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KI-Enquete : Alexa hört mit

Erste Zusammenfassungen sind veröffentlicht. Abgeordnete ziehen durchwachsene Zwischenbilanz

23.12.2019
2023-08-30T12:36:33.7200Z
4 Min

Großflächig wirbt der US-Handelsriese Amazon in den Innenstädten und im Netz für seine Alexa-Produkte. Der Sprachassistent, der etwa in Lautsprechern oder in Tablets integriert ist, sei das perfekte Geschenk für alle, die ohnehin schon alles haben, heißt es beispielsweise. Das Kalkül des Konzerns: An Heiligabend soll unter möglichst vielen Weihnachtsbäumen ein Geräts aus eigenem Hause liegen und alsbald angeschaltet werden. Während die Nutzerinnen und Nutzer dann per Sprachbefehl Musik abspielen, das Licht einschalten oder irgendetwas bestellen, sammelt der Konzern neben Umsätzen auch fleißig Daten, um die Spracherkennung weiter zu optimieren, Künstliche Intelligenz (KI) macht's möglich. Grob gesagt.

Dieter Janecek würde man mit einem Alexa-Produkt zu Weihnachten allerdings offenbar keine Freude machen. Es sei "der Weg in den totalen Überwachungsstaat, der dort stattfindet", mahnte der Grünen-Abgeordnete vergangenen Freitag im Bundestag in Richtung Amazon und forderte die Zuhörer auf: "Schalten Sie das aus!"

Datenschutz Tatsächlich hatte der Konzern Mitte 2019 zugeben müssen, dass die Auswertung der Sprachmitschnitte nicht rein maschinell erfolgt, sondern dass Mitarbeiter - auch im Homeoffice - Mitschnitte abhörten, um sie zu transkribieren. Das dürfte interessante Einblicke ergeben haben, stehen die Endgeräte doch in Wohn- oder auch Schlafzimmern herum.

Der Umgang mit Daten, Datenschutz und Privatsphäre gehört zu den wesentlichen Herausforderungen beim maschinellen Lernen und der KI-Technologie. Wie unter anderem damit umzugehen ist, ergründet seit September 2018 eine Enquete-Kommission des Bundestages. Vergangenen Freitag zogen die beteiligten Abgeordneten im Plenum eine teils durchwachsene Zwischenbilanz. Tags zuvor hatte die Kommission Zusammenfassungen der ersten Ergebnisse veröffentlicht.

Die Lernkurve bei dem komplexen technischen Thema "war und ist steil", gab die Enquete-Vorsitzende Daniela Kolbe (SPD) zu. Das sei "ganz schön anstrengend, aber auch lehrreich und lohnend". Kolbe zog eine positive Bilanz. Es sei gelungen, sich nicht in "Meta-Debatten" zu verlieren, sondern in den verschiedenen Handlungsfeldern konkret zu werden. Das sei sehr hilfreich, denn so komme man aus einem Schwarz-Weiß-Denken raus. Vom Weihnachtsmann - aber tatsächlich eher von den Kommissionsmitgliedern aus den Reihen der Fraktionen - wünschte sich Kolbe, "ein bisschen mehr den Geist der Überparteilichkeit walten zu lassen". Je mehr Konsens erzielt werde, desto einfach sei es, die für den Herbst 2020 angekündigten Empfehlungen der Kommission auch tatsächlich umzusetzen, warb die Vorsitzende.

Auf die Linksfraktion wird Kolbe nicht zählen können, zumindest teilweise. Für die Fraktion machte Anke Domscheit-Berg deutlich, dass im Bereich Innere Sicherheit und Militär mit Sondervoten der Linken zu rechnen sei. Es müssten klare rote Linien für den KI-Einsatz gezogen werden, mahnte Domscheit-Berg. Die Abgeordnete kritisierte zudem, dass die Kommission nur in einem geringen Umfang transparent arbeite und bisher keine Bürgerbeteiligung stattgefunden habe. Die für nächstes Jahr geplante Beteiligung nannte Domscheit-Berg ein "Feigenblatt", das ohne wirklichen Einfluss auf den Bericht bleiben werde.

Die Balance im KI-Diskurs zwischen Chancen und Risiken machte für die FDP-Fraktion Mario Brandenburg zum Thema. Die Debatten im Bundestag seien ihm zu pessimistisch, auch in der Enquete-Kommission verharre man zu lange in den Debatten der Vergangenheit. "Veränderung beginnt mit uns", sagte der Abgeordnete. Brandenburg griff als Beispiel den Komplex auf, inwiefern Algorithmen diskriminierten. Probleme damit gab es beispielsweise auch bei Amazon, wo Frauen bei Bewerbungen automatisiert aussortiert wurden. "Weder Rassismus noch Sexismus sind Erfindungen von Algorithmen", sagte Brandenburg. Vielmehr fütterten wir die KI mit unseren gesellschaftlichen Problemen. Der Liberale warb dafür, jene, die in Sachen KI mehr wollten, nicht durch "Bedenkenträgerei und Regularien" aufzuhalten und verwies auf Empfehlungen der Projektgruppe "KI und Wirtschaft", etwa zur Förderung innovativer Finanzierungsmodelle.

Start-ups fördern Auf diese Empfehlungen nahm auch Ronja Kemmer für die Unionsfraktion Bezug. Sie hatte die Gruppe geleitet und nannte als eine der wesentlichen Vorschläge, die Rahmenbedingungen und Ökosysteme für Start-ups zu verbessern. Die Christdemokratin präsentierte ihre Fraktion als Fortschrittstreiber beim Thema KI. "Wir gehören nicht zu den Bedenkenträgern, wir sehen Chancen und wollen diese nicht zerreden." KI "made in Europe" sei eine "erfolgversprechende Marke". Dafür müssten aber die Bedingungen stimmen.

Bei den Bedingungen sah auch Joana Cotar von der AfD-Fraktion Nachbesserungsbedarf. Mit Blick auf die Fortschritte in China und den USA mahnte Cotar eine Überarbeitung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) an. Datenschutz sei wichtig, aber die aktuelle Ausgestaltung der Normen mache deutschen Forschern das Leben schwer, kritisierte die AfD-Abgeordnete. Die Bundesregierung müsse beim Thema KI "einen Sprint einlegen". Benötigt würden etwa höhere Investitionen, Bürokratieabbau und Leuchtturmprojekte. Es dürfe nicht weiter zugelassen werden, dass gut ausgebildete Forscher und Entwickler Deutschland verlassen, weil die Bedingungen anderswo besser seien, sagte Cotar.

Der Grünen-Abgeordnete Janecek kritisierte, dass auch diese Debatte im Plenum zu oberflächlich geführt werde. Christdemokratin Ronja Kemmer habe etwa offen gelassen, was ihre Vorstellung von "Mehr KI wagen" sei, ob sie damit nun den chinesischen Weg meine oder einen in Schweden praktizierten sozialökologischen Ansatz. Den Ausführungen des Liberalen Brandenburg hielt er entgegen, dass die Daten, mit denen die Systeme lernen, diskriminierungsfrei sein müssten. Angesichts des Ressourcenverbrauchs im Zuge der Digitalisierung und gerade bei KI-Anwendungen müssten zudem Leitplanken für Nachhaltigkeit eingezogen werden, mahnte Janecek. Sören Christian Reimer