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bERATERAFFÄRE : »Von Besonderheiten und Merkwürdigkeiten geprägt«

Früherer Vergabe-Jurist der HIL GmbH berichtet dem Untersuchungsausschuss von Ungereimtheiten bei Ausschreibungsverfahren

30.09.2019
2023-08-30T12:36:27.7200Z
3 Min

Kommt der Prokurist zum Geschäftsführer. Der Chef lotst seinen Besucher vor das Bürofenster mit der herrlichen Aussicht über das Bonner Rheintal. Viele Windmühlen hätten da einst gestanden, sagt er. Und fragt seinen Top-Mitarbeiter, ob er denn losreiten wolle wie Don Quichotte.

Wie ein Kämpfer gegen Windmühlenflügel wirkt Norbert Dippel freilich keineswegs, wie er als Zeuge im Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses beredt von seinen letzten Monaten als ausgefuchster Vergabe-Jurist der HIL GmbH berichtet, der bundeseigenen Gesellschaft für Heeres-Instandsetzungs-Logistik. 2.500 Beschäftigte bringen in den drei Werken in St. Velten, Darmstadt und Doberlug-Kirchhain Panzer und anderes Gerät wieder auf Vordermann. Zwölf Jahre lang hat Dippel die Vergabe größerer Aufträge mit Volumina von mehr als 400.000 Euro erfolgreich gemanagt. Dann wurde er nach eigenem Bekunden gehörig gemobbt. Jetzt arbeitet er als freiberuflicher Rechtsanwalt.

Nicht wie Don Quichotte, aber unbeugsam in seinem Kampf für Recht und Regeln bei der Auftragsvergabe - ob es dem Verteidigungsministerium passt oder nicht: Dieses Bild vermittelte er vergangene Woche als Zeuge in der Ausschusssitzung.

Die Abgeordneten beschäftigten sich mit einem Verfahren, das nach Dippels Darstellung "von Anfang an von Besonderheiten und Merkwürdigkeiten geprägt" gewesen ist. Die HIL habe im Februar 2016 vom Ministerium den Auftrag bekommen, eine Ausschreibung einzuleiten für externe Beratung zur Zukunft der Werke - mit der Bandbreite vom Weiterbetrieb durch die Gesellschaft bis hin zum Verkauf. Vier Bieter hätten sich gemeldet. Dann habe das Ministerium darauf gedrängt, zusätzlich noch eine bestimmte Anwaltskanzlei zu berücksichtigen.

Wie sich später herausgestellt habe, sollte sie nach seiner Einschätzung den schon von vornherein angepeilten Verkauf der Werke abwickeln. Mit einer "getürkten Vergabe im Millionenwert" hätten leitende Beamte im Verteidigungsministerium die Transaktion durchdrücken wollen. Nach seinem Eindruck war die Privatisierung ein Anliegen der früheren Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder.

Schließlich habe sich die Lage zugespitzt. Mehrfach habe er von leitenden Beamten aus dem Ministerium Anrufe bekommen, der zuständige Unterabteilungsleiter wünsche die Beauftragung der fraglichen Kanzlei. Er habe sich gesperrt und "die Faxen dicke gehabt", sagte der Zeuge. Schließlich fühle er sich "zu Recht und Gesetz verpflichtet". Er habe, berichtete Dippel, bei den Anrufern aus dem Ministerium nachgefragt, ob er denn die Vergabe so manipulieren solle, dass die Kanzlei den Zuschlag bekäme. Die Antwort nach seinen Worten: "Dem Wunsch des Unterabteilungsleiters ist im Rahmen des geltenden Rechts zu entsprechen."

Aber wie? Bei der Bewertung der Angebote habe sich gezeigt, dass die besagte Kanzlei der mit Abstand teuerste Bieter gewesen sei - und das Angebot "allenfalls schlechtes Mittelmaß". Doch da stoppte das Ministerium das gesamte Ausschreibungsverfahren, so Dippel. Anfang Mai habe dann die Kanzlei direkt vom Ministerium den Beraterauftrag bekommen.

Steigende Summen Anfänglich sei das Volumen der Transaktion so berechnet worden, dass für die Rechtsberatung der Kanzlei 5,05 Millionen Euro und für die Unternehmensberatung 3,05 Millionen Euro veranschlagt worden seien. Inzwischen seien die Summen auf 20,6 und 21,5 Millionen Euro gestiegen, zitierte der Zeuge Zahlen, die auf einer FDP-Anfrage basieren.

Dippel wand sich bei der Frage, ob die leitenden Beamten im Ministerium grob fahrlässig oder bewusst rechtsbrüchig gehandelt hätten. Auf "fahrlässig" mochte er sich schließlich nicht einlassen. Was er vor allem an zwei Punkten festmachte: Den versierten Spitzenleuten im Ministerium müsse klar gewesen sein, dass vor der Vergabe eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung hätte stattfinden müssen. Und immer wieder schilderte er, dass der komplizierte Verkauf keineswegs bis Ende 2016 hätte abgewickelt werden können. Jeder habe dies gewusst, doch sei an dem Datum festgehalten worden, "weil es angeblicher Leitungswille ist".