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frauen : Paragraf mit Potenzial

Heftiger Streit über verbotene Werbung für Schwangerschaftsabbrüche

22.10.2018
2023-08-30T12:34:36.7200Z
3 Min

Wird Paragraf 219a zum "Schicksalsparagrafen für die SPD"? Die Linken-Abgeordnete Cornelia Möhring geht davon aus. In der Debatte am vergangenen Freitag über drei Gesetzentwürfe der Fraktionen von Linken, Grünen und FDP (19/93, 19/630, 19/820) zur Streichung beziehungsweise Änderung des Paragrafen, der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, wurde deutlich, dass das Thema das Potenzial hat, die Koalition zu spalten.

Bereits seit einem Jahr debattieren die Abgeordneten über das Thema. Anlass war die Verurteilung der Gießener Ärztin Kristina Hänel, die eine Strafe zahlen muss, weil sie auf ihrer Website veröffentlicht hat, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Paragraph 219a regelt, dass mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe belegt wird, "wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften" seines "Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt".

Rolle der Frau SPD, FDP, Linke und Grüne sehen darin eine nicht akzeptable Bevormundung von Frauen, denen Informationen vorenthalten würden, sowie eine Einschränkung von Ärzten, die Strafverfolgung und Kriminalisierung befürchten müssten, wenn sie ihren Job ausübten. Auch in der Praxis ist die Regelung umstritten: So hat der Richter, der erst vor wenigen Tagen die Berufung von Hänel abgelehnt hat, in der Urteilsbegründung gesagt, sie solle das Urteil "wie einen Ehrentitel" im Kampf um ein besseres Gesetz tragen.

Darauf wies auch Möhring in ihrer Rede hin. Sie appellierte an die SPD, die schon vor einem Jahr einen eigenen Gesetzentwurf zur Abschaffung des 219a vorgelegt habe, nicht das Frauenbild von Union und AfD zu unterstützen, die Frauen offenbar für "hohle Nüsse" hielten, die nicht in der Lage, seien, allein zu entscheiden und mit Informationen überfordert seien. Es gehe hier letztlich um "den Einfluss des Staates auf den weiblichen Körper".

Ulle Schauws (Grüne) sagte, wenn Paragraph 219a gestrichen würde, hätten von ungewollten Schwangerschaften betroffene Frauen mehr Sicherheit und Informationen; dies gehöre zur sexuellen Selbstbestimmung. Ärzten sei es dann möglich, ihren "Staatsaufgaben" nachzukommen, sie liefen nicht länger Gefahr, verklagt zu werden.

Nicht zeitgemäß Die FDP macht sich für eine Änderung der Regelung dahingehend stark, dass künftig nur noch "grob anstößige Werbung" unter Strafe gestellt werden sollte. Stephan Thomae (FDP) sagte, der Paragraf sei in der jetzigen Form nicht mehr zeitgemäß. Das Fristenmodell mit der Beratungslösung sei richtig und werde von einer Änderung des Paragrafen 219a nicht berührt. Die SPD forderte er auf, notfalls ohne den Koalitionspartner abzustimmen.

Die SPD ist bei dem Thema in der Bredouille. Die Fraktion ist entschieden dafür, den Paragrafen abzuschaffen, will aber nicht den Bruch der Koalition riskieren. So sagte Eva Högl (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe zugesagt, es werde eine "vernünftige Lösung" geben, die Rechtssicherheit für Ärzte bringen und den Frauen den Zugang zu nötigen Informationen gewähren werde. In Richtung Union fügte sie hinzu: "Es eilt." Jeden Tag würden Frauen vor Beratungsstellen, Praxen und Kliniken belästigt und Ärzte von "sogenannten Lebensschützern" angezeigt. Die Union solle sich daher einer Lösung nicht länger verschließen.

Die CDU-Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker machte allerdings klar, eine Reform des 219a sei von CDU und CSU nicht gewünscht. Es sei lediglich verboten, dass Ärzte, die die Eingriffe durchführten, dafür Werbung betrieben, es gebe sonst für Frauen und Ärzte "keine Stolpersteine", weil klar sei, dass "das Kind nur mit der Mutter geschützt werden kann und nicht gegen sie". Derzeit sprächen zwei Minister der Union mit zwei Ministerinnen der SPD über das Thema.

Schutz des Lebens Gegen eine Reform ist die AfD. Jens Maier (AfD) sagte, Linken und Grünen gehe es um einen grundsätzlichen Angriff auf die bestehende Regelung zum Schwangerschaftsabbruch mit dem Ziel, eine "kalte Fristenlösung" einzuführen. Auch der Antrag der FDP sei eine "Mogelpackung", weil er gleichbedeutend mit der Abschaffung des 219a sei. Seine Fraktion sei dagegen, am "Strafrechtsschutz für das ungeborene Leben" zu rütteln, der in den vergangenen Jahren immer wieder verfassungsrechtlich bestätigt worden sei. Nötig sei eine "Politik der klaren Haltung".

Innerhalb der Bundesregierung wurde vereinbart, dass das Justizministerium einen Vorschlag für eine Regelung vorlegen soll. Kristina Hänel will nun Revision gegen das Urteil beim Oberlandesgericht einlegen und zur Not bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen.