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Parlamentarisches Profil : Das Küstenkind: Hagen Reinhold

09.08.2021
2023-08-30T12:39:40.7200Z
3 Min

H agen Reinhold irritiert etwas: "Die politischen Reibungsflächen in Deutschland verlaufen zunehmend zwischen städtischen Ballungsräumen und ländlichen Regionen", sagt der FDP-Abgeordnete aus dem Wahlkreis Rostock - Landkreis Rostock II. "Oft haben Städter keine Ahnung, wie es im ländlichen Raum aussieht." Die Idee etwa, Parken für SUV-Fahrer zu verteuern, sei typisch städtisch, interessiere aber auf dem Land nicht. Da gibt es keine Parkprobleme. Es ist Sonntag, Reinhold ruft nach dem Mittagessen an, Salat mit Carpaccio vom Rind, eine Verschnaufpause im Wahlkampf; Reinhold tritt bei der Bundestagswahl wieder auf Platz Eins der FDP-Landesliste an. Dafür fährt der in Wismar geborene 43-Jährige in einem zum Büro umgebauten Sprinter durchs weitläufige Land. "Ich rede immer mit den Menschen, kann gar nicht sagen, wann der Wahlkampf begann."

Reinhold ist ein nahbarer Politiker. Im Gespräch landet er rasch beim "wenn du...". Sein Wahlkreisbüro, dessen Räumlichkeiten er nicht komplett ausgelastet sieht, stellt er bei Bedarf zur Verfügung, die Grünen seien mal vorbeigekommen oder junge Startup-Gründer. Zu dem Beispiel mit den Parkplätzen für SUV sagt er: "Wir haben auf dem Land eine völlig andere Art des Verkehrs." Zum Beispiel auch, dass während der 40 Kilometer langen Fahrt zwischen Wismar und Schwerin der Handyempfang mindestens viermal zusammenbreche. "Ein funktionierendes Mobilfunknetz wurde über Jahre verschlafen", sagt er. Dabei sei die digitale Grundausstattung ein "Must-Have": "Ich brauche kein Finanzamt um die Ecke, wenn ich alles digital regeln kann." Gerichte müssten auch nicht nah am Wohnhaus sein, sondern eher schneller Urteile fällen. "Anders ist es mit allem Blaulicht: Krankenwagen, Feuerwehr und Polizei darf keinen Rückzug antreten", fordert er.

Reinhold denkt gern lösungsorientiert. Fragt sich zum Beispiel, warum andere Großstädte mit Schnellbahnen umfangreich den ländlichen Raum anbinden und Berlin nicht. "Die Ballungsräume kriegen doch mehr Druck. Die Mieten steigen, Home Office wird attraktiver - da ist das Leben auf dem Land eine Option, die mehr genutzt werden kann." Daher sehe er auch im Aufgeben dünn besiedelter ländlicher Regionen kaum einen Ausweg. "Wer weiß, wie die Bedarfslage in 15 Jahren aussieht? Wenn etwa 3D-Druck immer mehr Aufgaben im Alltag übernimmt, es wieder einen Trend hin zu Dörfern gibt?" Schließlich sei es immer teurer, neue Immobilien zu bauen als alte zu erhalten - oder neue Straßen zu legen statt bestehende zu pflegen.

Reinhold weiß, wovon er spricht. Er lernte nach der Mittleren Reife Maurer und Betonbauer, wurde Meister und stieg in den 1990er Jahren in die Baufirma seines Vaters ein. "Die wollte er schon in der DDR gründen, aber das durfte er nicht", erinnert sich Reinhold. "Er galt als zu unbequem." Er komme nicht aus einem sehr politischen Haushalt, sagt er. Aber der freiheitliche Gedanke, der ihn dann zur FDP geführt habe, sei stark ausgeprägt gewesen.

"Am Anfang meines politischen Engagements standen Kommunalfragen wie: Warum ändert das keiner? Wer kümmert sich darum?", sagt er. Mit 24 Jahren wurde er FDP-Mitglied. Keine vier Jahre später wurde er zum Landessekretär in Mecklenburg-Vorpommern gewählt - in einer kleinen Partei in einem kleinen Land. "Die FDP ist von allen Parteien am wenigsten kollektivistisch", sagt er. Parallel zur ehrenamtlichen Parteiarbeit führte er die Firmengeschäfte, engagierte sich in der IHK. 2013 folgte der überraschende Sprung in den Bundestag, als Nachrücker - doch nur für ein paar Monate, im September 2013 schaffte die FDP nicht mehr den Einzug in den Bundestag. 2017 dann die Rückkehr, mit Reinhold als "echtem Küstenkind" an Bord. Dort steht er der Landesgruppe Ost der Fraktion vor, sitzt im Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen. "Das ist alles nur auf Zeit", sagt er. "Es ist gut, dass immer neue Leute reinkommen."