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ASYL : Druck zur Ausreise

Nach scharfer Kontroverse setzt die Koalition im Bundestag das umstrittene »Geordnete-Rückkehr-Gesetz« durch

11.06.2019
2023-08-30T12:36:23.7200Z
3 Min

Für Die Linke ist es ein "beispielloser Angriff auf die Schutzrechte der betroffenen Flüchtlinge", für die AfD-Fraktion dagegen ein "Katalog hohler Ankündigungen". Gemeint ist das von der Regierungskoalition vorgelegte "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" zur "besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" (19/10047, 19/10706), das der Bundestag am Freitag mit 371 Ja-Stimmen bei 159 Nein-Stimmen und 111 Enthaltungen beschloss.

Danach werden unter anderem die Voraussetzungen der Abschiebungshaft geändert. So sollen die Voraussetzungen für Sicherungshaft abgesenkt werden, um ein Untertauchen zu verhindern. Neu eingeführt wird zudem eine "Mitwirkungshaft". Sie soll eine Vorführung aus der Haft ermöglichen, wenn der Ausländer bestimmten Anordnungen zur Mitwirkung bei der Identitätsklärung keine Folge leistet. Darüber hinaus enthält das Gesetz eine Klarstellung im Rahmen des Ausreisegewahrsams, dass das Kriterium Fluchtgefahr nicht vorliegen muss.

Zusätzlich zu den bisherigen knapp 500 Abschiebungshaftplätzen sollen zudem durch ein vorübergehendes Aussetzen des Trennungsgebots von Abschiebungs- und Strafgefangenen bis zu 500 weitere Plätze in Justizvollzugsanstalten für den Vollzug der Abschiebungshaft genutzt werden können. Des Weiteren darf künftig einem Ausländer nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise der Termin einer geplanten Abschiebung nicht angekündigt werden, um ein Untertauchen des Betreffenden zu verhindern. Eingeführt wird auch eine neue Duldungskategorie "für Personen mit ungeklärter Identität". Sie soll Ausreisepflichtigen erteilt werden, deren Abschiebung aus von ihnen zu verantwortenden Gründen nicht vollzogen werden kann, etwa weil sie über ihre Identität täuschen. Die Betreffenden dürfen keine Erwerbstätigkeit aufnehmen und müssen mit einer Wohnsitzauflage rechnen.

Außerdem kann künftig die Verletzung von Mitwirkungspflichten während des Asylverfahrens in größerem Umfang als bisher zu Leistungseinschränkungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz führen. Asylbewerber, bei denen feststeht, dass Deutschland nicht für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, und deren Überstellung durchgeführt werden kann, sollen nur noch Anspruch auf eingeschränkte Leistungen haben. "Vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, denen bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat internationaler Schutz zuerkannt wurde, der fortbesteht, haben nur noch Anspruch auf Überbrückungsleistungen", heißt es in der Vorlage weiter.

Zu den von der Koalition in den parlamentarischen Beratungen hinzugefügten Ergänzungen zählt unter anderem, dass zur Ergreifung eines abzuschiebenden Ausländers dessen Wohnung von der zuständigen Behörde betreten werden kann. Auch soll in Ausreisegewahrsam genommen werden können, wer die Frist zur Ausreise um mehr als 30 Tage überschritten hat. Ferner sollen erwachsene Asylbewerber ohne Kinder bis zu eineinhalb Jahren statt wie bisher bis zu sechs Monaten in Erstaufnahmeeinrichtungen wohnen.

In der Debatte sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), entscheidend für die Akzeptanz des Asylrechts sei es, konsequent gegenüber jenen vorzugehen, die keinen Schutzbedarf haben, aber nicht in ihre Heimat zurückkehren wollen. "Einer Pflicht zur Ausreise muss auch eine tatsächliche Ausreise folgen", betonte er.

Bernd Baumann (AfD) kritisierte, das Gesetz verspreche Wiedereinreisesperren für Intensivtäter, doch werde an den Grenzen nicht kontrolliert. Das Gesetz schaffe "weder Ordnung noch Rückkehr".

Linda Teuteberg (FDP) bemängelte, die Regierung gehe mit dem Gesetz nicht die grundlegenden Probleme an. Dies gelte vor allem für das "ungelöste Kompetenzchaos zwischen Bund und Ländern".

Ulla Jelpke (Die Linke) sprach von einem "Hau-ab-Gesetz". Dieses sei ein "Katalog der Grausamkeiten, der nur so strotzt vor Menschenverachtung".

Konstantin von Notz (Grüne) monierte,, mit dem Gesetz werde ein Angriff auf Prinzipien des Grundgesetzes "verbunden mit einem Angriff auf die Zivilgesellschaft". So sollten "Menschen kriminalisiert werden, die Abschiebetermine weitersagen".

Eva Högl (SPD) betonte dagegen, wer unter keinen Umständen im Land bleiben dürfe, müsse es auch wieder verlassen. Dabei sei für die SPD die Abschiebung und gegebenenfalls Abschiebehaft immer nur das "allerletzte Mittel". Thorsten Frei (CDU) warb für "mehr Härte" in Bezug auf Menschen, die nicht schutzbedürftig und nicht bleibeberechtigt sind, sondern außer Landes müssen.

Weitere Beschlüsse Zugleich verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD sowie der AfD ein "Zweites Datenaustauschverbesserungsgesetz" der Regierungskoalition (19/8752, 19/10705). Damit wird unter anderem das Mindestalter für die Abnahme von Fingerabdrücken, die derzeit erst ab Vollendung des 14. Lebensjahres zulässig ist, auf den Zeitpunkt der Vollendung des sechsten Lebensjahres herabgesetzt. Ebenfalls mit den Stimmen der Koalition und der AfD verabschiedete das Parlament einen weiteren Regierungsentwurf (19/8692), mit dem die Befristung der 2016 eingeführten Wohnsitzregelung für international Schutzberechtigte aufgehoben wird.