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Grundgesetz : Langes Ringen um große Mehrheit

Keine Bundestags-Entscheidung über Aufnahme der sexuellen Identität

25.05.2021
2023-08-30T12:39:37.7200Z
3 Min

Von Pandemie und Masken war noch keine Rede, als die Fraktionen von FDP, Linken und Grünen ihren gemeinsamen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes auf Drucksache 19/13123 beim Bundestag einbrachten - er stammt vom 12. September 2019. Ziel der drei Fraktionen ist die Ergänzung von Verfassungsartikel 3 Absatz 3 Satz 1 ("Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.") um das Merkmal der sexuellen Identität.

Im November 2019 befasste sich das Parlament in erster Lesung mit dem Drei-Fraktionen-Vorstoß und überwies die Vorlage an den federführenden Rechtsausschuss sowie zur Mitberatung an die Ausschüsse für Inneres und Heimat sowie für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; im Februar 2020 führte der Rechtsausschuss eine Sachverständigen-Anhörung zu dem Gesetzentwurf durch. Während der Familienausschuss bislang nicht über die Vorlage beraten hat, empfahl der Innenausschuss vergangenen Mittwoch mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD die Ablehnung der Initiative; im Rechtsausschuss nahm die Koalitionsmehrheit den Entwurf dagegen von der Tagesordnung.

Damit entfiel auch die ursprünglich für Freitag avisierte Schlussberatung im Plenum; stattdessen debattierten die Abgeordneten über den Bericht des Rechtsausschusses zum Beratungsstand (19/29860). Ein Antrag von FDP, Linken und Grünen, in die zweite Lesung des Gesetzentwurfs einzutreten, wurde abgelehnt.

In der Aussprache machten Redner von CDU/CSU und SPD weiteren Gesprächsbedarf geltend. Karl-Heinz Brunner (SPD) betonte, man werde über die Pfingstwochen weiter darum ringen, die für eine Grundgesetzänderung erforderliche Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat für die auch von ihm gewollte Verfassungsergänzung zu bekommen. Bei einer sofortigen Entscheidung werde diese Mehrheit jedoch nicht erreicht. Jan-Marco Luczak (CDU) sagte, er sei für die Grundgesetzänderung als sichtbares Zeichen, dass die Menschen im Land "so leben und auch lieben können müssen, wie sie es wollen". Derzeit werde es die erforderliche Mehrheit dafür aber nicht geben. Noch seien viele Abgeordnete auch in seiner Fraktion unentschlossen und manche dagegen. Man habe jedoch noch zwei Sitzungswochen in der ablaufenden Legislaturperiode, um für die Änderung zu werben.

Für die AfD hielt Fabian Jacobi den drei anderen Oppositionsfraktionen vor, ihren Gesetzentwurf selbst 15 Monate lange im Ausschuss liegen gelassen zu haben. Jens Brandenburg (FDP) entgegnete, seine Fraktion sowie Linke und Grüne hätten der Koalition zwei Jahre lang immer wieder Zeit für die Mehrheitssuche gegeben, doch habe sie nun im Rechtsausschuss die Beratung des Gesetzentwurfes blockiert, nachdem die Wahlperiode fast abgelaufen sei. Doris Achelwilm (Linke) nannte die Grundgesetz-Ergänzung überfällig. Sie wäre ein wichtiges Signal "an alle Menschen, die dadurch mehr Anerkennung erfahren - an die auch, die diese Anerkennung verweigern oder mit Füßen treten". Ulle Schauws (Grüne) betonte, dass alle Sachverständigen in der Anhörung für die Verfassungsänderung gewesen seien. Für die Meinungsbildung innerhalb der Koalition habe es nun genug Zeit gegeben.

Bereits am Mittwoch hatte der Bundestag Oppositionsvorlagen zur geschlechtlichen Selbstbestimmung abgelehnt. Gesetzentwürfe von Freidemokraten (19/20048) und Grünen (19/19755) zielten dabei auf eine Abschaffung des Transsexuellengesetzes von 1981 und Einführung eines Gesetzes zur Selbstbestimmung über die Geschlechtsidentität sowie auf ein Verbot genitalverändernder chirurgischer Eingriffe an intergeschlechtlichen Kindern. Zu den abgelehnten Anträgen zählten unter anderem auch Vorlagen der Linken (19/17791) und Grünen (19/22214), die Entschädigungen für trans- und intergeschlechtliche Menschen vorsahen, an denen fremdbestimmte Genitaloperationen durchgeführt wurden.