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Recht : Im Netz wird's jetzt ernst

Koalition nimmt Facebook und Co. bei Hasskriminalität in die Pflicht

16.03.2020
2023-08-30T12:38:15.7200Z
4 Min

Die Koalition will stärker gegen Hasskriminalität vorgehen - und hat dazu soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter in den Blick genommen. Entsprechende Maßnahmen hatte die Bundesregierung schon im vergangenen Jahr in Reaktion auf den Terror-Anschlag von Halle sowie die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke angekündigt. Zudem mehrten sich die Berichte über Anfeindungen und Bedrohungen von sowohl Spitzen- als auch Kommunalpolitikern. Im Februar legte das Justizministerium einen entsprechenden Entwurf vor; vergangenen Donnerstag debattierte der Bundestag erstmalig einen von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachten, gleichlautenden Gesetzentwurf (19/17741). Mit dem Gesetz will die Regierung einer im Internet und besonders in den sozialen Medien zunehmend zu beobachtenden Verrohung der Kommunikation entgegentreten. Durch aggressives Auftreten bis hin zu Morddrohungen werde nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen, sondern auch der politische Diskurs angegriffen, heißt es im Entwurf.

Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Christian Lange (SPD), erinnerte an die Debatte in der Vorwoche über die Folgen der rassistischen Morde von Hanau. Den Menschen, die sich vor Rassismus und Rechtsextremismus fürchten, sei versprochen worden, den Kampf gegen diese Bedrohung aufzunehmen. "Heute zeigen wir, dass wir es ernst meinen", sagte Lange. Der Kampf gegen Hass und Hetze könne nur gewonnen werden, indem man an einem Strang ziehe. Deshalb freue er sich über den großen politischen und gesellschaftlichen Rückenwind für dieses Vorhaben. Die Meinungsfreiheit ende dort, wo das Strafrecht beginne, sagte Lange. Das müsse der Rechtsstaat durchsetzen, und zwar auch im Internet. Dafür sollen die Strafverfolgungsbehörden von Internet-Plattformen künftig die Daten verlangen können, die sie brauchen, um Täter zu identifizieren. Außerdem solle es den Gerichten ermöglicht werden, härter gegen Gewalthetze vorzugehen.

Ideologisches Gift Die Vertreter der Koalitionsfraktionen begrüßten die Zustimmung der großen Mehrheit der Abgeordneten für das Ziel des Gesetzentwurfs. Ute Vogt (SPD) erinnerte an die über 200 Opfer rechtsextremistischer Gewalt seit 1990. Es müsse verhindert werden, dass rechtsradikale Ideologien wie Gift in die Gesellschaft sickern. Alltragsrassismus müsse ein Ende haben. Sie sei froh über die breite Mehrheit für das Maßnahmenpaket, mit dem der Rechtsstaat klare Kante zeige und ein Signal an die Justiz sende.

Thorsten Frei (CDU) betonte, dem Hass der Rechtsextremisten dürfe kein Raum gelassen werden. Für die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates sei es aber wichtig, nicht nur Gesetze zu verabschieden, sondern sie auch durchzusetzen. Dafür seien die notwendigen personellen Voraussetzungen geschaffen worden.

Jürgen Martens (FDP) sagte, aus der Verrohung der Sprache folge Hass, der in Bedrohung und Gewalt umschlage. Dieser Gewalt und den Mechanismen, die zu solcher Gewalt führen, müsse entgegengetreten werden. Es sei notwendig, angemessen und geboten, dass der Gesetzgeber dagegen einschreitet. Viele Punkte des Entwurfs seien positiv, über andere müsse man noch diskutieren, sagte Martens. Problematisch sei beispielsweise die Meldepflicht für Plattformbetreiber. Die geplante Passwortherausgabe sei ein schwerer Eingriff in die Rechte der Nutzer.

Renate Künast (Grüne) verwies auf die Vielzahl rassistischer und anderer minderheitenfeindlicher Übergriffe, die jeden Tag in Deutschland stattfänden. Dieser "Entmenschlichung" müssten alle gemeinsam entgegentreten. Der Gesetzentwurf greife leider zu kurz, sagte Künast. Die Grünen hätten dem eine ganzheitliche Strategie gegenübergestellt, die den Fokus auf Prävention und Opferschutz lege. Für Die Linke begründete Petra Pau die Dringlichkeit des Kampfes gegen Rechtsextremismus, der eine Gefahr für Leib und Leben und für die Demokratie sei. Das gelte für die Täter, aber genauso für deren rassistische und nationalistische Stichwortgeber - auf der Straße und auch in den Parlamenten.

Roman Reusch (AfD) sagte, er hatte eigentlich ein Gesetz zur AfD-Bekämpfung erwartet, der Entwurf zeige aber, dass dem nicht so sei. Die strafrechtlichen Änderungen seien teilweise völlig in Ordnung. Anders sei es mit dem zentralen Punkt des Entwurfs, der Anzeigepflicht. Die Vorverlagerung auf Private sei ein merkwürdiger Vorgang. Reusch sprach von einer Mogelpackung. Durch die bloße Erhöhung der Höchststrafen werde sich in der Praxis nichts ändern.

»Flügel« rechtsextremistisch Unterdessen verschärft der Verfassungsschutz die Gangart gegenüber der AfD. Wie der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, am selben Tag mitteilte, ist die AfD-Teilorganisation "Der Flügel" mit ihren etwa 7.000 Mitgliedern als rechtsextremistische Bestrebung einzuordnen. Passend zur Debatte im Bundestag sagte Haldenwang: "Rechtsextremismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Rassismus sickern in die alltägliche Wahrnehmung ein." Aus diesem Nährboden würden allzu oft auch Gewalttaten erwachsen. "Dem treten wir entschieden entgegen und bekämpfen rechtsextremistische Agitation konsequent. Es darf keine Toleranz für Extremisten geben", sagte Haldenwang.