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transparenz : Verfassungsrechtliche Bedenken

Expertendisput um Veröffentlichung von Nebeneinkünften

10.05.2021
2023-08-30T12:39:36.7200Z
3 Min

Vor dem Hintergrund der "Masken-Affäre", bei der es um mutmaßliche Bereicherungen einzelner Abgeordneter bei der Vermittlung von Atemschutzmasken geht, wollen Union, SPD, Linke und Grüne die Transparenzregeln für Bundestagsabgeordnete nachschärfen. Während einer Anhörung vor dem Geschäftsordnungsausschuss bezogen vergangene Woche Sachverständige zu dem dazu vorgelegten Gesetzentwurf (19/28784) Stellung. Im Grundsatz positiv fielen die Bewertungen aus. Gleichwohl stoßen Teile der geplanten Neuregelung bei einigen Experten auf verfassungsrechtliche Bedenken.

Laut Entwurf sollen künftig anzeigepflichtige Einkünfte der Abgeordneten aus Nebentätigkeiten und Unternehmensbeteiligungen betragsgenau auf Euro und Cent veröffentlicht werden. Dabei sollen Einkünfte anzeigepflichtig sein, wenn sie im Monat 1.000 Euro oder bei ganzjährigen Tätigkeiten im Kalenderjahr in der Summe den Betrag von 3.000 Euro übersteigen.

Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, von Dritten bezahlte Lobbytätigkeit von Bundestagsabgeordneten gegenüber der Bundesregierung oder dem Bundestag zu verbieten und Honorare für Vorträge im Zusammenhang mit der parlamentarischen Tätigkeit zu untersagen.

Rechte Dritter Heinrich Wolff von der Universität Bayreuth begrüßt die Regelungen grundsätzlich. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, "dass das Gesamtwerk an der ein oder anderen Stelle an die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen geht", gibt er in seiner Stellungnahme zu bedenken. Nicht völlig zu überblicken sei etwa die Frage, ob die Ausgestaltung der Offenlegungspflichten nicht dazu führen kann, dass Dritte betroffen sind. Wolff fordert zudem, die Zulässigkeit der Honorierung von Vorträgen außerhalb parlamentarischer Tätigkeit ausdrücklich in das Gesetz aufzunehmen oder die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung zu regeln.

Ann-Katrin Kaufhold von der Uni München hält das Verbot einer bezahlten Vortragstätigkeit für verfassungskonform. Es werde schließlich nicht die Vortragstätigkeit als solche untersagt, "sondern lediglich das Vortragen gegen Bezahlung".

Philipp Austermann von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung ist der Ansicht, dass die Veröffentlichung von Nebeneinkünften "auf Euro und Cent" verfassungswidrig ist. Sie verstoße gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, da sie unverhältnismäßig sei, urteilt Austermann. Auch das bestehende Zehn-Stufen-Modell informiere schließlich in hinreichender Weise über mögliche Abhängigkeiten der Abgeordneten.

Ganz anders sieht das der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz. Die detaillierte Offenlegung der Einkünfte sei "verfassungsrechtlich unbedenklich", befindet er. Transparenzregeln fänden ihre grundsätzliche Rechtfertigung im Vorrang der Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Bundestages gegenüber dem Privatinteresse des Abgeordneten an informationeller Abschirmung seiner Tätigkeiten neben dem Mandat.

Für Michael Kubiciel von der Universität Augsburg knüpfen die Änderungen an Forderungen der beim Europarat angesiedelten Greco-Staatengruppe gegen Korruption an und beachten aus seiner Sicht die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen.

Kontrollinstanz Clara Helming, Vertreterin der Internetplattform abgeordnetenwatch.de, bemängelt das Fehlen einer unabhängigen, überparteilichen Transparenzkommission, die die Richtigkeit der Transparenzangaben sicherstellt und bei Verfahren über Verstöße angehört wird. Damit liege die Zuständigkeit zur Überprüfung und Sanktionierung weiterhin beim Bundestagspräsidenten. Aus ihrer Sicht widerspricht diese Form der Selbstkontrolle aber dem Prinzip der Gewaltenteilung und führt dazu, dass Abgeordnete bei Regelverstößen kaum Konsequenzen fürchten müssten.

Ähnlich lautet die Einschätzung von Transparency Deutschland. Es brauche eine unabhängige, vom Bundestag gewählte Kontrollinstanz. Auf diese Weise könne der Eindruck einer nicht funktionierenden Eigenkontrolle der Parlamentarier vermieden und das Amt des Bundestagspräsidenten vor ungerechtfertigten Vorwürfen bewahrt werden, befindet der Transparency-Vorsitzende Hartmut Bäumer.