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Transparenz : Künftig mehr Klarsicht

Der Bundestag debattiert über verschärfte Verhaltensregeln für Abgeordnete

26.04.2021
2023-08-30T12:39:36.7200Z
4 Min

Es dürfe "nicht der leiseste Verdacht entstehen", dass ein Parlamentarier finanziellen Abhängigkeiten ausgesetzt ist, die ihn in seinen Entscheidungen beeinflussen, mahnte Christine Lambrecht (SPD) in der zu Protokoll gegebenen Bundestagsdebatte über die Transparenzregeln für Abgeordnete. Für ihren Fraktionskollegen Christian Lange zeigten "die bekannt gewordenen Missstände um Fehlverhalten einzelner Abgeordneter im Umgang mit Nebentätigkeiten deutlich, dass wir schärfere Gesetze brauchen"; ein dritter verwies darauf, dass man die Verhaltensregeln für Volksvertreter bereits vor drei Jahren "präzisiert und damit die Transparenz deutlich verbessert" habe.

Das war am 17. Juni 2005. Angela Merkel (CDU) war noch nicht Bundeskanzlerin, Christine Lambrecht noch lange nicht Bundesjustizministerin, und die Legislaturperiode neigte sich dem Ende zu. Damals ging es darum, Nebeneinkünfte von Abgeordneten künftig in drei Einkommensstufen (von 1.000 bis 3.500 Euro, dann bis 7.000 Euro und in Stufe drei über 7.000 Euro) zu veröffentlichen. 2013 wurde - nun unter Schwarz-Gelb und wieder gegen Ende der Wahlperiode - das System von drei auf zehn Stufen ausdifferenziert; Oppositionsforderungen nach einer Veröffentlichung "auf Euro und Cent" konnten sich nicht durchsetzen.

Betragsgenau Das dürfte sich nun ändern. Nachdem zuletzt mehrere Parlamentarier in der "Masken-Affäre" um mutmaßliche Bereicherungen bei der Vermittlung von Atemschutzmasken der Liste des "Fehlverhaltens einzelner Abgeordneter" neue Beispiele hinzugefügt hatten, debattierte das Parlament vergangene Woche erstmals über einen Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD, Linken und Grünen zur Verschärfung der Transparenzregeln (19/28784). Danach sollen anzeigepflichtige Einkünfte aus Nebentätigkeiten und Unternehmensbeteiligungen künftig betragsgenau auf Euro und Cent veröffentlicht werden. Anzeigepflichtig sollen dabei Einkünfte sein, die im Monat 1.000 Euro oder bei ganzjährigen Tätigkeiten im Kalenderjahr in der Summe 3.000 Euro übersteigen.

Ferner sollen Beteiligungen der Parlamentarier an Kapital- sowie an Personengesellschaften bereits ab fünf Prozent statt wie bislang ab 25 Prozent der Gesellschaftsanteile angezeigt und veröffentlicht werden, dabei erstmals auch indirekte Beteiligungen. Auch Einkünfte aus anzeigepflichtigen Unternehmensbeteiligungen wie etwa Dividenden sollen anzeige- und veröffentlichungspflichtig werden, ebenso die Einräumung von Optionen auf Gesellschaftsanteile, die als Gegenleistung für eine Tätigkeit gewährt werden.

Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, von Dritten bezahlte Lobbytätigkeit von Abgeordneten gegenüber der Bundesregierung oder dem Bundestag zu verbieten und Honorare für Vorträge zu untersagen, die - wie es in der Begründung heißt - "im Zusammenhang mit der parlamentarischen Tätigkeit" stehen. Bei Verstößen gegen diese Verbote soll ein Ordnungsgeld verhängt werden, ebenso wie bei einem Missbrauch der Mitgliedschaft im Bundestag zu geschäftlichen Zwecken. Missbrauchen Abgeordnete ihre Mitgliedschaft oder verstoßen gegen das Verbot der entgeltlichen Interessenvertretung für Dritte und erzielen hierdurch Einnahmen, sollen diese an den Bundestag abgeführt werden müssen. Zudem soll Parlamentariern die Entgegennahme von Geldspenden verboten werden.

»Größte Reform« In der Debatte bat Patrick Schnieder (CDU) mit Blick auf die Maskenaffäre "um Entschuldigung für das Fehlverhalten" der betreffenden Ex-Mitglieder seiner Fraktion. Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf sei die größte Reform des Abgeordnetengesetzes, die es bisher gegeben habe. Damit gebe man den Abgeordneten "strengste Verhaltensregeln" vor und ziehe "klare Konsequenzen aus den bitteren Erfahrungen, die wir im März machen mussten".

Matthias Bartke (SPD) nannte den Gesetzentwurf einen echten Paradigmenwechsel bei den parlamentarischen Transparenzregeln. Die neuen Regeln seien "nicht weniger als eine Revolution im Parlamentsrecht" und gingen maßgeblich von einer Initiative seiner Fraktion aus.,

Friedrich Straetmanns (Linke) verwies darauf, dass der Entwurf vieles enthalte, was seine Fraktion schon längere Zeit fordere, etwa die Pflicht zur Veröffentlichung von Nebeneinkünften ab einem deutlich niedrigeren Wert. Die Vorlage sei "im Großen betrachtet ein guter Schritt in die richtige Richtung", doch blieben noch einige Baustellen. So müsse bei der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung der Tatbestand angepasst werden, "damit Fälle von Korruption auch erfasst sind und er überhaupt zur Anwendung kommen kann".

Auch Britta Haßelmann (Grüne) hob hervor, dass mit dem Entwurf vieles geregelt werde, für das ihre Fraktion lange gestritten habe, auch wenn man sich im Weiteren etwa noch um die Frage der Abgeordnetenbestechung kümmern müsse. Sie begrüßte zugleich, dass so schnell Konsequenzen aus dem "Schock der dreisten Maskenaffäre" gezogen würden. Nach diesen Ereignissen sei es notwendig, das Vertrauen in die Demokratie zurückzugewinnen.

Mängel beklagt Marco Buschmann (FDP) wertete es als gutes Signal, dass schnell ein Gesetzentwurf vorgelegt worden sei, der eine ganze Reihe von Oppositionsvorschlägen und auch seiner Fraktion aufgreife. Über einige Punkte wie etwa eine "dringend notwendige Verschärfung bei der Vorteilsannahme" müsse man aber noch einmal sprechen. Der "schlimmste Mangel" sei, dass man den Gewinn vor Steuern transparent machen müsse. Damit würde nicht nur der Gewinn der Abgeordneten als Träger einer Personengesellschaft bekannt, sondern auch der ihrer Gesellschafter, was Rückschlüsse auf die Gewinnmargen zulasse. Dies sei geeignet, Unternehmer aus dem Parlament zu vertreiben.

Thomas Seitz (AfD) bezeichnete den Gesetzentwurf als "absolutes Minimum" und Enttäuschung. "Viel Text, aber eher wenig wirklich Neues und vor allem nicht gut geregelt", kritisierte er. So müssten Optionen als Gegenleistungen verboten und nicht lediglich veröffentlichungspflichtig werden, denn sie schafften einen Anreiz zu rechtswidrigem Verhalten.