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organspende : Ein Hoffnungsschimmer

Eine Strukturreform soll die Abläufe in den Entnahmekliniken effizienter machen

21.01.2019
2023-08-30T12:36:14.7200Z
4 Min

Nach einigen Jahren mit stark rückläufigen Spenderzahlen sieht die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) nun wieder etwas optimistischer in die Zukunft. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Organspender in Deutschland erstmals seit 2010 wieder deutlich gestiegen. Wie die DSO unlängst mitteilte, haben 2018 bundesweit 955 Menschen nach ihrem Tod Organe gespendet. 2017 waren es 797 Spender, das entspricht einer Steigerung von rund 20 Prozent. Gut sind die Zahlen nicht, aber besser als befürchtet. Als 2012 bekannt wurde, dass an einigen Transplantationszentren gegen Richtlinien zur Organvergabe verstoßen worden war, ging die Spendenbereitschaft drastisch zurück. 2012 lag die Zahl der Organspender immerhin noch bei 1.046, ein Jahr später sackte sie auf 876 ab und erreichte 2017 dann ihren Tiefpunkt.

Volle Wartelisten Von den 955 Spendern konnte die internationale Organisation Eurotransplant 3.113 Organe erfolgreich an schwer kranke Patienten auf Wartelisten im In- und Ausland vermitteln, 519 Organe mehr als 2017. Darunter waren 1.607 Nieren, 295 Herzen, 779 Lebern, 338 Lungen und 91 Bauchspeicheldrüsen. Wie wertvoll die Spendenbereitschaft ist, zeigt sich auch daran, dass jeder Spender damit im Schnitt drei Patienten eine neue Lebensperspektive gegeben hat. Zugleich wurden in deutschen Kliniken im vergangenen Jahr 3.264 Organe transplantiert, 2017 waren es nur 2.765. Laut DSO stehen immer noch rund 9.400 Patienten auf den Wartelisten für ein Spenderorgan. Die jüngste Entwicklung sei "ein erster Hoffnungsschimmer", dies dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch viel zu tun sei, befand DSO-Vorstand Axel Rahmel.

Effektivere Abläufe Zumindest erfährt die Organspende vermehrt Aufmerksamkeit, was Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einerseits freut und andererseits darin bestärkt, das Thema öffentlich weiter zu forcieren. In der vergangenen Woche präsentierte er im Bundestag sein "Gesetz für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende" (GZSO). Mit dem Gesetzentwurf (19/6915) sollen die Abläufe und Vorschriften in Kliniken verbessert werden, um alle potenziellen Spender rechtzeitig zu identifizieren. Dazu wird vor allem die Rolle der Transplantationsbeauftragten in Kliniken gestärkt. Die Häuser bekommen zudem mehr Geld für die aufwendigen Prozeduren bei der Organspende. Ein neurochirurgischer und neurologischer konsiliarärztlicher Rufbereitschaftsdienst soll sicherstellen, dass jederzeit qualifizierte Ärzte zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls zur Verfügung stehen.

In der ersten Beratung ging Spahn auf die zuletzt besseren Spenderzahlen ein. Dies sei gut, aber angesichts der vielen Patienten auf den Wartelisten noch nicht gut genug. Allein die verstärkte Debatte über Organspenden in den vergangenen Monaten habe jedoch die Aufmerksamkeit für das Problem erhöht. So dürfe es für Krankenhäuser kein Nachteil sein, sich professionell um Organspenden zu kümmern. Viele Transplantationsbeauftragte hätten Mühe, sich im Klinikalltag die nötige Zeit zu nehmen. Auch müsse es möglich sein, in dieser sensiblen Situation in Ruhe mit den Angehörigen der Spender zu reden. Organempfänger wollten überdies ihren Dank an die anonymen Spender ausdrücken. Dafür werde nun eine Rechtsgrundlage geschaffen.

Lange Wartezeiten Auch Karl Lauterbach (SPD) erinnerte an das Schicksal der schwer kranken Patienten, die auf ein rettendes Spenderorgan warten, darunter junge Leute. Viele Patienten stürben an Organversagen, weil sie kein Spenderorgan bekämen. Im Schnitt dauere es in Deutschland zehn Jahre bis zur Transplantation. Im Ausland sei die Wartezeit zum Teil deutlich kürzer. Bislang könnten Krankenhäuser mit einer guten Organspendenpraxis nur Verluste machen. Künftig würden die Kosten dafür erstattet, ohne Anreize für eine Gewinnmaximierung zu setzen. Lauterbach räumte ein, dass die Zahl der Organspender viel zu niedrig sei. So zeigten Umfragen zwar, dass 85 Prozent der Bürger bereit seien, nach ihrem Tod Organe zu spenden, aber nur 35 Prozent hätten einen Organspendenausweis ausgefüllt.

Im Bundestag wird daher auch über eine Änderung der gesetzlichen Grundlage für Organspenden beraten. Eine fraktionsübergreifende Orientierungsdebatte dazu fand Ende November statt. Mit einer Entscheidung wird im Jahresverlauf gerechnet.

Die Opposition sieht das aktuelle Strukturvorhaben positiv, kann sich aber noch weitergehende Regelungen vorstellen. Vor allem die FDP will mehr Möglichkeiten für Organspenden eröffnen. Katrin Helling-Plahr (FDP) sagte, die Reform sollte mutiger angegangen werden. So wäre es sinnvoll, mehr Lebendspenden zu erlauben, nicht nur unter Verwandten und nahestehenden Personen. Wer etwa aus altruistischen Gründen ein Organ spenden wolle, sollte dies auch tun dürfen. Auch sogenannte Überkreuzspenden sollten erlaubt sein. Diese ermöglicht zwei Paaren wechselseitige Transplantationen, wenn aus medizinischen Gründen eine Spende an den eigenen Partner ausgeschlossen ist.

Harald Weinberg (Linke) sprach von einem schwierigen Thema. Gleichwohl hege er eine gewisse Sympathie für die Vorschläge der FDP. Weinberg begrüßte den Gesetzentwurf als Schritt in die richtige Richtung. Organentnahmen seien in vielen Häusern eher selten, die Stellung der Transplantationsbeauftragten entsprechend nicht sonderlich stark. Die ungünstigen Strukturen in der Organspende seien "der eigentliche Flaschenhals". Insofern setze die Reform an den richtigen Stellen an.

Vertrauen schaffen Nach Ansicht von Axel Gehrke (AfD) sollte die Begleitung der Angehörigen durch den Transplantationsbeauftragten konkreter gefasst werden. Es dürfe auf keinen Fall psychischer Druck auf die Angehörigen ausgeübt werden. Entscheidend sei das Vertrauen in den Ablauf der Organspende. Detlev Spangenberg (AfD) ergänzte, bei allem Respekt vor Organspendern dürften diejenigen Menschen, die nicht spenden wollten, auf keinen Fall herabgewürdigt werden. Er forderte zudem eine zentrale Datei, in der Organspender registriert werden, um im Ernstfall schnell mögliche Zweifel zu beseitigen. Ein Widerruf der Organspendenbereitschaft müsse natürlich auch jederzeit möglich sein.

Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) sagte, die Strukturen in den Kliniken seien "die entscheidenden Stellschrauben", um die Organspendenpraxis zu verbessern. Es sei tragisch, wenn sich jemand als Organspender zur Verfügung stelle und die Organe dann letztlich verloren gingen, weil der potenzielle Spender in der Klinik nicht als solcher identifiziert werde. Die Grünen-Abgeordnete fügte mit Blick auf Spahn hinzu: "Das ist wirklich ein gutes Gesetz, das Sie hier vorlegen."