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Arbeit : Ein Paket für viele

Mit einem Sozialschutzpaket will die Koalition Selbständigen und Familien helfen

30.03.2020
2023-08-30T12:38:15.7200Z
4 Min

Die Hilferufe sind erhört worden: Als der Bundestag vor einigen Wochen deutliche Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld beschlossen hatte, ebenfalls in einem Blitzverfahren, warnten nicht nur die Abgeordneten: Vergesst die Solo- oder Kleinselbstständigen nicht! Da hatte das Coronavirus Deutschland zwar schon erreicht und die ersten Mahner, die auf die wirtschaftlichen Folgen hinwiesen, traten auf den Plan. Aber der Stillstand fast des gesamten Landes, der in den Tagen darauf folgte, lenkte den Blick noch einmal intensiver auf jene, die um uns herum ihre Restaurants und kleinen Läden betreiben, auf jene, die ihre Büros um die Ecke haben und dort zum Beispiel eine Eventagentur betreiben. Denn außer Stornierungen boomt dort nichts mehr. Und Kurzarbeitergeld bekommen nur Angestellte eines Betriebs gezahlt.

Um die sozialen Folgen für Kleinselbstständige, Rentner, Saisonarbeitskräfte und Familien ohne große Rücklagen wenigstens etwas zu mildern, hat die Koalition nun ein großes Bündel geschnürt. Dieses Sozialschutzpaket genannte Gesetz (19/18107; 19/18130) passierte den Bundestag in der vergangenen Woche an nur einem Tag und mit Zustimmung aller Fraktionen.

Konkret sieht das Gesetz vor, dass für Anträge vom 1. März 2020 bis 30. Juni 2020 eine Berücksichtigung des Vermögens bei der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen ausgesetzt wird und die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung als angemessen anerkannt werden. Der Zugang zum Kinderzuschlag wird übergangsweise unter anderem durch den Verzicht auf eine Vermögensprüfung erleichtert.

Saisonarbeiter Um Problemen bei der Saisonarbeit, insbesondere in der Landwirtschaft, entgegenzuwirken, werden die Zeitgrenzen für geringfügige Beschäftigung in Form der kurzfristigen Beschäftigung befristet auf eine Höchstdauer von fünf Monaten oder 115 Tagen ausgeweitet.

Nimmt man während des Bezugs von Kurzarbeitergeld eine Beschäftigung in systemrelevanten Branchen und Berufen auf, wird das dort verdiente Entgelt nicht mit dem Kurzarbeitergeld verrechnet. Dadurch soll ein Anreiz geschaffen werden, vorübergehend Tätigkeiten in diesen Bereichen aufzunehmen.

In das Arbeitszeitgesetz wird eine Verordnungsermächtigung eingefügt, um Ausnahmeregelungen für systemrelevante Infrastrukturen zu gewährleisten.

Außerdem werden die Hinzuverdienstgrenzen in der Rentenversicherung und der Alterssicherung der Landwirte gelockert. Bis zu einer Grenze von 44.590 Euro führt, befristet bis Ende 2020, der Zuverdienst nicht zu einer Rentenkürzung .

Entschädigungsanspruch Soziale Dienstleister und Einrichtungen der Fürsorge werden im Rahmen eines besonderen Sicherstellungsauftrages durch Bund, Länder und Sozialversicherungsträger finanziell unterstützt, um in ihrem Bestand nicht gefährdet zu werden. Voraussetzung ist, dass die Dienstleister zur Bewältigung der Pandemie beitragen. Der Sicherungsauftrag gilt zunächst bis zum 30. September 2020, kann aber verlängert werden.

In das Infektionsschutzgesetz wurde ein Entschädigungsanspruch für Verdienstausfälle bei behördlicher Schließung von Schulen und Kitas zur Eindämmung der aktuellen Pandemie aufgenommen. Bedingung ist, dass die Eltern keine anderweitige Betreuung für ihre Kinder bis zum 12. Lebensjahr realisieren können. Die Entschädigung in Höhe von 67 Prozent des Nettogehaltes wird für bis zu sechs Wochen gewährt und ist auf einen monatlichen Höchstbetrag von 2.016 Euro begrenzt.

Peter Weiß (CDU) stimmte es froh, dass das Bild von der Ellbogengesellschaft scheinbar nicht allgemeingültig sei: Derzeit zeige sich: "Wir können auch anders, solidarisch sein und Außergewöhnliches leisten", sagte er in der Debatte. Die Kurzarbeit hätte Deutschland schon einmal geholfen, aus einer Krise schnell wieder herauszukommen. Weiß warnte, in Kürze würden tausende Arbeitskräfte in der Landwirtschaft fehlen. "Deshalb muss unsere Hilfe möglich machen, diesen Zusatzbedarf an Arbeitskräften bereitzustellen."

Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) nannte den Schutz des Lebens "absolute Priorität". Aber gerade deshalb "müssen wir der Bevölkerung existenzielle Ängste nehmen", forderte er. Die Angst um den Arbeitsplatz und die soziale Sicherheit dürften die Menschen nicht noch zusätzlich belasten. "Ich kann nicht versprechen, dass wir jeden Arbeitsplatz retten können, aber wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen", sagte der Minister und verwies unter anderem auf das Kurzarbeitergeld.

Jürgen Pohl (AfD) erwiderte, der geplante Sozialschutz gehe nicht weit genug. So bräuchten Eltern, die wegen ihrer Kinderbetreuung nicht arbeiten könnten, mehr Rechtssicherheit. Auch würden die Änderungen bei den Hinzuverdienstgrenzen nicht ausreichen. "Wir brauchen einen Notfallplan für Obdachlose und Menschen mit Behinderungen", so Pohl.

Michael Theurer (FDP) lobte vor allem die flexibleren Arbeitszeitregelungen, die seine Fraktion schon lange fordere. Hinzuverdienstgrenzen sollten dagegen am besten ganz abgeschafft werden, forderte er. Bezogen auf das Kurzarbeitergeld schlug Theurer vor, die Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Arbeitgeber im Ausnahmefall zuzulassen.

Susanne Ferschl (Die Linke) kritisierte, dass die Schutzfunktion des Arbeitszeitgesetzes über Verordnungsermächtigungen nun ausgehebelt werden könne. "Auch Menschen brauchen einen Schutzschirm", betonte sie und forderte, das Kurzarbeitergeld auf 90 Prozent des letzten Verdienstes anzuheben. "Denn wie sollen Geringverdiener mit einem Minus von 40 Prozent leben können?"