Piwik Webtracking Image

umwelt : Das Klima wandelt sich

Debatten über Ausweitung des Naturschutzes und Minderung der Treibhausgase

25.05.2021
2023-08-30T12:39:37.7200Z
4 Min

Die ersten Worte von Klaus-Peter Schulze (CDU) in der Bundestagsdebatte über einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Naturschutz ließen aufhorchen. Er müsse den Antrag als "fachlich fundiert" loben, sagte der Unionsabgeordnete vergangenen Donnerstag - nur um sogleich anzufügen, der Antrag sei leider auch "sehr weit von der Praxis entfernt".

Aus neuen Bündniskonstellationen dürfte also vorerst nichts werden. Dabei verfolgt der Antrag (19/29752) mit dem Titel "Naturschutz ist Klimaschutz - Mit natürlichem Klimaschutz das Arten-Aussterben und die Klimakrise bekämpfen", der nun im Umweltausschuss beraten wird, weitreichende Ziele: Die Bundesregierung soll ein Aktionsprogramm initiieren, das mit jährlich zehn Prozent der Gelder aus dem Energie- und Klimafonds ausgestattet werden und ein Naturschutz- und Renaturierungsprogramm auf den Weg bringen soll.

Dass in der Debatte über den Antrag immer wieder grundsätzliche Aspekte angesprochen wurden, unterstreicht die Bedeutung, die der Klimaschutz in diesen letzten Sitzungswochen der Legislaturperiode bekommen hat. Zurückzuführen ist dies insbesondere auf den Ende April veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutzgesetz von 2019 teilweise stattzugeben. Noch in dieser Wahlperiode wird sich der Bundestag deshalb mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes befassen.

In der Debatte zum Antrag ihrer Fraktion erklärte Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen), dieser verbinde Klima- und Naturschutz und ermögliche damit einen "echten Paradigmenwechsel". Sie betonte, jetzt seien konkrete Lösungen und Maßnahmen nötig, und bezeichnete den Antrag als eine "Einladung an alle demokratischen Fraktionen" des Hauses.

Diese Einladung nahm Carsten Träger (SPD) an, indem er erklärte, die Analyse des Antrags in weiten Teilen mitzutragen. Nicht richtig sei jedoch der Ansatz, alle Probleme mit finanziellen Mitteln lösen zu wollen - besonders dann nicht, wenn durch einen höheren CO2-Preis die ärmeren Bevölkerungsschichten in Bedrängnis gebracht würden. Auch Klaus-Peter Schulze (CDU) wies auf das Problem der Finanzierung hin, zumal der Energie- und Klimafonds noch andere Aufgaben finanzieren müsse. Kritisch seien auch die vorgeschlagenen Zeiträume zu bewerten - Renaturierung brauche nun einmal Zeit.

Noch deutlich ablehnender äußerten sich Vertreter der anderen Fraktionen. Der Antrag sei nicht mehr als ein Thesenpapier oder ein Debattenbeitrag, sagte Lukas Köhler (FDP). Er unterbreite keine Lösungen und sei zudem handwerklich nicht gut gemacht. Auch sei es falsch, dass - wie im Antrag formuliert - die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens bisher gescheitert sei. Für Ralph Lenkert (Die Linke) ist der Antrag nicht konkret genug. Er forderte, den Flächenverbrauch von derzeit 52 Hektar pro Tag auf null zu reduzieren. Denn das Klügste sei "der Schutz der Natur, die wir haben".

Fundamentale Kritik am Antrag übte Karsten Hilse (AfD). Einmal mehr werde der natürliche Prozess des Klimawandels zur Klimakrise umformuliert. Ein statistisches Konstrukt wie das Klima könne man nicht schützen, sehr wohl aber die Natur. Ehrlichen Umwelt- und Naturschutz gebe es jedoch nur mit der AfD. "Bedrückend, ja beängstigend" sei zudem, dass sich die Richter des Bundesverfassungsgerichts mit ihrem jüngsten Beschluss "auf die Seite der grünen Kommunisten geschlagen" hätten.

Dass die AfD-Fraktion mit ihrer Positionierung zum Klimawandel im Bundestag allein auf weiter Flur steht, wurde am Freitag in einer weiteren Grundsatzdebatte deutlich. Dabei ließen alle anderen Fraktionen kein gutes Haar an Anträgen der AfD, die sich für ein grundsätzliches Umsteuern in der Klimapolitik aussprechen. Die Vorlagen, die den Ausstieg aus dem Green Deal der EU (19/22458) und ein Ende der Zahlungen für Klimaschutzmaßnahmen im Ausland (19/22469) fordern, wurden mit den Stimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt. Einen dritten Antrag (19/29697), der sich gegen den vom Weltwirtschaftsforum ausgerufenen "Great Reset" (Großer Neustart) der Weltwirtschaft wendet, überwies das Plenum in den Wirtschaftsausschuss.

Dabei überboten sich die Redner der anderen fünf Fraktionen in ihrer Ablehnung der AfD-Vorschläge. Von "blanker Ahnungslosigkeit" sprach Lukas Köhler (FDP), während Klaus Mindrup (SPD) erklärte, die Anträge seien "von purer Ignoranz" geprägt. Anja Weisgerber (CSU) warf der AfD-Fraktion vor, die Augen vor der Wissenschaft zu verschließen, und Lorenz Gösta Beutin (Die Linke) betonte, im Bundestag dürften "Verschwörungstheorien" keinen Platz haben. Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) schließlich erklärte, es sei nicht die Aufgabe des Bundestags, "Sektenmanifeste zu kommentieren".

Marc Bernhard (AfD) attackierte das Weltwirtschaftsforum für eine Ankündigung, einen Gipfel zum "Great Reset", also zu einem Neustart nach der Corona-Pandemie, durchzuführen. Geradezu verstörend sei es, dass nach den Vorstellungen des Weltwirtschaftsforums künftig alle Produkte zu Dienstleistungen werden sollten, sodass die Menschen nichts mehr besitzen würden. "Es wird ernsthaft die Besitzlosigkeit als etwas Gutes propagiert", kritisierte Bernhard - dabei bedeute Eigentum doch Freiheit und Unabhängigkeit, also die entscheidenden Faktoren für eine lebendige Demokratie.

Dass Klimapolitik neben Grundsatzdebatten auch detaillierte Sacharbeit bedeutet, macht eine weitere Vorlage klar, die der Bundestag verabschiedet hat: Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen nahm er den Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungsquote (19/27435) an. Das Gesetz verfolgt das Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor zu erhöhen. Die Treibhausgasminderungsquote wird nun bis zum Jahr 2030 von heute sechs auf 25 Prozent ansteigen. Damit wird das im ursprünglichen Regierungsentwurf vorgesehene Ziel von 22 Prozent übertroffen. In der Folge bedeutet dies, dass im Jahr 2030 rund 32 Prozent der im Verkehrssektor verbrauchten Energie aus erneuerbaren Quellen stammen werden soll.