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UMWELT : Neue Ziele für das Klima

Bundestag debattiert über die verschärften Pläne zur CO2-Einsparung

14.06.2021
2023-08-30T12:39:38.7200Z
4 Min

Bis zum Jahr 2045 soll Deutschland klimaneutral werden - fünf Jahre früher als geplant. Das ist das neue Ziel, der Bundesregierung, überraschend schnell angepasst, nachdem das Bundesverfassungsgericht Ende April zum Handeln aufgefordert hatte. Das bisherige Klimaschutzgesetz verschiebe hohe Lasten auf die Zeit nach 2030, so das Urteil, weshalb nach 2030 drastische Einschränkungen der Freiheit drohten. Aber handelt die Bundesregierung mit ihrem geänderten Klimaschutzgesetz (19/30230) tatsächlich? Das Gesetz setzt zwar ehrgeizigere CO2-Einsparziele - der Weg dahin ist aber völlig offen.

Um diese Problematik drehte sich die Debatte vergangene Woche im Bundestag, als die Abgeordneten die Novelle in erster Lesung behandelten. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte, es gelte nun, die Vorgaben des obersten deutschen Gerichts für mehr Klimaschutz und mehr Generationengerechtigkeit umzusetzen. Der Gesetzentwurf sieht deshalb eine deutliche Verschärfung der Klimaschutzziele vor. Bis zum Jahr 2030 soll der Ausstoß von Treibhausgasen um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 sinken; bisher wurde eine Reduktion um 55 Prozent angestrebt. Bis 2040 soll die Verringerung 88 Prozent betragen, und im Jahr 2045 soll Deutschland klimaneutral sein.

Auf dem Weg zu diesem Ziel legt der Gesetzentwurf für die einzelnen Sektoren wie Energiewirtschaft, Industrie und Gebäude bis zum Jahr 2030 detailliert fest, wie hoch ihre jährlichen Emissionen sein dürfen. Für die Jahre 2031 bis 2040 definiert er zunächst lediglich allgemeine jährliche Minderungsziele; die Aufteilung soll erst 2024 entschieden werden.

Unbeantwortet Im Gesetzentwurf nicht enthalten sind allerdings konkrete Maßnahmen, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen. Solar-Dach-Pflichten? Ein früherer Ausstieg aus der Kohle? Höhere Spritpreise? Diese Frage werde in den kommenden Wochen und Monaten "das Top-Thema" sein, prophezeite Umweltministerin Schulze im Bundestag. Tatsächlich ist der Streit darüber längst entbrannt. So wiederholte Schulze die bisher am Widerstand des Koalitionspartners gescheiterte Forderung, den CO2-Preis für Heizwärme "zumindest hälftig" zwischen Vermietern und Mietern aufzuteilen - schließlich entschieden die Vermieter und nicht die Mieter darüber, welche Heizung im Keller stehe.

Dass die Koalition zwar höhere Ziele beim Klimaschutz beschließe, aber offen lasse, wie die zur Erreichung dieser Ziele nötigen Maßnahmen aussähen, kritisierte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Er griff die Kanzlerkandidaten von Union und SPD an: Sie zögen bei der Diskussion um einen höheren Benzinpreis gegen eine ambitionierte Klimaschutzpolitik zu Felde, die sie vor zwei Wochen noch selbst gefordert hätten.

Die soziale Frage stellte Dietmar Bartsch (Die Linke). Union und SPD hätten viel zu lange die Augen vor dem Klimawandel verschlossen, kritisierte er. Jetzt sei die Klimapolitik zum Schnellschuss geworden und in ihren Folgen "vielfach unsozial". Die Koalition betreibe Klimapolitik auf Kosten von Familien und Pendlern, während sie die großen Klimasünder nicht in die Pflicht nehme. "An den Strukturen ändern Sie so gut wie nichts. Dafür greifen Sie den Bürgerinnen und Bürgern ins Portemonnaie", kritisierte Bartsch.

Anders als vom Bundesverfassungsgericht gefordert zeige der Gesetzentwurf gerade keinen Pfad zur Klimaneutralität auf, bemängelte Lukas Köhler von der FDP-Fraktion. Die Koalition habe lediglich ein paar Zahlen aufgeschrieben, wobei die CO2-Minderungsziele für die 2030er Jahren wirkten, als hätte jemand die Zahlen durch Würfeln ermittelt. Die Politik könne heute noch gar nicht wissen, welche Technologien in 15 Jahren eingesetzt würden, gab der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion zu bedenken.

Grundlegende Kritik am Gesetzentwurf übte Karsten Hilse (AfD). Das Bundesverfassungsgericht habe "für unser Volk extrem schädliche Vorgaben" gemacht. Mit der geplanten Senkung der Emissionen fahre die Bundesregierung "so gut wie alle Wirtschaftszweige wissentlich und vorsätzlich in den Keller". Kein anderes Land, das Wohlstand für sein Volk erlange wolle, werde "diesem Pfad ins Elend folgen", erklärte Hilse.

Anja Weisgerber (CSU) betonte, auch ihre Fraktion sei für eine ambitionierte Weiterentwicklung des Klimaschutzgesetzes. "Ich würde mich freuen, wenn Sie in der Öffentlichkeit nicht immer anderes behaupten würden", sagte Weisgerber an die Adresse von Umweltministerin Schulze gewandt. Diese hatte zuvor darauf hingewiesen, dass die SPD schon vor mehr als zehn Jahren ein Klimaschutzgesetz gefordert habe. Unionsvertreterin Weisgerber ihrerseits plädierte für eine "Klimaschutzpolitik mit Augenmaß" und eine "moderate" CO2-Bepreisung, die mit einer finanziellen Entlastung der Bürger durch einen niedrigeren Strompreis einhergehen müsse.

Am Ende ist die Diskussion um die Klimaziele damit nicht. Der Gesetzentwurf wird nun im Umweltausschuss behandelt, ehe das Bundestagsplenum wohl in der letzten Sitzungswoche Ende Juni darüber entscheiden wird. Bis dahin will das Kabinett ein Klimaschutz-Sofortprogramm vorlegen, in dem konkrete Vorhaben zur Reduktion der Treibhausgasemissionen stehen. Dessen Umsetzung wird das Kabinett voraussichtlich nicht mehr verantworten müssen - diese Aufgabe obliegt der nächsten Bundesregierung.