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Extremismus : »Das dürfen wir nicht hinnehmen!«

Schäuble verurteilt Gewalt und Drohungen

14.09.2020
2023-08-30T12:38:22.7200Z
3 Min

Nach den jüngsten Ausschreitungen in Leipzig und Zwischenfällen bei einer Anti-Corona-Demonstration in Berlin hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) jegliche gewalttätigen Übergriffe entschieden verurteilt. Das Demonstrationsrecht sei ein hohes Gut, doch müsse jeder politischen Seite klar sein, dass die Gewaltfreiheit über allen Meinungsverschiedenheiten stehe, sagte Schäuble vergangene Woche zu Beginn der Plenarberatungen des Parlaments. Kein Anliegen rechtfertige es, das Gewaltmonopol des Staates in Frage zu stellen, "wie das bei den Ausschreitungen in Leipzig vermummte Linksextremisten mit Angriffen auf die Polizei getan haben".

Dass am Rande einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Berlin eine "gewaltbereite, erkennbar rechtsradikale Minderheit" versucht habe, in den Bundestag vorzudringen, sei "inakzeptabel", betonte der Parlamentspräsident. "Die Symbole der Demokratieverachtung ausgerechnet vor unserer Volksvertretung sind eine Schande", fügte er hinzu. Das Reichstagsgebäude stehe für Deutschlands parlamentarische Tradition genauso wie sein Brand für die Zerstörung der Demokratie. Als Sitz des Bundestages und damit "Symbol unserer freiheitlichen Demokratie" müsse es sakrosankt sein.

Schäuble erinnerte zugleich an die Ermordung von Enver Simsek, mit der vor 20 Jahren die Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" begann. Vor dem Ausmaß rechtsextremer Bedrohung könne niemand mehr die Augen verschließen. Die Anschläge von Hanau und Halle sowie der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke zeigten, dass die Gefahr auch heute nicht gebannt sei, warnte der Bundestagspräsident. Mit Blick auf die Serie von Briefen und Mails, die mit "Verweis auf die NSU-Morde Angst verbreiten", mahnte er, nicht hinzunehmen, dass Menschen angegriffen, werden, "weil sie öffentlich für eine weltoffene Gesellschaft eintreten". Dass Spuren auch zu Ermittlungsbehörden führen, sei ein "ungeheuerlicher Vorgang, der umfassend aufgeklärt werden muss". Zugleich liege es in der Verantwortung aller, "den Ewiggestrigen, den gewaltbereiten Chaoten und militanten Neonazis keinen Millimeter öffentlichen Raum zu geben".

Zu Beginn einer Aktuellen Stunde am vergangenen Donnerstag mit dem Titel "Keine Toleranz für die Feinde der Demokratie: Extremismus bekämpfen, Polizei und Justiz stärken" stellte der Parlamentarische Innen-Staatssekretär Günter Krings (CDU) klar: "Im Kampf gegen Extremisten sollten sich alle Demokraten stets einig sein." Es sei daher eine "demokratische Minderleistung", wenn Gewalttaten und extremistische Vorfälle nur dann angeprangert werden, wenn es in die jeweilige politische Agenda hineinpasst. Im Verlauf der Debatte konstatierte sein Parteikollege Thorsten Frei (CDU) jedoch, dass genau dies der Fall gewesen sei. "Rechte relativieren rechtsextremistische Gewalt und Linke relativieren linksextremistische Gewalt". Bezug nahm er dabei auf Gottfried Curio (AfD) und Sören Pellmann (Die Linke). Curio hatte von Fake-News gesprochen, wenn "ein Fototermin auf der Reichstagstreppe samt Schwenken internationaler Fahnen" zum "Sturm auf den Reichstag" aufgeblasen werde.

Pellmann sagte mit Blick auf die "sogenannten Krawallnächte" von Leipzig: Es sei dort ein besetztes und zuvor seit 20 Jahren, "trotz drückender Wohnungsknappheit und Mangel an bezahlbarem Wohnraum", leerstehendes Haus, geräumt worden. Die Gewaltexzesse in diesen Zusammenhang verurteile er. Die Steinwürfe gegen die Polizei müssten aber eher als Symptome denn als Ursache verstanden werden.

Für Linda Teuteberg (FDP) ist "jede Form von Extremismus eine ernsthafte Gefährdung für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung". Politische Ziele könnten in Deutschland allein mit friedlichen Mitteln verfolgt werden. "Das unterscheidet uns von autoritären Systemen", sagte sie.

Konstantin von Notz (Grüne) sagte, in Deutschland gebe es eine Versammlungsfreiheit, die auch für jene gelte, die sich in einer Diktatur wähnten. Dies entbinde die Menschen jedoch nicht von der "demokratischen Pflicht", sich von den Antisemiten, Neonazis und Reichsbürgern, die zu Tausenden in Berlin vor Ort gewesen seien, deutlich zu distanzieren.

Ähnlich sah das Uli Grötsch (SPD). "Wer sich nicht eindeutig abgrenzt, ist Teil der braunen Soße", befand er. Diese Demos, so der SPD-Abgeordnete, seien ein gefundenes Fressen für Rechtsextremisten.

Kurz nach der Aktuellen Stunde debattierte das Parlament über AfD-Anträge "gegen linksextremistische Gewalt" (19/22189) und zum Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten durch Polizisten (19/22203). Unter anderem dringt die AfD-Fraktion darin auf eine Abkehr von Deeskalationsstrategien und fordert "mehr Konsequenz in der Durchsetzung polizeilicher Maßnahmen".