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coronakrise : Delta-Variante lässt Infektionszahlen steigen

Feststellung der epidemischen Lage erneut verlängert. Opposition kritisiert Sonderbefugnisse

30.08.2021
2023-08-30T12:39:40.7200Z
3 Min

Nach einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition hat der Bundestag die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite erneut um maximal drei Monate verlängert. Für den Koalitionsantrag (19/32091) votierten in der vergangene Woche in namentlicher Abstimmung 325 Abgeordnete, 253 waren dagegen, fünf enthielten sich.

In dem Antrag wird auch eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) verlangt. So soll Paragraf 28a IfSG geändert werden, weil aufgrund des Impffortschritts die Sieben-Tage-Inzidenz nicht mehr der zentrale Maßstab zur Beurteilung der epidemischen Lage sei. Künftig sollen sich die Schutzvorkehrungen gegen das Coronavirus vielmehr an der Hospitalisierungsrate ausrichten, also den im Krankenhaus behandelten Corona-Patienten. Erstmals hatte der Bundestag am 25. März 2020 die epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt, die dem Bund besondere Befugnisse gibt, etwa zum Erlass von Rechtsverordnungen und Anordnungen. Der Bundestag muss spätestens drei Monate nach Feststellung der epidemischen Lage deren Fortbestehen feststellen, ansonsten gilt die Lage als aufgehoben.

Impferfolge In der Debatte machte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) deutlich, dass die Coronakrise trotz der fortgeschrittenen Impfungen und der umfangreichen Tests noch nicht überstanden sei. Spahn sagte, es sei eine persönliche, freie Entscheidung, sich impfen zu lassen. Jedoch habe die Entscheidung Auswirkungen auf andere Menschen, etwa Kinder unter zwölf Jahren, die sich derzeit nicht impfen lassen könnten. Die hochansteckende Delta-Variante werde voraussichtlich dazu führen, dass sich jeder, der nicht geimpft sei, infiziere. Um Rechtssicherheit zu haben, sei eine Verlängerung der Feststellung der epidemischen Lage nötig.

Auch Bärbel Bas (SPD) ging auf den auf den Impffortschritt ein, dem es zu verdanken sei, "dass wir mehr Freiheiten zurückgewonnen haben". Es gehe jetzt darum, die Impfkampagne weiter voranzutreiben. Die Delta-Variante zeige, wie schnell sich die Infektionszahlen verdoppeln könnten, auch unter Kindern. Bas erinnerte daran, dass es für Kinder unter zwölf Jahren noch keinen zugelassenen Corona-Impfstoff gibt. Die Verlängerung der epidemischen Lage sei notwendig, weil der Impffortschritt noch nicht groß genug sei.

Alexander Dobrindt (CSU) sagte, es sei "ein großer Segen, dass es gelungen ist, Impfstoffe in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen" und fügte hinzu: "Wir wollen jetzt wieder mehr Normalität erreichen." Dabei gehe es um eine Balance zwischen Sicherheit und Eigenverantwortung. Das Infektionsgeschehen sei nach wie vor dynamisch, daher werde eine Verlängerung der epidemischen Lage gebraucht, "um das Risiko zu beherrschen".

Heftige Gegenwehr Von der Opposition kam harte Kritik am Krisenmanagement der Bundesregierung, der es an stringenten Konzepten mangele sowie an Tatkraft. Tino Chrupalla (AfD) stellte die Aussagekraft der seit Wochen wieder kontinuierlich steigenden Inzidenzzahlen infrage und wertete die neue Hospitalisierungs-Inzidenz als "ersten Schritt in Richtung Vernunft". Die Impfentscheidung müsse individuell bleiben, eine Impfpflicht sei abzulehnen. Er forderte die Bundesregierung dazu auf, deeskalierend zu wirken und Mut und Zuversicht zu verbreiten. Eine Verlängerung der epidemischen Lage lehne die AfD ab.

Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) rügte, die Verlängerung der epidemischen Lage sei verbunden mit der Fortführung der "automatischen und undifferenzierten Grundrechtseingriffe". Pauschale Eingriffe in die Bürgerrechte seien nicht zu rechtfertigen. Die Voraussetzung für die Feststellung der epidemischen Lage sei nicht gegeben, weil eine Überlastung des Gesundheitswesens nicht zu erwarten sei.

Jan Korte (Linke) wertete den Antrag der Koalitionsfraktionen als "Beweis für das Scheitern der Politik der Bundesregierung", die auch den zweiten Pandemie-Sommer "vollständig verpennt" habe. Statt Vorsorge zu treffen für die Ferien- und Reisezeit sowie die nach den Sommerferien beginnende Schule, wolle die Regierung mehr Kompetenzen an sich ziehen und sorge damit für eine Schwächung und Aushebelung des Parlaments, das sei unfassbar.

Auch Manuela Rottmann (Grüne) argumentierte, es sei höchst problematisch, Sonderrechte zu vergeben. Die Bundesregierung sei auch nicht in der Lage, von den Sonderrechten verantwortlich Gebrauch zu machen. Sie wertete die Krisenpolitik der Regierung als "chaotisch und ineffizient" und rügte: "Sie enttäuschen das Vertrauen und werden ihrer Verantwortung nicht gerecht."