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Mindestlohn : Kein Schutz vor Armut

Die Linke kann sich mit ihrer Forderung nach zwölf Euro pro Stunde nicht durchsetzen

03.12.2018
2023-08-30T12:34:38.7200Z
3 Min

"Kein Lohn unter 7,50 Euro". So stand es auf Transparenten von Gewerkschaften als es noch keinen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland gab. Vor 2015 also schnitten Friseure für sechs Euro Stundenlohn oder noch weniger den Deutschen die Haare. Seit drei Jahren gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn, der zunächst mit 8,50 Euro startete, nun bei 8,84 Euro liegt und ab Januar bei 9,19 Euro. Allerdings wird deutlich, dass der Mindestlohn selbst bei einer Vollzeitstelle nicht vor Armut schützt. Erst recht nicht in Ballungsgebieten mit hohen Lebenshaltungskosten. Während diesen Befund niemand ernsthaft bestreitet, dreht sich die Diskussion, auch im Bundestag, vielmehr um die Frage, ob der Mindestlohn überhaupt ein Instrument zur Armutsbekämpfung sein kann und sein sollte.

Ausnahmen beenden Die Linke bejaht dies, und wer 2015 gedacht hat, deren Anträge zum Mindestlohn würden sich nun reduzieren, der irrte gewaltig. Am vergangenen Freitag nun waren alle gute Dinge gleich drei, doch aus Sicht der Linken nützte das dennoch nichts: Sie konnte sich mit ihren drei Anträgen (19/96; 19/1828; 19/1829) zum Mindestlohn nicht durchsetzen. Der Bundestag lehnte nach einer Beschlussvorlage (19/5639) des Ausschusses für Arbeit und Soziales diese Vorlagen ebenso ab wie einen Antrag (19/975) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Die Linke forderte zum einen, den Mindestlohn auf zwölf Euro pro Stunde anzuheben. Außerdem müsse der Mindestlohn wirksamer kontrolliert werden und die aktuell geltenden Ausnahmen zum Beispiel für Azubis, aufgehoben werden.

Die Grünen forderten in ihrem Antrag, der Mindestlohn müsse "deutlich" erhöht werden, ohne jedoch eine konkrete Zahl zu nennen. Die Abgeordneten betonten vielmehr, dass eine Erhöhung nach wie vor in den Händen der Mindestlohnkommission liegen solle, deren Entscheidungsspielraum jedoch gestärkt werden müsse. So sollte die Kommission die Möglichkeit erhalten, den Mindestlohn nicht nur alle zwei Jahre, sondern jährlich anzupassen.

In der Debatte betonte Bernd Rützel (SPD): "Ja, der Mindestlohn ist kein guter Lohn, er ist eine Untergrenze gegen Lohndumping." Deswegen könne auch niemand etwas gegen einen höheren Mindestlohn haben. Aber ihn per Gesetz zu erhöhen, greife zu sehr in die Tarifautonomie ein. "Dafür gibt es die Mindestlohnkommission", über deren Handlungsspielräume man aber in Zukunft noch einmal reden müsse, so Rützel.

Jürgen Pohl (AfD) kritisierte: "Die Mindestlohn-Debatte ist die falsche Debatte. Wir müssen über die Agenda 2010 reden." Denn dadurch sei die Verhandlungsposition der abhängig Beschäftigten massiv geschwächt und der Druck auf die unteren Lohngruppen massiv erhöht worden mit der Folge eines starken Anstiegs von Minijobs, Leiharbeit, Teilzeit und befristeter Beschäftigung.

Matthias Zimmer (CDU) bezeichnete es als falsch, den Mindestlohn per Gesetz auf zwölf Euro anzuheben. "Der Mindestlohn ist eine ordnungspolitische Maßnahme zur Regulierung des Wettbewerbs und keine sozialpolitische Maßnahme."

Carl-Julius Cronenberg (FDP) warnte: "Wer die politische Axt an die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission legt, der gefährdet den Wettbewerb." Der Mindestlohn schaffe lediglich Mindeststandards und sei kein Mittel zur Armutsbekämpfung.

Susanne Ferschl (Die Linke) sagte, die zum Januar geplante Erhöhung um 35 Cent sei nicht mehr als ein schlechter Witz. Sie betonte, auch Die Linke wolle grundsätzlich an der Arbeit der Mindestlohnkommission nicht rütteln, sondern lediglich in einem einmaligen Schritt den Mindestlohn anheben, um den Geburtsfehler eines viel zu niedrig angesetzten Lohns zu beheben. Danach machten auch die Empfehlungen der Kommission wieder Sinn, sagte Ferschl.

Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, der Mindestlohn müsse deutlich erhöht werden, aber nicht durch den Bundestag sondern durch die Mindestlohnkommission. Dafür müsste diese allerdings mehr Flexibilität an die Hand bekommen. Die Anbindung der Lohnerhöhung an die Tarifentwicklung sei "fatal", denn so bleibe der Mindestlohn immer zu niedrig, sagte die Grüne.