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Betriebsrenten : Die große Abzocke

In allen Fraktionen gibt es Bestrebungen, den vollen Krankenversicherungssatz wie bis 2004 zu halbieren

03.09.2018
2023-08-30T12:34:34.7200Z
3 Min

Betriebsrenten als dritte Säule der Alterssicherung sind in der Krise. Die Nullzinspolitik drückt die Renditen und die hohen Krankenkassenabgaben verderben Millionen Ruheständlern die Laune. Wegen eines Milliardendefizits bei den gesetzlichen Kassen wird seit 2004 auf Betriebsrenten und Zahlungen vergleichbarer Versorgungswerke der volle und nicht mehr nur halbe Krankenkassensatz abgezogen, wie bei der gesetzlichen Rente. Dazu wird der volle Pflegesatz kassiert, was für die Betriebsrentner Abzüge von etwa 18 Prozent bedeutet. Wer nach Ende seines Berufslebens von seinem Versorgungswerk 100.000 Euro bekommen soll, dem bleiben nur etwas mehr als 80.000 Euro übrig - gestreckt wird die Zahlung an die Kassen über zehn Jahre.

Gesundheitsreform Die Gesundheitsreform 2004 wurde von der damaligen rot-grünen Koalition unter Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) im Zusammenwirken mit dem für Gesundheitspolitik zuständigen Unionsfraktionsvize Horst Seehofer (CSU) ausgehandelt, weil man auch auf den Bundesrat angewiesen war. Mit dem Gesetz wurde auch die Möglichkeit für Arbeitnehmer beendet, bei einmaligen Kapitalauszahlungen betrieblicher Direktversicherungen gar keine Beiträge zu bezahlen.

Viele Betroffene empörte, dass damals kalt in geltende Verträge eingegriffen wurde und die arbeitenden Menschen betroffen sind, die dem Rat der Politik gefolgt waren, in betriebliche Altersversorgung zu investieren. Allerdings wurde dies höchstrichterlich abgesegnet.

Seit Jahren gibt es dagegen Proteste. Weil die inzwischen mehr als sechs Millionen Betroffenen zur wählerwirksamen Klientel angewachsen sind, hat sich auch die Politik des Themas angenommen. In den Koalitionsverhandlungen brachte die SPD die Forderung auf, die Krankenkassenabgaben für Betriebsrentner wieder zu halbieren. Ein entsprechender Passus im Papier entfiel aber am Ende der Gespräche auf "Weisung von ganz oben", wie es heißt. Vermutlich, weil der Beitragsausfall von knapp drei Milliarden Euro für die Krankenkassen abgeschreckt hatte.

Der Gesundheitsexperte und SPD-Fraktionsvize, Karl Lauterbach, hält gleichwohl den vollen Krankenkassenbeitrag bei Betriebsrenten für "ungerecht und unhaltbar. Wir müssen das korrigieren und werden das mit der Union verhandeln", sagte er dem "Tagesspiegel".

Inzwischen stehen alle Fraktionen bis auf die Union hinter der Forderung einer Absenkung der hohen Kassenbeiträge für Betriebsrentner. Das Thema wird immer wieder im Bundestag debattiert, zuletzt auf einer öffentlichen Anhörung im April im Gesundheitsausschuss.

Bisher hat nur die Linksfraktion einen Antrag im Bundestag dazu eingereicht, in dem sie die doppelte Beitragszahlung auf Direktversicherungen und Betriebsrenten in der Anspar- und Auszahlungsphase beenden will. Überraschenderweise wurde die zu erwartende Ablehnung durch die Große Koalition in der Gesundheitsausschuss-Sitzung Ende Juni verschoben.

In der Union gelten Fraktionschef Volker Kauder und Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) als Gegner einer Halbierung der Kassenbeiträge für Betriebsrentner. Spahn ließ ausrechnen, dass eine Rückabwicklung des Gesetzes von 2004, wie von manchen gefordert, 40 Milliarden Euro kosten würde. Aber auch in der Union gibt es Kritik an der derzeitigen Regelung. Der Chef der Unions-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung Carsten Linnemann (CDU) fordert ein Halbierung der Kassenbeiträge für Betriebsrentner, um die "Akzeptanz der betrieblichen Altersvorsorge zu stärken". Dazu will er auch die bisherige Freigrenze von Betriebsrentenzahlungen von 152,25 Euro im Monat in einen Freibetrag umwandeln, wovon alle profitieren würden. Ähnliche Forderungen kommen von der CSU-Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner.

Widerspruch Dagegen kommt aber auch aus der CSU der schärfste Widerspruch. Der Sozialpolitiker und Bundestagsabgeordnete Max Straubinger fragt nach der Finanzierung solcher Forderungen. "Mir kann keiner erklären, wie der Einnahmeausfall von drei Milliarden zulasten der Kassen ausgeglichen werden soll." Kleinrentner oder schlechter gestellte Beschäftigte ohne Betriebsrenten dürften nicht über höhere Kassenbeiträge für Menschen mit Betriebsrenten aufkommen.