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TERRORISMUS : Höchstes Recht

Wer für Milizen wie dem »Islamischen Staat« kämpft, soll künftig die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren

20.05.2019
2023-08-30T12:36:22.7200Z
4 Min

Für Günter Krings (CDU) ist die Staatsbürgerschaft "das höchste und bedeutendste Recht, das der deutsche Staat verleihen kann"; Filiz Polat (Grüne) sieht in der Staatsangehörigkeit "das Recht, dazuzugehören". Beide Definitionen fielen in vergangenen Woche im Bundestag bei der ersten Lesung eines Gesetzentwurfes der Bundesregierung (19/9736), mit dem die deutsche Staatsbürgerschaft künftig Mitgliedern von Terrormilizen wie dem "Islamischen Staat" (IS) aberkannt werden soll, sofern sie noch eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen.

Die Vorlage zielt auf volljährige deutsche Mehrstaatler, "die sich ins Ausland begeben und dort an Kampfhandlungen für eine Terrormiliz konkret beteiligt haben". Als Terrormiliz wird in dem Entwurf ein "paramilitärisch organisierter bewaffneter Verband" definiert, "der das Ziel verfolgt, in völkerrechtswidriger Weise die Strukturen eines ausländischen Staates gewaltsam zu beseitigen und an Stelle dieser Strukturen neue staatliche oder staatsähnliche Strukturen zu errichten".

Krings, Parlamentarischer Innen-Staatssekretär, verwies in der Debatte darauf, dass nach geltendem Recht ein Mehrstaatler die deutsche Staatsangehörigkeit verliere, wenn er ohne Zustimmung Deutschlands in bewaffnete Verbände eines anderen Staats eintritt. Unter diese Regelung falle aber nicht eine Terrormiliz wie der IS, "der für Mord, Folter, Vergewaltigungen, sexuelle Versklavungen, erzwungene religiöse Konvertierung, Vernichtung von Kulturgütern und vieles mehr verantwortlich ist". Wer sich aber bewusst im Ausland in den Dienst einer Terrormiliz stelle, zeige unmissverständlich, "dass er sich von Deutschland und seiner freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgewandt hat". Das müsse Konsequenzen haben.

Allerdings, machte Krings zugleich deutlich, könnten dabei "in der Vergangenheit liegende Handlungen" nicht einbezogen werden, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssten "die Betroffenen im Zeitpunkt ihres Handelns wissen können, dass sie mit ihrem missbilligten Verhalten die Voraussetzung für den Verlust ihrer Staatsangehörigkeit schaffen". Soweit sich aber, schreibt die Bundesregierung dazu in der Begründung des Gesetzentwurfes "IS-Kämpfer noch in verbliebenen Bastionen oder Rückzugsgebieten des IS aufhalten, kommt im Fall der konkreten Beteiligung an wieder aufflammenden oder erneuten Kampfhandlungen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ein Verlusteintritt grundsätzlich in Betracht".

Christian Wirth (AfD) nannte den Gesetzentwurf einen "kleinen Schritt in die richtige Richtung", der aber Jahre zu spät komme und handwerklich schlecht gemacht sei. Wirth plädierte zugleich für einen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit auch bei Terrorakten in Deutschland. Es sei "schwer vermittelbar, dass bei Terrorakten im Ausland die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen wird, bei Terrorakten in Deutschland jedoch nicht", sagte er.

Linda Teuteberg (FDP) fand das Ziel des Gesetzentwurfes "nachvollziehbar". Kritisch sei dabei vor allem der Eindruck, "als würde mit diesem Gesetz das Problem der IS-Heimkehrer mit deutscher Staatsbürgerschaft auch nur irgendwie gelöst". Ein Drittel der rund 1.000 IS-Kämpfer mit deutscher Staatsbürgerschaft halte sich wieder in der Bundesrepublik auf; von den Verbleibenden seien nur etwa 90 in Kriegsgefangenschaft. Die übrigen seien auf freiem Fuß "und können als Staatsbürger jederzeit zurückkehren". Deutschland, mahnte Teuteberg, müsse seine Staatsbürger zurücknehmen, "so wie wir vom Irak, von Tunesien oder Russland erwarten, dass sie Extremisten zurücknehmen, die wir aus Deutschland abschieben." Zugleich müsse man sich ernsthaft damit beschäftigen, "wie wir Gefährder mit deutscher Staatsbürgerschaft hier in Deutschland in den Griff bekommen".

Für Die Linke äußerte Gökay Akbulut grundsätzliche Kritik an dem Gesetzentwurf. Bei der Behandlung von IS-Kämpfern dürfe es keine Unterscheidung zwischen Personen mit einfacher deutscher Staatsangehörigkeit oder doppelter Staatsangehörigkeit geben, sagte sie: "Sie alle sollten ein Strafverfahren bekommen und für ihre Gräueltaten bestraft werden". Ausbürgerungen halte ihre Fraktion jedoch für "geschichtsvergessen, migrationspolitisch katastrophal und verfassungswidrig".

Grünen-Frau Polat warnte, der Gesetzentwurf berge mehr Gefahren, als dass er Lösungen aufzeige, denn eine "ungeordnete Rückkehr" der IS--Kämpfer sei "gefährlicher als die geordnete Rückholung". Auch nehme die Bundesregierung "mutwillig Staatenlosigkeit in Kauf". Schließlich könne nicht garantiert werden, "dass andere Staaten nicht gleichzeitig genau denselben Vorgang vorantreiben, der zum Verlust der Staatsangehörigkeit führt".

»Zu spät« Helge Lindh (SPD) betonte, der Entzug der Staatsangehörigkeit allein sei "mitnichten die künftige Generalprävention von jeglicher Form von islamistischem Terrorismus". Würde aber "schon eine oder einer dadurch abgehalten", sei es das wert. Notwendig seien aber auch eine "umfassende Prävention" sowie "Repression und Konsequenz, und zwar mit aller Härte, und dazu gehört die vorliegende Novellierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes".

Christoph de Vries (CDU) beklagte, dass der Gesetzgeber mit Blick auf die IS-Kämpfer aus Syrien und Irak "zu spät" handele: Durch das Rückwirkungsverbot finde das Gesetz "leider keine Anwendung auf diejenigen Terroristen, die sich in der Vergangenheit an den barbarischen Kampfhandlungen des IS in Syrien und Irak beteiligt haben". Wer aber Deutschland "als freies und friedliches Land bewusst verlässt, um in den Heiligen Krieg zu ziehen und die Strukturen eines ausländischen Staates gewaltsam zu beseitigen, hat die deutsche Staatsbürgerschaft nicht verdient und muss sie auch verlieren".