Piwik Webtracking Image

Presse : Im Ausnahmezustand

Nach Ende der Zensur mussten sich die Zeitungen gegen die Revolutionäre behaupten

23.07.2018
2023-08-30T12:34:32.7200Z
3 Min

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs stellte auch die Journalisten in Deutschland vor eine neue Situation. Die Pressefreiheit wurde durch Verordnung am 31. Juli 1914 aufgehoben und für die Militärzensur im Februar 1915 eine Oberzensurstelle gebildet. So wurde die Bevölkerung über die tatsächlichen militärischen Gegebenheiten im Unklaren gehalten. Das hielten viele Zeitungen bis in die letzten Kriegstage durch, als die üblichen Frontberichte trotz Hungers und Kriegsmüdigkeit weiter erschienen: So schrieb wenige Tage vor der faktischen Kapitulation das "Berliner Tageblatt" am 26. Oktober 1918 vom "gewaltigen, erfolgreichen Ringen im Westen". Allerdings bot die Presse in den letzten Wochen des Kaiserreichs ein buntes, vielfältiges Meinungsbild von rechten, linken und liberalen Zeitungen. Uniform waren nur noch die Heeresberichte und die amtlichen Meldungen und Kommentare des Wolffschen Telegraphenbüros.

Inzwischen breitete sich nach der Meuterei der Kieler Matrosen am 29. Oktober 1918 die Revolution aus. Das USPD-Blatt "Leipziger Volkszeitung" schrieb am 2. November 1918: "Der wahnwitzige Gedanke, dass Deutschland den Krieg fortsetzen müsse, wird im Großen Hauptquartier immer noch aufrechterhalten. Die Forderungen des Proletariats sind: Nicht Fortsetzung des Krieges - sofortiger Frieden. Es lebe die sozialistische Republik." Immer mehr wurde nun in der liberalen und linken Presse die Abdankung von Kaiser Wilhelm II. verlangt. So schrieb die bürgerliche "Frankfurter Zeitung" am 8. November 1918: "Jetzt ist längeres Zögern unmöglich. Wir haben nur die Wahl zwischen dem Thronverzicht des Kaisers oder dem Bürgerkrieg."

Für viele im Land war es ein Schock, als der viereinhalbjährige Krieg trotz unendlicher Opfer mit der Niederlage Deutschlands zu Ende ging. Der Kaiser dankte ab, die Monarchie im Reich und in den Ländern war am Ende. Je nach Zeitung, fielen die Bekanntmachungen ganz unterschiedlich aus. In Berlin wie in der Provinz. So war das epochale Ereignis dem württembergischen Heimatblatt "Dürrmenz-Mühlacker Bote" zwar ein paar Zeilen auf der Titelseite wert, der Fortsetzungsroman "Das Heideprinzesschen" wurde am 11. November 1918 dennoch halbseitig auf Seite 1 weitergedruckt. Der "Berliner Lokal-Anzeiger" schrieb: "Es wird eine der wichtigsten Aufgaben der deutschen Geschichtsforschung sein nachzuweisen, dass die Weltgeschichte einen grausamen, furchtbaren Justizmord begangen hat."

Pressefreiheit Für die Presse war der Übergang zur Republik mit großen Änderungen verbunden. Am Tag der verkündeten Abdankung des Kaisers und der Bestellung von Friedrich Ebert (SPD) zum Reichskanzler am 9. November 1918 besetzten Revolutionäre Berlins Zeitungsviertel. Die Abendausgabe des konservativen "Berliner Lokal-Anzeigers" erschien als "Rote Fahne" der Spartakusgruppe, bis regierungstreue Soldaten die alten Verhältnisse herstellten. Am 12. November erließ die Übergangsregierung, der "Rat der Volksbeauftragten", unter Ebert einen Aufruf, in dem es hieß: "Eine Zensur findet nicht statt. Die Meinungsäußerung in Wort und Schrift ist frei."

Dieses Programm der Presse- und Meinungsfreiheit musste nun gegen die linken Revolutionäre durchgesetzt werden. Und das nicht nur in Berlin. So wurde in Leipzig vom Arbeiter- und Soldatenrat eine Zeitung mit Zerstörung bedroht, wenn sie einen bestimmten Bericht bringe. In Mülheim/Ruhr wurden Druckplatten zerschlagen, weil sich Deutsche Volkspartei und Zentrum in Flugblättern gegen die Verhaftung Mülheimer Bürger gewandt hatten. Am 12. Dezember 1918 mahnte der Rat der Volksbeauftragten: "Die Reichsregierung verwahrt sich gegen jede gewaltsame Beschränkung des freien Wortes. Sie fordert von den Arbeiter- und Soldatenräten die völlige Aufrechterhaltung der Pressefreiheit." Die linken Revolutionäre mussten weichen, so wie mit ihrer von der Reichskonferenz der Arbeiter- und Soldatenräte erhobenen Forderung, "den großkapitalistischen industriellen Meinungsfabriken Beschränkungen ihres ökonomischen Übergewichts" aufzuerlegen. Im Januaraufstand 1919 wurde Berlins Zeitungsviertel erneut besetzt. Truppen von Gustav Noske zerschlugen aber den Aufstand. Das Blatt "Der Montag" verkündet am 13. Januar 1919 "Berlins Befreiung vom Spartakus".