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ASYL : Nächster Anlauf

Einstufung von vier Ländern als sichere Herkunftsstaaten beschlossen

21.01.2019
2023-08-30T12:36:14.7200Z
3 Min

Der 10. März 2017 liegt noch keine zwei Jahre zurück: An jenem Tag beriet der Bundesrat auf Antrag Bayerns über die im Vorjahr vom Bundestag beschlossene Einstufung Algeriens, Marokkos und Tunesiens als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten, verweigerte dem Gesetz jedoch die erforderliche Zustimmung. Der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ist mittlerweile Bundesinnenminister, und am vergangenen Freitag unternahm der Bundestag einen erneuten Anlauf: Gegen die Stimmen der Linken und Grünen sowie von elf SPD-Abgeordneten beschloss der Bundestag erneut die Einstufung der drei Maghreb-Staaten sowie diesmal auch Georgiens als sichere Herkunftsstaaten. 509 Parlamentarier votierten für den von Seehofer vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/5314) in der vom Innenausschuss modifizierten Fassung (19/6538); dagegen stimmten 138 Parlamentarier, vier Sozialdemokraten enthielten sich. Auch diesmal bedarf das Gesetz noch der Zustimmung des Bundesrates, wozu auch die Stimmen mehrerer Länder mit Regierungsbeteiligung der Grünen erforderlich wären.

In der Debatte verwies Seehofer darauf, dass die Anerkennungsquote bei Asylbewerbern aus Algerien vergangenes Jahr 1,2 Prozent betragen habe, bei Marokkanern 2,3 Prozent, bei Tunesiern 1,9 Prozent und bei Georgiern 0,3 Prozent. Mehr als 97 Prozent der Asylanträge aus diesen Ländern hätten also von vornherein sehr geringe Erfolgsaussichten. Deshalb sei es richtig, die vier Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Dies beschleunige die Asylverfahren und trage gegebenenfalls zu einer schnelleren Aufenthaltsbeendigung bei. Dabei bleibe der individuelle Anspruch auf Asyl auch für Menschen aus diesen Staaten erhalten. Zugleich könne man sich besser "auf die wirklich berechtigten Asylanträge" und auf die "Integration der wirklich Schutzbedürftigen" konzentrieren.

Lars Herrmann (AfD) nannte die Einstufung der vier Staaten "überfällig". Antragsteller aus den Maghreb-Staaten könnten aber auch nach einer Ablehnung nicht abgeschoben werden oder seien "innerhalb kürzester Zeit wieder hier". Die Ziele der Gesetzesvorlage würden daher nicht erreicht, solange keine konsequente Rückführungspolitik betrieben und kein effektiver Grenzschutz gewährleistet werde. Ohnedies zweifele er an der Mehrheit im Bundesrat, "da die Länderregierungen unter rot-grüner Beteiligung ihre Zustimmung verweigern werden".

Stichtagsregelung Helge Lindh (SPD) warnte davor, "Menschen Perspektiven in Aussicht zu stellen, die realistisch nicht existieren". In vielen Fällen hätten Menschen aus den vier Staaten "keinerlei Aussicht auf Anerkennung als Asylbewerber". Angesichts von Menschenrechtsverletzungen in den betreffenden Ländern müssten jedoch Einzelne in Deutschland Asyl finden können. Daher stehe nun im Gesetzestext "eine spezielle Rechtsberatung für sogenannte vulnerable Gruppen". Zugleich ermögliche eine Stichtagsregelung denjenigen aus diesen Ländern, die schon in Deutschland eine Beschäftigung haben, aber nicht asylberechtigt sind, dass sie hier weiter beschäftigt werden können.

Linda Teuteberg (FDP) bezweifelte, dass Union und SPD die Neuregelung gegen "die Blockade der Grünen im Bundesrat" durchsetzen werden. So habe die CDU in Hessen einem Koalitionsvertrag mit den Grünen zugestimmt, "der die weitere Blockade im Bundesrat nur wahrscheinlicher macht". Dabei müsse das Instrument der sicheren Herkunftsstaaten über die vier Staaten hinaus insgesamt konsequenter genutzt werden.

Dagegen kritisierte Ulla Jelpke (Linke) die Regierungsvorlage als "Angriff auf den humanitären Schutzgedanken des Asylrechts". Wenn pauschal angenommen werde, dass in einem Land keine Verfolgung stattfindet, könne keine unvoreingenommene Prüfung der Asylgesuche stattfinden. Dabei gebe es in den drei Maghreb-Staaten gravierende Repressionen etwa gegenüber Oppositionellen oder Angehörigen ethnischer oder sexueller Minderheiten. Auch sei die Behauptung, in Georgien gebe es keine asylrelevante Verfolgung, eine "Weißwäscherei" von Menschenrechtsverletzungen. Luise Amtsberg (Grüne) verwies darauf, dass Asylbewerber aus den vier Staaten nur einen "verschwindend geringen Anteil" aller Schutzsuchenden in Deutschland ausmachten. Daher werde es der Sache nicht gerecht, "diese Frage zur Schicksalsfrage hochzujagen".

Thorsten Frei (CDU) entgegnete, dass vergangenes Jahr 9.355 Menschen aus diesen Ländern in Deutschland Asylanträge gestellt und davon mit 188 "gerade mal zwei Prozent" einen Schutzstatus erhalten hätten. Es sei "evident", dass die Mehrzahl dieser Menschen aus ökonomischen Gründen komme. Darauf müsse man reagieren, mahnte Frei.