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JUGEND : »Konglomerat fremdenfeindlicher Prosa«

Antrag der AfD nach obligatorischer Altersfeststellung mit medizinischen Untersuchungen stößt auf viel Kritik

22.01.2018
2023-08-30T12:33:48.7200Z
3 Min

Das Echo im Plenarsaal auf die Forderung der AfD nach einer obligatorischen Altersfeststellung bei jugendlichen Flüchtlingen und Asylbewerbern war von einhelliger Ablehnung geprägt - von der Unions- bis zur Linksfraktion. Der Antrag sei nur ein Aufhänger, um "pauschal" über Flüchtlinge "zu hetzen", befand die CDU-Abgeordnete Nadine Schön. Er sei ein "Konglomerat fremdenfeindlicher Prosa". Diesem Urteil schlossen sich die Redner von SPD, FDP, Linken und Bündnis 90/Die Grünen geschlossen an.

Der Bundestag debattierte am vergangenen Freitag den entsprechenden Antrag der AfD-Fraktion (19/461), in dem sie die Bundesregierung auffordert, einen Gesetzesentwurf zur obligatorischen Altersfeststellung vorzulegen. Ursprünglich hatte die AfD zwar selbst einen entsprechenden Gesetzesentwurf (19/471) vorgelegt, dabei allerdings nicht die Frist von drei Tagen vor Beratung gemäß der Geschäftsordnung des Bundestages eingehalten. Also schob die Fraktion den Antrag nach, um über das Thema debattieren zu können.

Roman Reusch (AfD) begründete die Forderung nach der Altersfeststellung auch mit verpflichtenden medizinischen Untersuchungen mit der hohen Zahl von vermeintlich minderjährigen und unbegleiteten Flüchtlingen in der Obhut der Jugendämter, die in Wirklichkeit volljährig seien. In der Rechtsmedizin seien solche medizinischen Untersuchungen üblich und erfolgreich. Jugendliche Flüchtlinge, die bei der Einreise nach Deutschland falsche Angaben zu ihrem Alter machten, würden den Staat monatlich 3.000 bis 10.000 Euro kosten, argumentierte Reusch. Die Gesamtkosten beliefen sich in Deutschland auf rund 3,5 Milliarden Euro. Zudem seien diese Jugendlichen auffällig oft kriminell, aufgrund ihres Schutzstatus als Minderjährige jedoch weitgehend vor strafrechtlicher Verfolgung und Abschiebung geschützt. Reusch forderte, Falschangaben von Jugendlichen zu ihrem Alter zukünftig mit Strafen von bis zu sechs Monaten Haft zu ahnden.

Schön hielt der AfD entgegen, dass auch heute schon durch die Jugendämter durch Begutachtung geprüft werde, ob die Jugendlichen volljährig seien oder nicht. Dabei könnten auch medizinische Untersuchungen durchgeführt werden, wenn die Begutachtung der Jugendlichen Zweifel an deren Angaben ergebe. Schön verwies darauf, dass sich Union und SPD in ihren Sondierungsgesprächen auf die Einrichtung zentraler Clearingsstellen geeinigt hätten, um die Jugendämter zu entlasten. Auch die SPD-Abgeordnete Gülistan Yüksel sprach sich gegen verpflichtende medizinische Untersuchungen aus. Die SPD sei aber verhandlungsbereit, wenn es Mängel am derzeitigen System gebe. Die Forderung der AfD aber sei ausschließlich von "Hetze" und "Stimmungsmache" geprägt.

Der FDP-Parlamentarier Matthias Seestern-Pauly bemängelte, dass die Praxis der Altersfeststellung in den Bundesländern sehr unterschiedlich ausfalle. Er rege deshalb die Einsetzung einer Expertenkommission an, um zu bundeseinheitlichen Verfahrensweise zu kommen. Prinzipiell gelte aber, dass Minderjährige Anrecht auf einen besonderen Schutz hätten - "und zwar unabhängig von ihrer Herkunft", sagte Seestern-Pauly mit Blick in die Reihen der AfD-Fraktion.

Prinzipiell gegen medizinische Untersuchungen sprachen sich die Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen aus. Diese Tests seien viel zu ungenau, argumentierte Norbert Müller (Linke). Bei einem 17-jährigen betrage die Fehlerbreite bis zu fünf Jahren. Zudem sehe die UN-Kinderrechtskonvention, die Deutschland unterschrieben und ratifiziert habe, vor, dass im Zweifelsfall davon auszugehen sei, dass ein Jugendlicher minderjährig ist und besonderen Schutz genießt. Aber die Kinder- und Menschenrechte seien der AfD "egal", sagte Müller.

Katja Dörner (Grüne) verwies darauf, dass verpflichtende medizinische Untersuchungen auch von der Bundesärztekammer abgelehnt werden. Deren Präsident Frank Ulrich Montgomery habe zurecht darauf hingewiesen, dass etwa Röntgenaufnahmen ohne medizinische Indikation ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellten und nur im Rahmen eines Strafprozesses angeordnet werden dürften.