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BUNDESTAG : »Am Ende der Sommerpause ist die Corona-Lage zu analysieren«

Der Vorsitzende des Geschäftsordnungsausschusses über die Arbeit des Parlaments in Zeiten der Pandemie

20.07.2020
2023-08-30T12:38:20.7200Z
3 Min

Herr Sensburg, um auch in Corona-Zeiten arbeitsfähig zu bleiben, hat der Bundestag seine Geschäftsordnung geändert. Danach ist er derzeit beschlussfähig, wenn mehr als ein Viertel statt die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. Warum das?

Wir wollten ermöglichen, im Plenum und in Ausschüssen auf Abstand zu tagen. Dazu war es notwendig, dass weniger Abgeordnete etwa in den Plenarsaal kommen müssen. Deshalb sollten Sitzungen nicht mehr wegen fehlender Beschlussfähigkeit beendet werden müssen, weil weniger als die Hälfte anwesend sind. Damit konnten wir die Anwesenheit im Plenarsaal so ausdünnen, dass der nötige Abstand gewahrt wird.

Es gab anfangs auch Überlegungen, die Etablierung eines deutlich kleineren "Notparlaments" zu ermöglichen, wie es bislang für den Verteidigungsfall vorgesehen ist. Sollte das wieder aufgegriffen werden?

Das sehe ich nicht; ich war auch dagegen. Eine solche Notsituation wie ein Verteidigungsfall ist sehr unwahrscheinlich. Wenn man so etwas wie ein Notparlament für bestimmte Ereignisse einmal etabliert, gibt es einen gewissen Drive, relativ oft darauf zurückzugreifen. In einem auf wenige Mitglieder beschränkten Notparlament wäre es aber nicht möglich, dass alle Abgeordneten auch die ihnen zustehenden Rechte wahrnehmen können. Deswegen sollte man damit gänzlich zurückhaltend umgehen.

Die Änderung der Geschäftsordnung ist bis Ende September befristet. Gibt es bei Bedarf eine Verlängerung, oder sehen Sie inzwischen andere, bessere Möglichkeiten?

Am Ende der Sommerpause wird man analysieren müssen, wie die Corona-Lage dann ist und ob etwa nach der Urlaubszeit eine zweite Welle droht. Darum war es wichtig, diese Regelungen nicht - wie von einer Fraktion gefordert - schon vor der Sommerpause zu beenden, sondern auch erste Sitzungen danach unter diesen Bedingungen zu ermöglichen. So können wir im September beurteilen, ob sich die Lage dann so sehr verbessert hat, dass wir die Änderungen auslaufen lassen können, oder ob wir weiter auf Abstand tagen müssen. Es dient ja gegebenenfalls nicht nur dem Schutz der Abgeordneten, sondern auch dem Schutz von Dritten, wenn wir hier kein Corona-Herd werden. Schließlich haben Abgeordnete mit vielen Menschen Kontakte und damit auch eine Verpflichtung, entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

In bestimmten Bereichen - wie Ausschusssitzungen, Anhörungen - wurde die Öffentlichkeit nur noch per Video hergestellt. Eine Möglichkeit auch für die Zukunft?

Wenn das nicht sein muss aufgrund einer Pandemie, sollte man da, wo Öffentlichkeit zugelassen ist, sie auch in den jeweiligen Raum lassen. Ich glaube, dass das authentische Erlebnis, einer Sitzung auf der Tribüne zu folgen, mehr bringt als eine Videoübertragung am Monitor. Nachdenken kann man über die Möglichkeit, Sachverständige bei Anhörungen per Video zuzuschalten. Wenn ein wichtiger Experte etwa nicht aus dem Ausland anreisen kann, ließe sich für solche Ausnahmefälle überlegen, ob er zugeschaltet werden darf. Grundsätzlich würde ich aber an der Präsenz der Sachverständigen festhalten wollen, weil es auch auf die Mimik und Gestik und dergleichen ankommt und nicht nur auf das Videobild.

Welche neuen Abläufe im Parlament finden Sie erhaltenswert?

Ich finde ganz gut, dass es für namentliche Abstimmungen jetzt nicht einen bestimmten Zeitpunkt gibt, sondern eine Zeitspanne. Es entzerrt das Geschäft, dafür eine halbe Stunde zur Verfügung zu haben, ohne die sonst übliche Hektik, bei der sich alle im Plenarsaal um die Urnen drängeln.

Das Gespräch führte Helmut Stoltenberg.

Patrick Sensburg (CDU) gehört dem Bundestag seit 2009 an und ist Vorsitzender des Ausschusses für Wahlordnung, Immunität und Geschäftsordnung.