Krenz den Genossen in Peking gratulierte. "Das war für die Opposition in der DDR ein deutlicher Fingerzeig, was auch uns passieren könnte", sagt Lämmel. Und dann die gewalttätigen Auseinandersetzungen am Dresdner Hauptbahnhof am 4. Oktober 1989 anlässlich der durchgeleiteten Züge mit den Prager Botschaftsflüchtlingen. Andreas Lämmel, der damals in einem Recyclingbetrieb am Bahnhof arbeitete, erlebte die Tumulte zwischen Ordnungshütern und tausenden Protestierern, die auf die Züge springen wollten, unmittelbar mit. "Das war eine neue Qualität in den Auseinandersetzungen zwischen Regimegegnern und der DDR-Staatsmacht."

Wurde Lämmel vom Regime - was wahrscheinlich ist - observiert? Stasi-Akten über seine damalige Dresdner Zeit sind nicht auffindbar. "Aber bei uns im Haus wohnte ein Volkspolizist, der die Wandanschläge des Neuen Forums immer wutentbrannt abriss, wenn er nach Hause kam", sagt Lämmel. Und die Unterschriftenlisten an die Behörden weiterreichte.

Die Revolution in der DDR verlief dynamisch. Waren die 68er aus dem Westen damals ein Thema? Ja, sagt Lämmel. "Auch im Neuen Forum gab es Leute, die den 68ern nahestanden, darunter viele Berliner Wissenschaftler." Die Dresdner allerdings hätten mit dem politisch "stark grün-links" dominierten Berliner Neuen Forum und seinen Ideen eines "dritten Wegs" nichts anfangen können und man habe sich schnell überworfen. Lämmel selbst wurde im Januar 1990 hauptamtlicher Geschäftsführer des Neuen Forums in Dresden - mit ein bisschen Gehalt. Allerdings hatten sich nach dem Mauerfall im November 1989 für die Ostdeutschen neue Perspektiven aufgetan. Die Opposition verlor schnell an Bedeutung. Viele Angehörige des Dresdner Neuen Forums sowie der oppositionellen "Gruppe der 20" um Arnold Vaatz beschlossen, in die CDU einzutreten - damals noch die alte Blockpartei. Lämmel: "Ausschlaggebend für uns war, dass die CDU in der Bundesrepublik als einzige Partei an der deutschen Einheit festgehalten hatte."

Nach der Einheit ging es für Lämmel schnell aufwärts. Referatsleiter im sächsischen Wirtschaftsministerium, Abteilungsleiter bei der Wirtschaftsförderung Sachsen, 1994 bis 2005 CDU-Abgeordneter im Landtag, danach Bundestagsmandat - stets im Wirtschaftsausschuss, in dem Lämmel seit 2009 Obmann der Unionsfraktion ist. Geschockt wurde er von der deftigen Wahlniederlage bei der Bundestagswahl im September 2017, als die CDU in Sachsen mit 26,9 Prozent hinter die AfD fiel. Bei der Direktwahl in seinem Dresdner Wahlkreis verlor Lämmel 18 Prozent. "Das war im Wahlkampf nicht so erkennbar. Den Bürgern waren die Flüchtlingspolitik und innere Sicherheit wichtig. Da hat die Berliner Parteispitze nicht immer klare Positionen gehabt." Lämmel gelobt Besserung. Er gehörte im Januar 2017 zu den Unterzeichnern eines Briefs von Unions-Abgeordneten an Kanzlerin Angela Merkel (CDU), in dem ihr "Wir schaffen das"-Kurs kritisiert wird. Lesen, Wandern und Motorradfahren sind die Hobbys des zweifachen Familienvaters.