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Umwelt : Bundesregierung will Diesel-Fahrverbote erschweren

AfD und FDP zweifeln EU-Grenzwert an. Linke und Grüne fordern »Blaue Plakette«

21.01.2019
2023-08-30T12:36:15.7200Z
3 Min

Die Bundesregierung will Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge erschweren. Mit einer Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes soll geregelt werden, dass ein sogenanntes Verkehrsverbot grundsätzlich erst dann in Frage kommt, wenn der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel um 25 Prozent übertroffen wird, also über 50 Mikrogramm liegt. In der Begründung des Gesetzentwurfes führt die Bundesregierung aus, dass sie davon ausgehe, den Grenzwert in Gebieten, wo die Überschreitung unterhalb der 50 Mikrogramm liegt, mit schon beschlossenen Maßnahmen erreichen zu können - also ohne Fahrverbote. Zudem will die Bundesregierung Ausnahmen von möglichen Fahrverboten festlegen. Euro-6-Fahrzeuge sollen grundsätzlich verschont bleiben; Euro-4- und Euro-5-Fahrzeuge dann, wenn sie (nachgerüstet) weniger als 270 Milligramm Stickstoffoxide pro Kilometer ausstoßen. Ausnahmen sind zudem beispielsweise für nachgerüstete Busse und schwere Kommunalfahrzeuge sowie nachgerüstete Liefer- und Handwerksfahrzeuge vorgesehen.

Über den Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/6335, 19/6927) diskutierte der Bundestag vergangenen Donnerstag in erster Lesung kontrovers. Für die Bundesregierung machte Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) die Zielrichtung deutlich: "Deutschland muss schnellstmöglich den Grenzwert für Stickstoffdioxid einhalten, und zwar möglichst ohne Fahrverbote." Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium betonte, dass es um einen Interessenausgleich zwischen Fahrzeughaltern und den Bewohnern in den Innenstädten sowie "bundesweit einheitliche Maßstäbe für die Verhältnismäßigkeit von Verkehrsverboten" gehe. Schwarzelühr-Sutter verteidigte zudem die Ausnahme für ältere Diesel-Fahrzeuge, die bestimmte Grenzwerte einhalten. Dies böte jenen einen Ausweg, "die nicht die Möglichkeiten haben, ein neues, sauberes Fahrzeug zu erwerben". Darum seien Hardwarenachrüstungen eine "richtige und wichtige Maßnahme".

Dies unterstrich für die SPD-Fraktion auch Ulli Nissen. Das CSU-Verkehrsministerium habe Nachrüstungen lange "stiefmütterlich behandelt", kritisierte Nissen. Nun habe das Kraftfahrt-Bundesamt aber die Nachrüst-Richtlinie vorgelegt. "Gut 38.000 Kfz-Meisterbetriebe stehen bereit; sie sagen: Wir können nachrüsten. Lassen wir diese Kfz-Meisterbetriebe an die Arbeit gehen", forderte Nissen.

Karsten Möring (CDU) führte zur Begründung des Entwurfes Gerichtsurteile der vergangenen Monate an, die zu Fahrverboten geführt hatten. Darin seien Abwägungen getroffen worden, "die wir so für nicht zielführend halten", sagte der Christdemokrat. Luftschadstoffe müssten zwar reduziert werden, allerdings nicht um jeden Preis. So stünde der "Schaden, den wir durch die Fahrverbote verursachen, in keinem Verhältnis zu der zwar vorhandenen, aber geringen gesundheitlichen Beeinträchtigung" durch die Überschreitung des Grenzwertes, sagte Möring.

Kritik am Grenzwert Bei der Opposition kam der Entwurf nicht gut an, allerdings aus unterschiedlichen Beweggründen. Für die AfD-Fraktion kritisierte Marc Bernhard den EU-Grenzwert, die Grundlage für Fahrverbote. Dieser sei "grober Unfug und ideologische Panikmache", sagte Bernhard. Das Vorhaben der Bundesregierung sei zwar ein erster "Lichtblick für die Menschen, aber leider ein völlig unzureichender". In Stuttgart etwa, wo das Jahresmittel bei 61 Mikrogramm liege und ein flächendeckendes Fahrverbot gelte, helfe der Entwurf den Menschen "kein bisschen".

Judith Skudelny (FDP) kritisierte, dass die Bundesregierung zu spät handle, und bemängelte ebenfalls die aus ihrer Sicht mangelnde Nachvollziehbarkeit des Grenzwertes. Zudem gebe die Bundesregierung "nicht einmal für den Euro-6-Diesel eine Mobilitätsgarantie", sagte Skudelny.

Grüne und Linke kritisierten den Entwurf von der Warte des Gesundheitsschutzes aus. Ingrid Remmers (Die Linke) warf der Bundesregierung vor, "mit billigen Tricks über die Runden" kommen zu wollen. Remmers forderte - mit Verweis auf Anträge der Fraktion (19/6195, 19/1359) - unter anderem, Nachrüstungen auf Kosten der Autoindustrie. Zudem machte sich Remmers für die "Blaue Plakette" mit einem Vergabegrenzwert stark - statt einer generellen Ausnahme für Euro-6.

Kritik an den Ausnahmen übte für die Grünen auch Bettina Hoffmann. Sie bezweifelte, dass diese Ausnahmen überhaupt gerichtsfest seien, wenn es "um das Recht auf saubere Luft" gehe. Der Entwurf sei eine "Nebelkerze". Die Lösung sei die "Blaue Plakette", sagte Hoffmann. scr