Piwik Webtracking Image

landwirtschaft : Preis des Essens

Bundestag debattiert über den Wert von Lebensmitteln und die Lage der Bauern

20.01.2020
2023-08-30T12:38:12.7200Z
4 Min

Eine klare Rechnung hat die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner (CDU), vergangene Woche im Bundestag aufgemacht: "Entweder passen wir die Wünsche der Verbraucher den Erlösen an oder die Erlöse müssen den Wünschen angepasst werden." Für sie ist klar: "Wir brauchen einen Mix. Lebensmittel müssen mehr wert sein." Es gebe mehr Handys als Einwohner, sagte Klöckner. Viel Geld werde für Technik ausgegeben. Aber wenn bei Nahrungsmitteln um jeden Cent gefeilscht werde, dann zeige sich: "Wir alle haben Verantwortung."

In der Debatte über den Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung für das Jahr 2019 (19/14500) gab sich die Ministerin kämpferisch: "Sie wollen, dass unsere Landwirte unter den besten Bedingungen arbeiten müssen, aber nicht das Geld dafür bekommen."sagte Klöckner, an die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gewandt: "Wie soll das funktionieren?" Die Ministerin hob auch auf das Thema Nachhaltigkeit bei der Nahrungsmittelproduktion ab: Ökologisches, Ökonomisches und Soziales gehörten dabei zusammen. Soeben habe ihr der Rundgang auf der Grünen Woche gezeigt, dass die Bauernschaft in einem Boot mit den Verbrauchern sitze.

Schwarzmalerei Albert Stegemann (CDU) zeigte sich sehr besorgt über die aktuelle Stimmungslage in der Landwirtschaft, die dazu führe, dass keiner mehr Bauer werden wolle. Bei der Erörterung der Themen Düngeverordnung oder Insektenschutz stellten sich ihm die Nackenhaare hoch. Permanente Schwarzmalerei führe nicht zu zukunftsgewandter Ernährungspolitik, sagte Stegemann. "Made in Germany" sei ein gutes Verkaufsargument für landwirtschaftliche Produkte. Der Grund dafür liegt seiner Ansicht nach nicht in Gesetzen und Verordnungen, sondern im Einsatz der Landwirte. Er wolle, dass sich auch in Zukunft viele junge Menschen für die Landwirtschaft entscheiden - wie einst er selbst, sagte der Abgeordnete.

Matthias Miersch (SPD) beklagte, dass die Bundesregierung in der Agrarpolitik nicht in der Lage sei, mit einer Stimme zu reden, weil zwischen Landwirtschafts- und Umweltministerium ein nicht überbrückbarer Dissens bestehe. Wenn immer mehr Betriebe aufgäben, stelle sich die Frage, ob Konzerne gefördert werden sollen oder mittelständische Familienbetriebe. Miersch ging auch auf den Tierschutz ein. 2016 habe es eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Thema Sauenschutz gegeben, doch erst jetzt liege ein erster Gesetzentwurf dazu vor. Der sehe eine Übergangsfrist von 17 Jahren vor, legte Miersch dar.

Kritik Der Abgeordnete Wilhelm von Gottberg (AfD) machte im Agrarbericht zahlreiche Worthülsen aus. Zu den aktuellen Problemen der Bauern werde aber nichts gesagt, bemängelte Gottberg. Der Bericht könne nicht zufriedenstellen. Er enthalte zwar Wichtiges, aber auch Überflüssiges und Widersprüchliches. Im Wesentlichen entscheide Brüssel, wie die Düngeverordnung zeige. Die Politik biete den Bauern keine Planungssicherheit. Löblichen Ankündigungen stehe mangelnde politische Umsetzung gegenüber, kritisierte der AfD-Abgeordnete.

Frank Sitta (FDP) beanstandete, der Agrarbericht enthalte nichts außer Ankündigungen. Das komme geradezu einer Arbeitsverweigerung gleich. Dass selbst die Union das freiwillige Tierlabel nicht mehr unterstütze, bedeute Misstrauen gegen die eigene Ministerin. Es bleibe "ein Label, das kein Schwein will, und ein Insektenschutzprogramm, das keiner Mücke hilft" - und demonstrierende Landwirte, die sich nicht mitgenommen fühlten, sagte Sitta. Er rief dazu auf, in der Agrarpolitik grundsätzlich umzudenken.

Ernst und Ehrlichkeit Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen) machte Angst, Verunsicherung und große Frustration in der Landwirtschaft aus. Der Nachwuchs fehle, Ausstiegsberatung habe Hochkonjunktur, zugleich könnten viele gar nicht mehr aufgeben, weil sie hoch verschuldet seien, bilanzierte Ostendorff. Er mahnte dazu, diese schlechte Stimmung ernst zu nehmen, weil sonst Bauern an den rechten Rand verloren gehen könnten. Die Gesellschaft wolle eine bäuerliche Landwirtschaft, in der es Tieren, Boden und Wasser gut gehe, sagte er. Gefragt sei Ehrlichkeit, beschied er in Richtung Unionsfraktion: Wer das Blaue vom Himmel verspreche, werde gar nichts halten können.

Der Thüringer Minister für Infrastruktur und Landwirtschaft, Benjamin-Immanuel Hoff (Die Linke), prangerte schließlich die "Geiz-ist-geil"-Kultur an. Sie sei dafür verantwortlich, dass die Landwirtschaft mit dem Rücken an der Wand stehe. Die Bauern wollten faire Preise für gute Arbeit und nicht für die Profite der Handelsunternehmen arbeiten, sagte Hoff. Er setze sich dafür ein, bei der Festsetzung von Standards mit freiwilligen Selbstverpflichtungen aufzuhören.

In der Sitzung am vergangenen Freitag warf der Bundestag auch einen Blick in Richtung des "Gemeinsamen Marktes Südamerikas", abgekürzt Mercosur. Dabei ging es um einen Antrag der AfD-Fraktion (19/16489), in dem sie auf den Schutz der heimischen Landwirtschaft dringt. Die Fraktion Die Linke und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordern in ihren Anträgen (19/16186, 19/16495), das Assoziierungsabkommen in dieser Form zu stoppen. Ebenfalls befasst hatte sich das Parlament zuvor mit einer Reihe von Anträgen der Oppositionfraktionen (19/16496, 19/16493, 19/16491, 19/9344) zum Agrarpaket und zur Düngemittelverordnung; Diese Anträge wurden zum Teil in die Ausschüsse überwiesen, zum anderen Teil abgelehnt.