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Ernährung : Aufgeklärt essen

Dass gute Kost erstrebenswert ist, darin sind sich die Fraktionen im Bundestag einig. Nicht aber darüber, wie das erreicht werden kann

21.01.2019
2023-08-30T12:36:15.7200Z
4 Min

Die Ernährung von Kindern und Jugendlichen muss durch bessere Verpflegungsangebote an Kitas und Schulen hochwertiger werden. Darin waren sich alle Fraktionen des Bundestages in einer Debatte über gesunde Ernährung am vergangenen Donnerstag einig. Wie im vergangenen Jahr fand die Aussprache am Tag vor der Eröffnung der"Internationale Grünen Woche" statt, die seit vergangenem Freitag bis zum 27. Januar in Berlin stattfindet. Der Debatte lagen Anträge der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen (19/6441), AfD (19/7033) und Die Linke (19/7025) zugrunde.

"Unser Ernährungssystem ist gescheitert", sagte Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) zu Beginn der Aussprache. Die Regale in den Supermärkten seien überfüllt mit Fertigprodukten, die letztlich zu erheblichen ernährungsbedingten Krankheiten führen könnten - von Diabetes über Gelenkerkrankungen bis hin zur Demenz. Es brauche daher eine "ehrgeizige Reduktionsstrategie", durch die die Lebensmittelproduzenten gezwungen würden, die Salz-, Zucker- und Fettgehalte ihrer Produkte zu verringern. "Die Zeit der Freiwilligkeit ist vorbei", mahnte Künast und sprach sich dagegen aus, auf selbstgesteckte Ziele zur Herstellung gesünderer Produkte seitens der Industrie zu vertrauen.

Es gehöre auch zur Wahrheit, dass die Menschen in Deutschland immer älter würden und später erkrankten als früher, sagte Marlene Mortler (CSU). Das Nahrungsangebot in Deutschland sei noch nie so vielfältig gewesen wie heute; die Basis für eine ausgewogene Ernährung sei entsprechend da. Der Staat habe auch aus diesem Grund nicht die Aufgabe, den Bürgern "jeden Tag das Essen mundgerecht und bedarfsgerecht zu servieren". Eine gesündere Ernährung könne aus Sicht Mortlers vor allem durch Aufklärungsinitiativen erreicht werden. Man müsse über "staatliche, neutrale Ernährungsberatung nachdenken" und an die Eigenverantwortlichkeit der Bürger appellieren.

Übergewicht Verena Hartmann (AfD) wies darauf hin, dass 50 Prozent aller gekauften Lebensmittel industriell verarbeitet seien und dass laut einer Studie des Robert Koch Instituts 15 Prozent aller Kinder an Übergewicht leiden würden. "Ernährungsgewohnheiten werden im Kindheits- und Jugendalter geprägt", sagte Hartmann. Es sei frappierend, dass Lebensmittel für Kinder noch ungesünder seien als solche für Erwachsene. Die AfD befürwortet daher "die EU-weite Ausschreibungspflicht für die Gemeinschaftsverpflegung an Kitas und Schulen" abzuschaffen, um das Essensangebot dort regionaler zu gestalten. Kinder sollten auch früh an das Kochen herangeführt werden.

"Der Zusammenhang von ungesunder Ernährung und sozialer Ungleichheit ist bewiesen", sagte Ursula Schulte (SPD). Gesunde Ernährung sei daher eine "Kernfrage der sozialen Gerechtigkeit". Wenn mehr Geld in den Familien zur Verfügung stünde, würde dieses auch in die Gesundheit der Kinder investiert und nicht in Flachbildfernseher. Es sei daher dringend notwendig, den gesetzlichen Mindestlohn anzuheben. Schulte gab außerdem zu bedenken, dass ungesunde Ernährung nicht nur zu Übergewicht, sondern auch zu Magersucht führen könne. Es sei neben der Lebensmittelindustrie deshalb auch die Modebranche samt der Schönheitsideale, die sie propagiere, in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen.

Elitäres Denken Es zeige sich ein elitärer und autoritärer Charakter, sagte Frank Sitta (FDP) mit Blick auf die Vorschläge der Grünen-Fraktion. In einem freiheitlichen Staat wüssten Erwachsene "selbst am besten, was gut für sie ist". Die Kennzeichnungspflicht von Produkten - etwa in Form einer Lebensmittel-Ampel auf Verpackungen - sei deshalb wenig hilfreich, weil durch derartige Ausweisungen der tatsächliche Informationsgehalt auf ein Minimum reduziert würde. Sitta sprach sich dafür aus, gesunde Ernährung mit körperlicher Betätigung zusammenzudenken - auch über sportliche Aktivität könne man präventiv leben. Der Schlüssel zu gesunder Ernährung liege deshalb nicht in gesetzlichen Verordnungen, sondern in einer "möglichst umfassenden Information der Verbraucher".

Man müsse lange suchen, um ein ungezuckertes Brot zu finden, sagte Amira Mohamed Ali (Die Linke). Am Ende gebe es, um solches Brot zu konsumieren, oft nur die Option der teuren Backware aus dem Biomarkt. Menschen mit Harz-IV oder ähnlich niedrigen Bezügen hätten am Tag aber nur wenige Euro für Verpflegung zur Verfügung und könnten sich solches Brot daher nicht leisten. Es sei deshalb wichtig, Sozialleistungen dergestalt zu erhöhen, dass für diese Personengruppen ein "menschenwürdiges Leben ermöglicht" werde. An die Adresse der Bundesregierung richtete Ali den Vorwurf, diese betreibe "Lobbypolitik für die Lebensmittelindustrie". Aus Sicht der Linksfraktion brauche es dringend eine leichtverständliche Lebensmittelkennzeichnung auf der Vorderseite von Produktverpackungen.

Im Anschluss an die Debatte wurden die Anträge zur Beratung an den federführenden Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft überwiesen. Lukas Stern