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Verteidigung : »Fehler auf allen Ebenen«

Abteilungsleiter des Ministeriums als Zeuge im Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre

20.01.2020
2023-08-30T12:38:11.7200Z
3 Min

"Wir alle am Tisch hatten nicht den Eindruck, dass sie lügt." Wir: Das waren Beamte des Verteidigungsministeriums, die mit einer internen Verwaltungsermittlung Rügen des Bundesrechnungshofs wegen Rechts- und Regelverstößen bei der Vergabe von Leistungen an externe Firmen nachgingen. Sie: Dabei handelte es sich um die ehemalige Rüstungs-Staatssekretärin Katrin Suder. Was den Fragestellern als wahr erschien, war Suders Versicherung, persönliche Freundschaften oder Bekanntschaften hätten keinen Einfluss darauf gehabt, welche Firmen bei Aufträgen ausgeguckt worden seien.

Völlig abwegig war die Frage nicht: Suder und ein Manager des IT-Unternehmens Accenture, Timo N., sind miteinander befreundet. Accenture erhielt einen Auftrag, dessen Umstände vom Rechnungshof beanstandet wurden. Auch das Ministerium stufte das Vorgehen als rechtswidrig ein. Der damalige Abteilungsleiter Planung im Ministerium, General Erhard Bühler, war Taufpate bei den Kindern von Timo N..

Dass er von Suders Ehrlichkeit überzeugt war, erklärte in der vergangenen Woche der Abteilungsleiter Recht im Ministerium, Andreas Conradi, bei seiner Zeugenvernehmung im Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses. Die Abgeordneten gehen unter anderem möglichen Auswirkungen von "Kennverhältnissen" nach, wie es im Arbeitsauftrag heißt. Auch wenn Auftraggeber und Auftragnehmer miteinander Umgang pflegen, sei das "insoweit unerheblich, wenn es nicht dazu führt, dass sachfremde Erwägungen, die auf dem Kennverhältnis beruhen, Einfluss genommen haben", formulierte es juristisch-trocken Staatssekretär Gerd Hoofe.

Mit seiner Zeugenvernehmung kam der Ausschuss in seiner ersten Sitzung des Jahres auf die Zielgerade. Er hat sich abschließend an die Spitzenleute herangerobbt: Am 30. Januar steht der zweite Staatssekretär Benedikt Zimmer auf der Zeugenliste - und vor allem Katrin Suder. Den Abschluss der Vernehmungen macht am 13. Februar Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Vorab versicherte Hoofe schon mal, dass die damalige Ministerin über die Rügen des Rechnungshofs "befremdet und entsetzt" gewesen sei.

In dieser Einschätzung konnte sie sich nur bestätigt sehen, als ihr Ende November 2018 das Ergebnis der Verwaltungsermittlung präsentiert wurde. Dem Rechnungshof-Befund, dem zufolge die meisten der 56 überprüften Vergaben rechtswidrig zustande gekommen waren, konnten die Ermittler nur beipflichten. Doch blieb dies zunächst ohne personelle Konsequenzen. Erst nach weiteren Ermittlungen wurden inzwischen zwei Disziplinarmaßnahmen eingeleitet, wie Conradi den Abgeordneten berichtete.

Auf allen Verwaltungsebenen seien Fehler gemacht worden, fasste Hoofe den Bericht zusammen. Doch bei der möglichen Schuldzuweisung an eine Person komme es auch darauf an, ob eine "Erheblichkeitsgrenze" überschritten worden sei, ob jemand vorsätzlich zum Nachteil von Dritten oder dem Bund gehandelt habe.

Die Sitzung endete mit einer ungewöhnlichen Vernehmung. Aus dem "Herrn Kollegen" Tobias Lindner war kurzerhand der "Herr Zeuge" geworden. Der Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen brachte seinen Chat mit von der Leyen vom 8. November 2018 in die Untersuchungen des Ausschusses ein. Darin wünschte sie Lindner gegen drei Uhr ein "Gut's Nächtle" und teilte mit: "Ich gehe nun ins Bett."

Das war freilich nur der nette Abschluss einer eher heiklen Geschichte. Vorher waren beide bei der Sitzung des Haushaltsausschusses zusammengetroffen. Dabei ging es auch um die Entlassung des Geschäftsführers der bundeseigenen BWI, dem IT-Dienstleister der Bundeswehr. In diesem Zusammenhang schickte von der Leyen eine erste SMS an Lindner: "Können Sie kurz rauskommen, ich habe eine wichtige Info für Sie." Der hatte nach eigenem Bekunden den Eindruck, dass das Ministerium mit dem Hinweis auf Differenzen über die Ausrichtung der BWI mit dem Aufsichtsrat die Abgeordneten nicht über die wahren Gründe der Entlassung informierte. Tatsächlich wurde wohl dem geschassten Geschäftsführer die freihändige Vergabe eines millionenschweren Beratervertrags vorgeworfen. Der Vorgang war vergangenes Jahr auch im Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre erörtert worden.

Lindner wollte, wie er sagte, mit der Veröffentlichung des Chats verdeutlichen, dass zumindest die SMS in dieser Nacht einen Bezug zum Untersuchungsgegenstand des Ausschusses hatten. Freilich wurden von der Leyens Handy-Daten im Verteidigungsministerium gelöscht, obwohl sie als Beweismaterial für den Ausschuss eingestuft waren. Lindner hat deswegen Strafanzeige gestellt.