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vereine : »Frisch, fromm, fröhlich, frei«

Die Deutschen sind in zahllosen, zumeist kleinen Vereinigungen organisiert und pflegen dort Traditionen und Bräuche

09.08.2021
2023-08-30T12:39:40.7200Z
3 Min

Traditionen in Deutschland werden vor allem von Vereinen hochgehalten, die zugleich das bürgerschaftliche Engagement in der Gesellschaft wesentlich prägen. Rund 620.000 eingetragene Vereine mit insgesamt über 50 Millionen Mitgliedern gibt es hierzulande, darunter viele kleine mit wenigen Mitgliedern.

Die Vereinsvielfalt ist mindestens so beeindruckend wie die schiere Zahl: Vereine und Verbände befassen sich mit Kultur, Wirtschaft, Technik, Umwelt oder Sport, zu einem großen Teil auch mit Freizeit und Traditionen. Heimatvereine, Schützen- und Karnevalsvereine, Kleingärtner- und Tierzuchtvereine blicken oft auf eine langjährige Geschichte zurück.

Schule der Demokratie Die Vereine tragen laut einer wissenschaftlichen Ausarbeitung des Bundestages "wesentlich zur Bereicherung des kulturellen Lebens bei". Ziel der organisierten Zusammenkünfte ist demnach auch "die Bewahrung von Tradition und Brauchtum". Die Regeln und Pflichten innerhalb der Vereine, die sich in Satzungen spiegeln, werden zudem als wichtige politische und soziale Orientierungspunkte insbesondere für junge Leute angesehen, die in der Gruppe lernen, konkret Verantwortung zu übernehmen sowie Traditionen und Fertigkeiten weiterzutragen. Die Abstimmungsrituale in Vereinen werden daher mitunter als "Schule der Demokratie" gewertet.

Die Eigenständigkeit solcher Vereinigungen war den politischen Machthabern in früheren Zeiten suspekt. Als Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852) 1811 in der Berliner "Hasenheide" mit jungen Männern die erste Turnbewegung gründete, um Patriotismus und Wehrtüchtigkeit zu fördern, war das Erstaunen groß. Der durchschlagende Erfolg der Bewegung und die damit verbundene Angst vor einem Machtanspruch führten 1819 zum Turnverbot, das erst 1842 wieder aufgehoben wurde.

Jahns Turnveranstaltungen dienten sportlichen, religiösen und politischen Zielen. Sein Leitspruch lautete: "frisch, fromm, fröhlich, frei". Heute wird "Turnvater" Jahn wegen seines radikalen Nationalismus und Militarismus auch kritisch gesehen, gilt gleichwohl als Wegbereiter für Sportvereine, die inzwischen das moderne Vereinsleben dominieren. So umfasst der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) rund 90.000 Turn- und Sportvereine mit insgesamt etwa 27 Millionen Mitgliedern und acht Millionen Freiwilligen.

Schon 1848 beschloss die Frankfurter Nationalversammlung als Grundrecht die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, in der Folgezeit wurden Vereine aber immer wieder eingeschränkt, überwacht oder verboten. Heute ist die Versammlungsfreiheit als Basis auch für Vereine in Artikel 8 des Grundgesetzes garantiert.

Nach einer Studie von 2017 (ZiviZ-Survey) ist etwa jeder zweite Bürger in Deutschland in mindestens einem Verein engagiert. Die etwa 133.000 Sportvereine dominieren die Sektoren mit einem Anteil von rund 22 Prozent. Sport-, Freizeit- und Geselligkeitsvereine sind der Untersuchung zufolge auf dem Land fest verankert, in Städten sind vermehrt Stiftungen und gemeinnützige Kapitalgesellschaften zu finden sowie politische und soziale Organisationen. Rund 43 Prozent der Vereine sind in Kleinstädten und kleineren Gemeinden organisiert. Die Vereinslandschaft besteht zu etwa 61 Prozent aus kleinen Gruppen mit maximal 100 Mitgliedern. Wie die ZiviZ-Untersuchung ergeben hat, sind in nahezu allen Vereinen ehrenamtliche Helfer engagiert, insgesamt rund 30 Millionen. Viele Vereine sehen sich als eher homogene kulturelle Gruppe, etwa religiöse Vereinigungen, aber auch Sport- und Freizeitvereine. Die meisten Organisationen halten es der Umfrage zufolge für wichtig, dass ihre Arbeit nicht vom Staat, sondern von der Gesellschaft geleistet und finanziert wird.

Nicht zu unterschätzen ist die wirtschaftliche Bedeutung des Ehrenamtes, wie aus der Expertise des Bundestages hervorgeht. Demnach erwirtschaften ehrenamtliche Mitarbeiter geschätzt mehr als fünf Milliarden Euro pro Jahr. Viele Vereine träten auch als Arbeitgeber für hauptamtliche Mitarbeiter auf und trügen damit zur besseren Arbeitsmarktlage bei. Der Bundesverband der Vereine und des Ehrenamtes (bvve) beziffert den Wert der Leistung des ehrenamtlichen Engagements gar auf rund 40 Milliarden Euro pro Jahr. Verbandschef Hans-Jürgen Schwarz fordert eine bessere Digitalisierung der Vereine. "Das macht den Verein attraktiv und beweglich."