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BND-Novelle : »Die wichtigste und zentrale Kontrolle«

Stärkung der parlamentarischen Aufsicht über die Nachrichtendienste angemahnt

01.02.2021
2023-11-13T09:51:14.3600Z
3 Min

"Die Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte (...) ist nicht auf das deutsche Staatsgebiet begrenzt." Dieser Leitsatz steht über der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Mai 2020 (1 BvR 2835/17), dass die Überwachung der Telekommunikation von Ausländern im Ausland durch den Bundesnachrichtendienst (BND) an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden ist und nach der Ausgestaltung der Ermächtigungsgrundlagen gegen das Telekommunikationsgeheimnis und die Pressefreiheit verstößt. Mit dem Urteil erklärten die Richter mehrere Paragrafen des Gesetzes über den deutschen Auslandsnachrichtendienst für nicht vereinbar mit den Grundgesetz-Artikeln 5 und 10 und setzten dem Gesetzgeber eine Frist für eine verfassungskonforme Neuregelung bis Ende 2021.

Am Freitag debattierte der Bundestag in erster Lesung über den Regierungsentwurf einer "grundlegenden Novelle" des BND-Gesetzes (19/26103) zur Umsetzung der Karlsruher Vorgaben. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) betonte dabei, dass das Verfassungsgericht in seinem Urteil auch ein "überwiegendes öffentliches Interesse an einer wirksamen Auslandsaufklärung" festgestellt habe. Mit der Novelle würden der sogenannten Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND enge Grenzen gesetzt. Auch würden "Vertraulichkeitsbeziehungen von Berufsgeheimnisträgern" wie etwa Journalisten besser geschützt. Vor allem aber bleibe das zentrale Gremium für die Kontrolle des BND das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages. Es solle durch einen "Unabhängigen Kontrollrat" ergänzt werden, der die Rechtskontrolle der technischen Aufklärung des BND unterstütze. Man wolle einen modernen Nachrichtendienst, der seine Aufgabe effektiv erfüllt und dafür eine klare rechtliche Grundlage und eine wirksame Kontrolle hat.

Christian Wirth (AfD) nannte die Folgen des Karlsruher Urteils und des Gesetzentwurfes "katastrophal". Damit werde Auslandsaufklärung, sofern es um Telekommunikation geht, "effektiv unmöglich". Alle Erkenntnisse, die zeitnah gewonnen werden müssten, würden durch Kontrollgremien verschleppt, und die internationale Kooperation etwa bei der Terrorismusbekämpfung werde unmöglich.

Stephan Thomae (FDP) hielt der Bundesregierung vor, die Kontrolle der Nachrichtendienste nicht grundsätzlich neu zu ordnen. Deren Zersplitterung bleibe erhalten, während die Regierung die Gelegenheit versäume, die parlamentarische Kontrolle zu stärken.

André Hahn (Linke) warnte, dass auch die vorgelegte Novelle in Karlsruhe landen werde. Mit ihr werde dem BND im Rahmen der Auslands-Fernmeldeaufklärung "all das erlaubt, was er bisher ohne Rechtsgrundlage oder im Graubereich bereits getan hat". Auch werde durch die Schaffung des Kontrollrates, dessen Mitglieder sich die Regierung selbst aussuchen wolle, die ohnehin zersplitterte Geheimdienstkontrolle weiter fragmentiert.

Konstantin von Notz (Grüne) betonte, das Zentrum der Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit sei und bleibe das Parlament. Mit einem Kontrollrat, der sich weitgehend losgelöst vom Parlament konstituiere, werde dieses geschwächt. Notwendig sei eine Vernetzung aller Kontrollebenen, "bei der das PKGr gestärkt im Mittelpunkt steht".

Thomas Hitschler (SPD) unterstrich, man werde im parlamentarischen Verfahren prüfen, ob bei dem Gesetzentwurf nachgebessert werden müsse. Dies gelte insbesondere für die neue Kontrollinstanz und deren Zusammensetzung. Die parlamentarische Kontrolle müsse "die wichtigste und zentrale Kontrolle" der Dienste bleiben.

Auch Roderich Kiesewetter (CDU) mahnte den Vorrang parlamentarischer Kontrolle an. So müsse die Zusammensetzung des Kontrollrates "zumindest mitbestimmt werden aus dem Parlament". Auch müsse das Parlament Einfluss nehmen auf Verfahrens- und Geschäftsordnung des Kontrollrates. Auch dies sei die Aufgabe des PKGr.

Neben dem Gesetzentwurf überwies das Parlament auch einen Antrag der Grünen (19/26221) zur weiteren Beratung an die Ausschüsse, der ebenfalls auf eine Stärkung der parlamentarischen Kontrolle durch das PKGr abzielt.