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Umwelt : Das gefährdete Gut

Hitzige Debatte zum Wasserschutz. FDP wirft Grünen »blanken Populismus« vor

20.05.2019
2023-08-30T12:36:23.7200Z
4 Min

Die Grünen fordern mehr Einsatz beim Schutz von Gewässern und Grundwasser. Die Fraktion verlangt beispielsweise eine Flächenbindung der Tierhaltung und eine Verschärfung der Düngeverordnung. In der Debatte am vergangenen Freitag zu zwei Anträgen, die im Anschluss an die Ausschüsse überwiesen wurden, kritisierte Grünen-Fraktionsvorsitzender Anton Hofreiter, dass die Versorgung mit sauberem Trinkwasser in Deutschland gefährdet sei. Die Bundesregierung "handelt nicht und schweigt", das sei "mehr als skandalös". Die industrielle Agrarwirtschaft sei der Hauptverursacher: Die große Zahl von Tieren und große Mengen an auf die Böden aufgebrachter Gülle belasteten die Grundwasser, sagte Hofreiter. Auf Deutschland kämen Hundertausende Euro an Strafzahlungen zu, weil man sich weigere, die europäischen Vorgaben einzuhalten.

Hofreiter verwies dabei unter anderem auf Zahlen des Umweltbundesamtes, nach denen der Grenzwert für Nitrat von 50 Milligramm pro Liter seit 2008 an mindestens 16,9 Prozent der Messstellen übertreten wird. Zwischen 36 und 38 Prozent der Messstellen weisen den UBA-Angaben zufolge einen erhöhten Nitratwert von über 25 mg/l auf. Damit verletzt Deutschland die Vorgaben der EU-Nitratrichtlinie (9 1/676/EWG), wie der Europäische Gerichtshof im Juni 2018 urteilte (C-543/16). Auch aus Perspektive der EU-Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG) ist es nicht gut um die Grundwasserkörper (GWK) in Deutschland bestellt: Nach UBA-Angaben befinden sich 34,8 Prozent der GWK in einem schlechten chemischen Zustand. "Hauptursache sind diffuse Belastungen durch Nitrat und Pflanzenschutzmittel aus der Landwirtschaft", schreibt das UBA. Aktuell verhandeln EU-Kommission und Bundesregierung zudem, wie mit der novellierten Düngeverordnung verfahren werden soll. Der Kommission reichen die deutschen Regelungen nicht aus.

»Panikmache« Für die CDU/CSU-Fraktion wies Astrid Damerow Hofreiters Vorwürfe entschieden zurück - und warf den Grünen "Skandalisierung" und "Panikmache" vor. Man dürfe nicht übersehen, "dass wir in Deutschland das große Privileg haben, dass wir Wasser aus unseren Leitungen in jedem Haushalt bedenkenlos trinken können. Das ist auch nicht in Gefahr", sagte die Christdemokratin. Die Bundesregierung und die Koalition hätten sich klar zum Schutz des Wassers positioniert. Auf nationaler Ebene sei beispielsweise der Spurenstoffdialog und der nationale Wasserdialog angestoßen worden. Auch wenn schon viel erreicht worden sei beim Schutz des Wassers, gebe es noch große Herausforderungen. Dazu müsse aber auf Dialog etwa mit der Landwirtschaft und nicht auf "Verbote und Repressalien" gesetzt werden.

Florian Pronold (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium, sagte, dass Deutschland die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie wesentlich ernsthafter als andere Länder begonnen habe. Es seien massive Verbesserungen erreicht worden. Allerdings ließen sich diese Fortschritte im Sinne der Betrachtungsweise der Richtlinie, die nur einen "guten" oder einen "schlechten" Zustand kenne, nicht darstellen. "Unsere Politik muss Erfolge auch sichtbar machen", forderte Pronold.

Während Damerow ihr Bedauern darüber ausdrückte, dass die EU-Kommission die novellierte Düngeverordnung als unzureichend befunden hatte, zeigte sich der Staatssekretär nicht überrascht. "Das wussten auch alle", sagte Pronold zur Kritik, dass die Verordnung nicht ausreiche. Er freue sich, dass Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sich nun in Gesprächen mit der Kommission befänden, um die Defizite abzustellen, um zu einer "besseren Düngepraxis zu kommen".

Michael Thews betonte für die SPD-Fraktion die Rolle der Wasserversorgungsunternehmen, die dafür sorgten, "dass auch künftig einwandfreies Wasser aus dem Hahn kommt". Thews stellte sich gegen generelle Forderungen nach einer sogenannten vierten Reinigungsstufe in Kläranlagen. Es handle sich dabei ohnehin nicht um eine einzelne Technik, sondern um unterschiedliche Verfahren und Techniken, um jeweils bestimmte Stoffe in den Blick zu nehmen. Punktuell könne der Einsatz solcher Stufen das Mittel der Wahl sein, grundsätzlich müsse aber bei den Quellen der Verunreinigung angesetzt werden, sagte Thews.

Von Seiten der Oppositionsfraktionen kritisierten AfD und FDP die Anträge der Grünen massiv. "Zur Dramatisierung der Qualität unseres Grundwassers besteht kein Anlass. Sie schüren Ängste bei den Menschen", sagte Wilhelm von Gottberg (AfD). Von Gottberg kritisierte, dass die Düngeverordnung, die den Landwirten ohnehin viel abverlange, weiter verschärft werden solle. Es wäre vielmehr nötig, die Wirkung der jüngsten Novelle abzuwarten. Die Grünen-Anträge seien "wilder Aktionismus" und gingen mit einer "Stigmatisierung von Landwirten" einher. Die AfD-Fraktion stelle sich gegen eine "Sündenbockrolle für unsere Landwirte", sagte von Gottberg,

Gero Clemens Hocker (FDP) warf den Grünen "blanken Populismus" vor. Bei Themen wie der Belastung der Gewässer mit multiresistenten Keimen, dem Klimawandel oder dem Nitrateintrag blendeten die Grünen Fakten aus und stellten die Landwirtschaft an den Pranger, sagte Hocker. Bar jeder Vernunft würden die Grünen auch eine weitere Verschärfung der Düngeverordnung fordern, obwohl die "Daumenschrauben für Landwirte" bereits angezogen worden seien und es ohnehin Jahre dauern würde, bis sich Ergebnisse zeigten, kritisierte der Liberale.

Unterstützung für die Grünen kam hingegen von der Linksfraktion. Ralph Lenkert sagte, es sei bekannt, dass das Wasser durch die Belastung mit unter anderem Pestiziden, Kunststoffen, Nitrat, Schwermetallen und Medikamentenresten aus Human- und Tiermedizin gefährdet sei. "Wir müssen Risiken ausschließen. Unser Trinkwasser ist Lebenselixier", sagte Lenkert. Dafür seien vorausschauendes Handeln und Risikominimierung unerlässlich. Das Verursacherprinzip müsse beachtet werden. Der Linken-Abgeordnete sprach sich zudem gegen jede Privatisierung der Wasserversorgung aus. Sören Christian Reimer