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Grundrente : Ein Hürdenlauf

Von Blockade durch die Union war in der ersten Lesung nichts zu spüren

18.05.2020
2023-08-30T12:38:17.7200Z
4 Min

Man kennt das aus der Werbung: Um ein Produkt erfolgreich zu vermarkten, braucht es zunächst einen knackigen unkomplizierten Namen: "Grundrente" klingt da auf jeden Fall schon mal besser als die "Lebensleistungsrente", die Ursula von der Leyen (CDU) einst als Arbeitsministerin erfunden hatte aber nicht durchsetzen konnte. Aber da Politik nun doch etwas komplexer ist als Margarine-Werbung, reicht ein guter Name allein auch nicht - denn es wird eben, anders als bei der Margarine, genauer hingeschaut: Was steckt darin? Und so hatte es Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) noch nie leicht, für sein Konzept der Grundrente zu werben. Seit über einem Jahr tobt nun schon der Streit, innerhalb der Koalition und außerhalb bei Wissenschaftlern und Experten der Rentenversicherung. Aber immerhin: So weit wie diesmal sind all die Pläne der vergangenen Jahre, Altersarmut mithilfe einer Mindestsicherung abzufedern, noch nie gekommen. Am vergangenen Freitag fand die erste Lesung des Grundrentengesetzes der Bundesregierung im Bundestag statt, obwohl Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus Tage zuvor erneut in Erwägung gezogen hatte, das SPD-Vorzeigeprojekt scheitern zu lassen und damit zeigte, wie groß das Murren in seiner Fraktion offenbar ist.

Zielgenau und vernünftig Während der Debatte im Bundestag war von innerkoalitionärem Zwist jedoch nicht viel zu spüren. Hermann Gröhe (CDU), ehemaliger Gesundheitsminister, stellte klar: "Wir wollen die Grundrente. Zielgenau und vernünftig finanziert." Dass auch die SPD nicht an ihrem Aushängeschild zweifelt, versteht sich von selbst. So warnte Katja Mast, als Fraktionsvizin zuständig für den Bereich Arbeit und Soziales: Der Rentenversicherung gelänge die technisch schwierige Umsetzung nur, wenn das Gesetz vor der Sommerpause verabschiedet werde. "Die Grundrente muss zum 1. Januar kommen", forderte sie. Hubertus Heil rückte ebenfalls keinen Millimeter von seinem Plan ab: "Seit mehr als zehn Jahren diskutieren wir darüber. Deutschland kann es sich nicht leisten, die Grundrente zum 1. Januar 2021 nicht einzuführen." Er verwies immerhin, ohne aber Namen zu nennen, all jene in die Schranken, die aus Kostengründen die Grundrente für nicht finanzierbar halten, während gleichzeitig Unternehmen mit Milliarden von Steuergeldern in der Corona-Krise unterstützt würden. "Die Frage ist vielmehr: Welches verheerende Signal geht davon aus, wenn wir uns die Grundrente nicht leisten?", fragte Heil.

Die Notwendigkeit einer Mindestsicherung innerhalb des Rentensystems wird auch von der Opposition nicht bestritten. Im Gegenteil, es liegen von allen vier Fraktionen alternative Vorschläge auf dem Tisch (siehe Seite 3). Denn "wenn jahrelange Arbeit nicht zu einer auskömmlichen Rente führt, untergräbt dies das Vertrauen in die sozialen Sicherungssysteme", betonte Markus Kurth (Grüne). Die Kritik der Opposition konzentriert sich vor allem darauf, dass die Grundrente nach derzeitigem Modell nicht ihr Ziel erreiche und außerdem die Finanzierung aus Steuermitteln noch nicht genügend geklärt sei. "Schon vor der Corona-Krise stand die Finanzierung auf wackligen Füßen. Nun werden die Einnahmen des Staates in den nächsten Jahren einbrechen", betonte Ulrike Schielke-Ziesing, Rentenexpertin der AfD. An die Union appellierte sie: "Lassen Sie keine zweite Lesung im Bundestag zu!" Johannes Vogel, Rentenfachmann der FDP-Fraktion, kritisierte, dass in der mittelfristigen Finanzplanung für den Haushalt gar keine Mittel für die Grundrente eingeplant seien und nur auf die Finanztransaktionssteuer verwiesen werde. "Aber eine Steuer, die es noch gar nicht gibt, kann man nicht zur Finanzierung heranziehen." Am Ende werde die Regierung wieder in den Topf der Beitragszahler greifen, prophezeite Vogel.

Einig war sich die Opposition darin, dass Altersarmut mit der Grundrente nicht wesentlich reduziert werde und viele eigentlich Bedürftige leer ausgehen würden. Matthias Birkwald (Die Linke) kritisierte, der Begriff Grundrente sei "grottenfalsch". Er gaukele den Menschen mehr vor, als er würde halten können, denn viele der Kassiererinnen oder Paketboten würden leer ausgehen. "Das ist enttäuschend", sagte Birkwald. Zwar werde es leichte Verbesserungen für Frauen und Rentner in Ostdeutschland geben, aber zu viele Menschen blieben auch mit dem Zuschlag in der Grundsicherung. Im Kampf gegen Altersarmut reiche das nicht, betonte der Rentenexperte der Linken. Ähnlich argumentierte der Grüne Markus Kurth: "Die Grundrente bleibt mit einem Bein in der Grundsicherung hängen" und überfordere alle Beteiligten mit einem "wahnwitzig komplizierten Abschlags- und Aufschlagsmechanismus."

Diese Zweifel konnte man auf den Bänken der Koalition nicht nachvollziehen. "Wenn eine Floristin statt 500 Euro Rente künftig 900 Euro hat, dann ist das eine gute Lösung", stellte Hermann Gröhe (CDU) fest. Hubertus Heil bemühte sogar die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und das Bild von den Menschen im Dunkeln, die man nicht sehe. Bei der Grundrente gehe es um all die Menschen, die gesehen werden sollten. "Anerkennung ist wichtig, reicht aber nicht. Diese Menschen haben mehr verdient: anständige Löhne und Renten!"

Der Vorhang zum nächsten Akt im Bundestag hebt sich am 25. Mai, wenn sich in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales die Sachverständigen dazu äußern.