Piwik Webtracking Image

VERKEHR II : Beschleunigt planen und umsetzen

Gemischtes Experten-Echo auf Regierungsentwurf

12.10.2020
2023-08-30T12:38:24.7200Z
4 Min

Straßen, Schienen, Häfen oder Windparks - Experten begrüßen das Bestreben der Bundesregierung, Planung und Umsetzung wichtiger Infrastrukturprojekte zu beschleunigen. Ob der dazu eingebrachte Gesetzentwurf zur Beschleunigung von Investitionen (19/22139) jedoch tatsächlich in der Praxis diese gewünschte Wirkung entfalten wird, sehen Experten teilweise skeptisch. Das zeigte eine öffentliche Anhörung im Verkehrsausschuss vergangene Woche. Die für vergangenen Donnerstag geplante zweite und dritte Lesung des Entwurfs wurde abgesetzt.

BDI unzufrieden Enttäuscht zeigte sich Bund der Deutschen Industrie (BDI). Der Regierungsentwurf sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, erfülle aber nicht die "hohen Erwartungen". Um Infrastrukturvorhaben effektiv zu beschleunigen, bewege der Entwurf "zu wenige der zur Verfügung stehenden bundesgesetzgeberischen Hebel", hieß es in der Stellungnahme des Verbands. Planungs- und Genehmigungsverfahren hätten sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. "Wir müssen massiv entschlacken und diese Verfahren vereinfachen", forderte Jürgen Hasler, Abteilungsleiter Mobilität und Logistik beim BDI. Daher sei es "überraschend", dass Stichtagsregelungen oder Schwellenwerte für Umweltverträglichkeitsprüfungen nur teilweise umgesetzt worden seien.

Rechtsanwalt Frank Fellenberg beurteilte hingegen die von der Regierung geplanten Maßnahmen insgesamt als "gut geeignet, um den beabsichtigten Beschleunigungseffekt zu erzielen". Die Vorschläge hielten "Maß und sie entwerten weder die Zulassungsverfahren noch den gerichtlichen Rechtsschutz", so der Fachanwalt für Verwaltungsrecht in seiner Stellungnahme. Punktuell schlug er jedoch Änderungen vor. So befürchtete er unter anderem, dass die angestrebte Änderung des Raumordnungsverfahrens (ROV) nur "bedingt geeignet" sei, in der Praxis einen "echten Mehrwert" zu generieren. Er empfahl, auf das vorgelagerte ROV ganz zu verzichten und die Prüfung der Raumverträglichkeit auf das Zulassungsverfahren zu konzentrieren.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) meldete ebenfalls Ergänzungsbedarf an. So monierte Martin Henke, Geschäftsführer Eisenbahnverkehr, der Entwurf lasse den Bereich der städtischen Schienenbahnen unberücksichtigt. Mit "Blick auf die aktive Partnerschaft des ÖPNV bei Verkehrswende, Klimaschutz und Luftreinhaltung" plädiere er dafür, die für das Allgemeine Eisenbahngesetz vorgesehenen Änderungen auch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) festzuschreiben, so Henke. Durch das neue Gemeindefinanzierungsgesetz und entsprechend "aufgestufte Mittel" sei mit zahlreichen neuen Projekten im Öffentlichen Personennahverkehr zu rechnen. "Wenn diese nach dem Regeln des bisherigen Planungsrechts angegangen werden, wird es viele Jahre dauern, bis die Mittel wirklich abfließen", warnte Henke. Das gelte es zu ändern.

Dieser Forderung schloss sich auch der Deutsche Städtetag an: Es sei nicht nachvollziehbar, warum die vorgesehenen Erleichterungen beim Ausbau des schienengebundenen Personen- und Güterverkehrs nicht auch beim städtischen Schienenverkehr gleichermaßen umgesetzt werden sollen, so Hilmar von Lojewski, Leiter des Dezernats Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr bei dem kommunalen Spitzenverband. Auch im Nahverkehr dauerten Planungs- und Genehmigungsverfahren viel zu lang. Hinzu kämen nicht selten zähe gerichtliche Auseinandersetzungen. Hier könnten Fristen wie gesetzliche Stichtagsregelungen helfen, argumentierte von Lojewski und appellierte an die Bundesregierung nachzubessern. "Auf kommunaler Ebene sind wir auch bereit, dafür unsere Klagerechte einzuschränken."

Eleonore Lohrum, Leiterin der Rechtsabteilung Infrastrukturrecht der Deutschen Bahn AG, lobte den Plan, Vorhaben im Rahmen der "Digitale Schiene Deutschland", zur Lärmsanierung sowie kleinere bis mittlere Elektrifizierungsvorhaben von der Planfeststellungs- und Plangenehmigungspflicht freizustellen, sofern keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bestehe. Das werde eine Reihe "bedeutsamer und unumstrittener Vorhaben" beschleunigen. Noch mehr Wirksamkeit könne das geplante Gesetz jedoch entfalten, wenn künftig nur noch dann ein Antrag auf Planfeststellung zu stellen sei, wenn eine UVP-Plicht bestehe.

Rechtsanwalt Dirk Teßmer sah eine grundsätzliche Freistellung von der UVP-Pflicht bei Bau, Ausbau oder Elektrifizierung von Schienenwegen kritisch. Auch die Errichtung von Lärmschutzwänden etwa könne relevante Auswirkungen auf die Umwelt haben, die es im Einzelfall zu ermitteln und bewerten gelte, betonte Teßmer: Es müsse daher mindestens eine UVP-Vorprüfungspflicht statuiert werden.

Gesetzentwurf Der Entwurf der Bundesregierung sieht eine Reihe von beschleunigenden Maßnahmen vor, wozu unter anderem Vereinfachungen im Raumordnungsrecht und bei der Genehmigung der Elektrifizierung von Schienenstrecken sowie Maßnahmen zur Beschleunigung der Gerichtsverfahren gehören. Durch eine Verkürzung des Instanzenzuges ist geplant, die Gesamtdauer der verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu reduzieren. Des Weiteren soll die Elektrifizierung von Schienenstrecken und andere kleinere Vorhaben, zum Beispiel die Erhöhung oder Verlängerung von Bahnsteigen, von der Planfeststellungs- und Plangenehmigungspflicht freigestellt werden,

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung umfassende Änderungen vorgeschlagen. Die Feststellung der Länderkammer, wonach der vorgelegte Gesetzentwurf zu kurz greife, "da der wichtige Sektor des öffentlichen Personennahverkehrs, namentlich das Personenbeförderungsgesetz und die Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung, nicht erfasst werden" will die Regierung der Vorlage zufolge prüfen. Sandra Schmid