Piwik Webtracking Image

Nicola Beer »Europa muss schneller handeln«

29.04.2019
2023-08-30T12:36:21.7200Z
2 Min

Frau Beer, was würden Sie als Erstes anpacken, wenn Sie Kommissionspräsidentin wären?

Danke für die Blumen, auch wenn das nicht sehr wahrscheinlich ist. Wenn es denn so wäre, würde ich eine umfassende Reformagenda anstoßen. Die Kommission verkleinern, auf maximal 18 Kommissare. Auf die großen Herausforderungen konzentrieren: Nationale Alleingänge beenden, stattdessen eine gemeinsame Migrationspolitik schaffen, die steuert und ordnet, eine europäische Klima- und Energiepolitik entwickeln. Mehr Investitionen in Bildung und Innovation. Digitalisierung vorantreiben. Allen jungen Menschen ein halbes Jahr im Ausland ermöglichen, damit sie erfahren, welch unglaublichen Wert Europa hat.

Was antworten Sie jungen Wählern auf die Frage, welche Vorteile die EU ihnen bringen kann?

Wir Europäer leben auf einem Kontinent des Friedens, der Freiheit, der Demokratie, des Rechtsstaats, der uns über den Binnenmarkt Wohlstand, Selbstbestimmung und auch soziale Sicherheit bringt. Es wird gelebt und geliebt. Frei gereist, geforscht, gegründet, gearbeitet. Der skandinavische Lebensstil ist ebenso möglich wie der italienische. Dafür müssen wir alle uns täglich einsetzen. Die Welt ist unübersichtlicher geworden. Wo steht da Europa? Wir alle sind einzeln zu schwach, nur zusammen können wir den europäischen Lebensstil erhalten. Keine Sorge: Es droht kein vereinheitlichtes Europa, doch die Einheit droht beschädigt zu werden. Und das darf nicht sein, um der Menschen willen.

Was sollte die EU unbedingt besser machen?

Europa muss schneller handeln. Wir müssen unsere Selbstzufriedenheit ablegen. Wir sollten Innovationskontinent werden, nicht als Museum erstarren. Wir brauchen Mut zum Mut, Mut zum Ungewöhnlichen, Mut zum Disruptiven. Wir brauchen Mut zur Garage, wo vielleicht der nächste "Apfel" entsteht. Vertrauen in die Menschen, ihre Potentiale. Der Staat, das gilt auch für die EU, schafft Rahmenbedingungen. Aber nicht mehr.

Wie können die Staaten der Eurozone mit ihren großen wirtschaftlichen Unterschieden einander angeglichen werden?

Der Binnenmarkt ist eine Wohlstandslokomotive. Und das Eintreten der EU für Freihandel weltweit ein Versprechen, dass es so bleibt. Wir müssen durch Investitionen unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken und den Strukturwandel in den Regionen durch einen effizienteren Einsatz der Kohäsionsmittel begleiten, neue Chancen schaffen. Gute Rahmenbedingungen setzen, offene Märkte und fairen Wettbewerb garantieren. Mit einem soliden Euro und Haushaltsdisziplin in den Mitgliedstaaten. Solidarität in Notlagen ja, aber die Währungsunion darf keine Schuldenunion sein.

Ist der Brexit ein Super-Gau oder eine Chance für Europa?

Der Brexit ist ein politischer Alptraum. Der Verlust Großbritanniens schmerzt sehr. Gleichzeitig muss er Auftrag sein, die EU grundlegend zu reformieren. So gut zu machen, dass keiner gehen will. Das ist auch eine Chance. Bis dahin gilt für uns: Großbritannien mag die EU verlassen. Aber es bleibt ein Teil Europas.