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Menschenrechte : Den Finger in der Wunde

Fraktionen sehen auch in Deutschland Defizite

08.03.2021
2023-11-13T09:51:14.3600Z
2 Min

Rüstungsexporte an Kriegsunterstützer, mangelhafte Unterbringung wohnungsloser Menschen, unzureichende Achtung von Sorgfaltspflichten in der Wirtschaft - immer wieder legt das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) mit seinen Berichten zur Menschenrechtssituation in Deutschland den Finger in die Wunde. Sein fünfter Bericht macht da keine Ausnahme: Die Menschenrechtsexperten kritisieren unter anderem die Abschiebepraxis. Erkrankte Menschen dürften nicht abgeschoben werden, wenn sich dadurch ihr Gesundheitszustand gravierend verschlechtere oder ihr Leben gefährdet sei, schreiben die Experten - und doch passiere es. Auch wirft ihr Bericht ein Schlaglicht auf die mangelnde Inklusion im Bildungssystem: Jugendlichen mit Behinderungen werde der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt oft verwehrt, weil sie überwiegend keine reguläre Ausbildung mit anerkannten Abschlüssen absolvieren könnten. Mit Deutschlands menschenrechtlichen Verpflichtungen sei das nicht vereinbar.

Im Bundestag löste der Bericht (19/24971), der am vergangenen Donnerstag mit dem parallel vorgelegten Jahresbericht des Instituts (19/24970) beraten wurde, kontroverse Reaktionen aus: Frank Schwabe (SPD) dankte dem Institut für den Fingerzeig auf die Abschiebepraxis von erkrankten Asylbewerbern. Selbstkritisch erinnerte er an Diskussionen im Parlament darüber und den dabei geäußerten Vorwurf der Vortäuschung von Krankheiten, um eine Abschiebung zu verhindern. "Möglicherweise sind wir dabei über das Ziel hinausgeschossen", gestand Schwabe ein und mahnte, die vom Institut geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken ernst zu nehmen.

Jürgen Braun (AfD) hingegen warf dem Institut vor, Menschenrechtsverstöße zu verschweigen. Die "massiven und flächendeckenden" Grundrechtseinschränkungen in der Corona-Pandemie kämen in dem Bericht ebenso wenig zur Sprache wie Kritik am Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das die Meinungsfreiheit im Internet verletze. Auch Straftaten gegen Christen würden ignoriert.

Matthias Zimmer (CDU) betonte, die Idee der universellen Menschenrechte nach dem Zweiten Weltkrieg verpflichte: "Nie wieder soll es passieren, dass das Recht, Rechte zu haben, negiert wird." Deutschland erhebe seine Stimme gegenüber Menschenrechtsverletzern weltweit und habe auch die Lage zu Hause kritisch im Blick.

Gyde Jensen (FDP) hielt der Regierung vor, das Parlament in der Debatte um Grundrechtseingriffe zur Pandemiebekämpfung nicht genügend beteiligt zu haben: "Viel zu oft wurde die Diskussion hinter geschlossenen Türen geführt." Das Menschenrechtsinstitut habe klargestellt, dass der Bundestag nicht einfach nur anschließend informiert, sondern "sichtbar mit eingebunden" werde müsse, so die Abgeordnete.

Dieser Kritik schloss sich Zaklin Nastic (Linke) an: Solch "fundamentale" Grundrechtsbeschränkungen müssten öffentlich im Parlament entschieden werden, forderte sie. Zudem warf sie der Regierung vor, durch ihren Sparkurs das Menschenrecht auf soziale Sicherheit ausgehöhlt zu haben.

Margarete Bause (Grüne) lobte das DIMR als "wichtiges Korrektiv". Sie warb dafür, das Institut mehr einzubinden und besser auszustatten: "Machen wir es sichtbarer, stärken wir es - und damit unsere Menschenrechtspolitik."