Piwik Webtracking Image

VERHALTENSKODEX : Transparenz im Hohen Haus

Masken- und Lobbyismusaffären sorgen für Wirbel. Auch für Abgeordnete gelten Regeln

29.03.2021
2023-08-30T12:39:34.7200Z
5 Min

Als Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) vergangene Woche zu Beginn der Plenarberatungen der CDU-Abgeordneten Karin Strenz gedachte, die am vorherigen Wochenende im Alter von 53 Jahren gestorben war (siehe auch Seite 12) konstatierte er: "Auf ihrem politischen Wirken liegt ein Schatten. Aber von uns gegangen ist ein Mensch." Das Bundestagspräsidium hatte 2019 gegen Strenz wegen Verstoßes gegen die Verhaltensregeln für Abgeordnete ein Ordnungsgeld verhängt. Ihr wurde vorgehalten, Nebeneinkünfte im Zusammenhang mit ihrem Engagement für Aserbaidschan nicht rechtzeitig angezeigt zu haben.

Um Aserbaidschan geht es auch beim CDU-Mann Axel Fischer, gegen den wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit ermittelt wird, nachdem der Bundestag Anfang März seine Immunität aufgehoben hatte. Er soll Geld aus Aserbaidschan angenommen haben, hat die Vorwürfe jedoch zurückgewiesen. Mark Hauptmann legte nach Vorwürfen, als Lobbyist für Aserbaidschan tätig gewesen zu sein, am 11. März sein Mandat als CDU-Parlamentarier nieder. Zehn Tage danach erklärte der CSU-Abgeordnete Tobias Zech seinen Rückzug aus dem Bundestag - Hintergrund sind Vorwürfe, Mandat und unternehmerische Tätigkeiten verquickt zu haben.

Wegen des Anfangsverdachtes der Bestechlichkeit wird auch gegen den am 8. März aus der CSU ausgetretenen und nun fraktionslosen Abgeordneten Georg Nüßlein ermittelt, der Vorwürfe im Zusammenhang mit einer sechsstelligen Provisionszahlung für die Vermittlung von Corona-Schutzmasken an den Staat zurückwies. Nikolas Löbel, der ebenfalls eine sechsstellige Provision durch ein Maskengeschäft erhalten haben soll, trat aus der CDU aus und verabschiedete sich am 10. März aus dem Bundestag. Auch gegen Hauptmann wird mittlerweile im Kontext mit Maskendeals ermittelt.

Angesichts solcher Vorwürfe und Fülle von Fraktionsaustritten und Mandatsniederlegungen binnen kürzester Zeit nimmt es nicht wunder, dass der Bundestag vergangene Woche mehrfach über Konsequenzen aus der Masken- und Lobbyismusaffäre debattierte - etwa über Verschärfungen der Transparenzregeln für Abgeordnete (siehe Beitrag rechts).

Letztlich geht es um die Frage, was ein Volksvertreter darf und was nicht. Was moralisch verwerflich oder zumindest fragwürdig sein mag, aber noch legal, und was verboten ist. Wie Abgeordnete mit Spenden umzugehen haben und mit Nebentätigkeiten. Wie weit muss, wie weit darf Transparenz gehen? Wo hört das "freie Mandat" auf, wo fängt der "gläserne Abgeordnete" an?

Antworten auf solche Fragen soll ein kompliziertes Regelwerk von Bestimmungen im Abgeordnetengesetz und in der Geschäftsordnung des Bundestages geben, dort vor allem in der "Anlage 1", in dem die "Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages" aufgelistet sind, und in den dazugehörigen Ausführungsbestimmungen.

Den Rahmen für dieses Regelwerk gibt das Grundgesetz vor. Danach sind die Bundestagsabgeordneten "an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen". Im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit hat die Ausübung des Mandats zu stehen - das schreibt Paragraf 44a des Abgeordnetengesetzes vor, der zugleich "Tätigkeiten beruflicher oder anderer Art neben dem Mandat" als "grundsätzlich zulässig" erlaubt. Für die Ausübung des Mandats dürfen aber nur die "gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen" - also etwa die sogenannten Abgeordnetendiäten und Mitarbeiterpauschalen - angenommen werden. "Unzulässig ist insbesondere die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen, die nur deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Bundestag erwartet wird", heißt es in der Gesetzespassage unmissverständlich weiter. Ebenso dürfen Abgeordnete danach solche Zuwendungen nicht annehmen, die ihnen "ohne angemessene Gegenleistung" angetragen werden. Ausdrücklich unberührt bleibt davon die Entgegennahme von Spenden.

Nebentätigkeiten Im Abgeordnetengesetz ist auch geregelt, dass die Parlamentarier Nebentätigkeiten und entsprechende Einkünfte offenlegen müssen, "die auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessensverknüpfungen hinweisen können". Konkretisiert wird dies in den Verhaltensregeln. Danach müssen die Abgeordneten dem Bundestagspräsidenten etwa Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstandes oder anderen Gremiums eines Unternehmens ebenso anzeigen wie entgeltliche Tätigkeiten neben dem Mandat, die selbstständig oder im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses ausgeübt werden. Darunter fallen beispielsweise die Fortsetzung der bisherigen Berufstätigkeit sowie Beratungs-, Gutachter- oder Vortragstätigkeiten oder publizistische Aktivitäten.

Schwellenwerte Neben der Art ihrer Nebentätigkeit haben die Parlamentarier auch den Namen und Sitz des Vertragspartners beziehungsweise Unternehmens mitzuteilen, doch gibt es hier Ausnahmen: So gilt diese Mitteilungspflicht bei Vertragspartnern von Freiberuflern und Selbständigen erst ab einem bestimmten Schwellenwert der erzielten Brutto-Einkünfte. Auch müssen Abgeordnete keine Angaben über Dritte machen, für die sie etwa als Anwalt gegenüber ihren Mandaten gesetzliche Zeugnisverweigerungsrechte oder Verschwiegenheitspflichten geltend machen können.

Anzugeben sind zudem Vereinbarungen, wonach Abgeordneten während oder nach ihrer Mitgliedschaft im Bundestag Tätigkeiten übertragen oder Vermögensvorteile zugestanden werden sollen, sowie Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften, durch die "ein wesentlicher wirtschaftlicher Einfluss auf ein Unternehmen begründet wird" - was nach den Ausführungsbestimmungen bei mehr als 25 Prozent der Stimmrechte der Fall ist.

Publizistische sowie Gutachter- oder Vortragstätigkeiten müssen nicht angezeigt werden, wenn die daraus erzielten Einkünfte 1.000 Euro im Einzelfall oder, wenn dies nicht der Fall ist, summiert 10.000 Euro im Jahr nicht übersteigen. Wird einer der Schwellenwerte überschritten, ist die Höhe der jeweiligen Einkünfte anzugeben.

Veröffentlichung Die anzeigepflichtigen Einkünfte werden auf den Internetseiten des Bundestages lediglich in zehn Einkommensstufen ausgewiesen. Stufe 1 umfasst dabei einmalige oder regelmäßige monatliche Einkünfte zwischen 1.001 bis 3.500 Euro, Stufe 2 reicht bis 7.000 Euro und Stufe 3 bis 15.000 Euro. Die weiteren Schwellenwerte liegen bei 30.000 Euro, 50.000 Euro, 75.000 Euro, 100.000 Euro, 150.000 und 250.000 Euro. In Stufe 10 werden dann alle darüber liegenden Einkünfte erfasst.

Kenntlich gemacht wird auch, von welchem Vertragspartner das Geld für welche Tätigkeit geflossen ist. Bei gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrechten oder Verschwiegenheitspflichten kann statt des Namens und des Sitzes des Vertragspartners eine anonymisierte Form gewählt werden, beispielsweise "Mandant 1".

Spenden Auch zum Umgang der Parlamentarier mit Spenden enthalten die Verhaltensregeln eine Reihe von Verpflichtungen und Anweisungen. Danach dürfen sie grundsätzlich sowohl Spenden an die Partei annehmen als auch solche, die ihnen selbst für ihre politische Arbeit zur Verfügung gestellt werden. Leiten sie Parteispenden gegen Quittung an ihre Partei weiter, müssen sie sie nicht anzeigen. Ansonsten sind Spenden über 5.000 Euro mit Namen und Anschrift des Spenders dem Bundestagspräsidenten mitzuteilen; ab einem Schwellenwert von 10.000 Euro hat dieser sie unter Angabe ihrer Höhe und Herkunft auf den Internetseiten des Bundestags zu veröffentlichen.

Die in Paragraf 25 des Parteiengesetzes enthaltenen Spendenannahmeverbote gelten mit Einschränkungen auch für Spenden an einzelne Abgeordnete. Danach dürfen sie etwa Spenden von öffentlich-rechtlichen Körperschaften ebenso wenig annehmen wie von Unternehmen, an denen die öffentliche Hand zu mehr als 25 Prozent direkt beteiligt. Verboten ist ihnen beispielsweise auch die Annahme von Spenden, die erkennbar in Erwartung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils geleistet werden.

Strafen Verstößt ein Volksvertreter gegen seine in den Verhaltensregeln aufgeführten Anzeigepflichten, kann das Präsidium gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe bis zur Hälfte der jährlichen Abgeordnetendiäten festsetzen. Das gilt seit einer im vergangenen Oktober beschlossenen Neuregelung nicht nur für Nebentätigkeiten, sondern auch für anzeigepflichtige Spenden.

Ist sich ein Parlamentarier unsicher, ob er eine Tätigkeit oder Spende angeben muss, hilft ihm Paragraf 7 der Verhaltensregeln: Der nämlich verpflichtet jeden Abgeordneten, sich im Zweifelsfragen "durch Rückfragen beim Präsidenten über den Inhalt seiner Pflichten nach diesen Verhaltensregeln zu vergewissern".