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USA : Säbelrasseln am Golf

In Washington wachsen die Zweifel an der Bedrohung durch den Iran. Präsident Donald Trump drängt weiter auf ein neues Abkommen mit Teheran

20.05.2019
2023-08-30T12:36:22.7200Z
4 Min

Wenn sich Lindsey Graham öffentlich darüber beschwert, in Angelegenheiten von nationaler Bedeutung nicht vom Weißen Haus gebrieft zu sein, merkt das politische Washington auf. Der republikanische Senator aus South Carolina ist ob seines manchmal penetranten Lobs für Donald Trump der Parlamentarier mit den mutmaßlich meisten privaten Golf-Einladungen des Präsidenten. Graham weiß auch darum oft mehr als andere. Im Konflikt mit dem Iran, in dem medial seit Tagen fast nur Säbelrasseln abgebildet wird, ist davon nichts zu spüren. Lindsey Graham wusste in der vergangenen Woche (bis 18. Mai) nicht, wie belastbar die Erkenntnisse von US- Geheimdiensten sind, die dem Iran im Mittleren Osten akut klandestine Pläne gegen US-Interessen nachsagen. Und die mit dafür gesorgt haben, dass präventiv militärische Feuerkraft zu Wasser und aus der Luft in die Region gelenkt wurden und US-Botschaftsangehörige aus ihr heraus. Graham fühlte sich als Vertreter des Kongresses, der in Fragen von Krieg und Frieden verbriefte Rechte hat, nach eigenen Worten "im Dunkeln gelassen". Spätestens am Dienstag dieser Woche soll sich das ändern. Dann wird der komplette Kongress ins Bild gesetzt über das, was nicht zuletzt durch Aktionen von Trumps Sicherheitsberater John Bolton die Angst vor einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Washington und Teheran in neue Dimensionen gelenkt hat. Graham und seine Kollegen erwarten dem Vernehmen nach Nachrichten mit Entspannungscharakter: Präsident Trump will keinen Krieg mit dem Iran. So kolportieren es führende US-Zeitungen unter Berufung auf enge Mitarbeiter im Weißen Haus. Alles falscher Alarm also?

Ungereimtheiten Der volatile Status quo in der jüngsten USA/Iran-Kontroverse steht stellvertretend für die Ungereimtheiten, die Donald Trump hinterlassen hat, als er im Mai 2018 gegen den Rat von China, Russland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland das Atom-Abkommen aufkündigte, an das sich der Iran nach Angaben der zuständigen Aufsichtsbehörde in Wien bisher anstandslos gehalten hat. Trumps Überzeugung damals wie heute: Dass Teheran seine atomaren Ambitionen einfriert, ändere nichts daran, dass die Mullahs weiter Terror-Gruppen wie Hisbollah im Libanon oder Hamas in den Palästinensergebieten alimentieren, an Raketen basteln, Israels Existenz in Abrede stellen und allgemein Unfrieden stiften. Darum muss ein neues, ein strengeres Abkommen her, sagt Trump, in dem Teheran seinem destabilisierenden Regionalmachtstreben abschwört. Mit harten Wirtschafts-Sanktionen, die seit 1. Mai Teherans wichtigsten Geldhahn - Öl - schrittweise zudrehen, glaubt Trump die Gegenseite an den Verhandlungstisch zwingen zu können. Was der Iran mit Verweis auf Begriffe wie "Gesichtsverlust" und "Vertragsbrüchigkeit" schroff zurückweist. Nicht nur das. In sechs Wochen will Teheran wieder Uran anreichern und seinen Plutoniumreaktor aktivieren, was als Wiederaufnahme von Vorarbeiten zum Bau einer Atom-Bombe interpretiert werden könnte. Es sei denn, die anderen Unterzeichner des Abkommens schaffen es bis dahin, dass Teheran trotz massiver US-Sanktionen zu Handel kommt. Und damit zu Geld. Doch danach sieht es im Augenblick nicht aus.

In dieser Gemengelage haben die von Trump eingestellten Ober-Falken, Außenminister Mike Pompeo und noch mehr Sicherheitsberater John Bolton, Teheran als Bösewicht ausgemacht, der - ganz akut - finstere Dinge plane. Geheimdienst-Fotos von iranischen Raketen an Bord von hölzernen Segelschiffen im Golf galten laut New York Times als bisher härtestes Indiz für mögliche Anschläge. Teherans Konter: Man lasse sich von Washington nichts andichten - etwa die unterstellte Urheberschaft für noch unaufgeklärte Sabotage-Attacke auf saudische Öl-Tanker - und schon gar nicht in eine militärische Konfrontation treiben. Der britische Generalmajor Chris Ghika wurde dabei gewissermaßen zum Kronzeugen des Iran, als er die von den USA behauptete "gesteigerte Bedrohung" durch Teheran bestritt. Auf ihnen berufen sich einige US-Senatoren. Sie fürchten, dass Trumps Büchsenspanner Indizien aufbauschen, um Gründe für ein militärisches Vorgehen gegen Teheran zu konstruieren.

Gefahr der Eigendynamik Pompeo wie vor allem Bolton, der seinen Bellizismus kontra Iran seit Jahren wie ein Abzeichen am Revers trägt, ließen sich davon nicht beirren: Amerika wolle keinen Krieg, werde aber massiv zurückschlagen, wenn Teheran irgendwo zündeln sollte gegen Amerika oder Verbündete. In diesem Kontext löste eine in den Medien gespielte Zahl Ungemach aus. Danach könne der neue Verteidigungsminister Pat Shanahan, wenn erforderlich, 120.000 US-Soldaten in den Mittleren Osten verlegen. Trump zeigte sich sauer über die geleakten Interna, stritt alles ab, vor allem das geschilderte Chaos zwischen "Tauben" und "Falken" in seinem Beraterkreis, und verkündete, nur er allein werde die "maßgebenden Entscheidungen" treffen. Intern erging seine Devise: Weniger Säbelrasseln, mehr Diplomatie. Trump wisse, dass eine kriegerische Auseinandersetzung mit dem Iran eine unvorhersehbare Eigendynamik entwickeln könnte, sagen Leute aus seinem Umfeld. "Und er hat seinen Wählern fest versprochen, dass sich die USA nach Afghanistan und Irak nicht mehr in militärische Abenteuer stürzen werden." Entsprechend, fast diplomatisch, fiel der präsidiale Kontrapunkt zur Rhetorik von John Bolton aus: "Ich bin sicher, dass der Iran bald (über ein neues Abkommen) reden will", schrieb Trump auf seinem bevorzugten Kommunikationskanal Twitter. Lindsey Graham wird nicht der einzige Senator sein, der demnächst fragen wird: Und was ist, wenn nicht?

Der Autor ist USA-Korrespondent der Funke Mediengruppe.