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Corona-Pandemie : Reform mit Risiko

Die Länder bereiten Impfpflicht in Gesundheitseinrichtungen vor. Die Einführung soll schrittweise erfolgen.

07.03.2022
2024-03-14T11:35:23.3600Z
3 Min
Foto: picture-alliance/dpa/Bernd Weißbrod

Mit der Impfpflicht in Pflegeheimen und Krankenhäusern sollen die besonders gefährdeten Menschen vor dem Coronavirus systematisch geschützt werden.

Kurz vor Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht arbeiten die Länder an konkreten Lösungswegen für die praktische Umsetzung. Berlin und Bayern etwa zeigten sich vergangene Woche zuversichtlich, was den Vollzug ab Mitte März angeht. Insbesondere aus Bayern hatte es heftige Kritik am Bund gegeben, der die Umsetzung nicht eindeutig geregelt und viele Fragen offen gelassen habe.

Nach einer kontroversen Debatte hatte der Bundestag im Dezember 2021 den Gesetzentwurf (20/250) von SPD, Grünen und FDP zur Stärkung der Impfprävention beschlossen. In bestimmten Einrichtungen muss das Personal künftig geimpft oder genesen sein oder ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen einer Kontraindikation gegen eine Covid-19-Impfung vorweisen. Die Neuregelung gilt unter anderem für Krankenhäuser, Pflegeheime oder Arztpraxen.

Vorlage von Nachweisen

Für bestehende Tätigkeiten ist die Vorlagepflicht bis zum 15. März 2022 zu erfüllen. Neue Arbeitsverhältnisse können ab dem 16. März 2022 in diesen Einrichtungen nur bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises eingegangen werden. Bei Zweifeln an der Echtheit des Nachweises kann das Gesundheitsamt Ermittlungen einleiten und einer Person, die keinen Nachweis vorlegt, die Tätigkeit in einer solchen Einrichtung oder einem Unternehmen untersagen.

Die AfD-Fraktion lehnt die sektorale Impfpflicht ab und begründet das in einem Antrag (20/699) auch mit dem drohenden Fachkräftemangel. Mit der Neuregelung könne es zu einer verstärkten Abwanderung qualifizierter Pflegekräfte kommen. Fachverbände wie der Deutsche Pflegerat warnen auch unabhängig von der Impfpflicht vor einem wachsenden Fachkräftemangel in der Pflege (siehe Interview unten).

Stufenregelung angekündigt

Nach Aussage des bayerischen Gesundheitsministers Klaus Holetschek (CSU) soll die sektorale Impfpflicht schrittweise umgesetzt werden. Bayern wolle eine pragmatische Umsetzung "mit Augenmaß". So sind Betretungsverbote für Beschäftigte, die sich nicht impfen lassen wollen, erst ab dem Sommer vorgesehen. Zwar habe das Bundesgesundheitsministerium (BMG) seine "Handreichung" mehrfach überarbeitet. Mehrere Fragen seien aber weiter offen. Bayern wolle diese Lücken nun selbst füllen.

Beratung für Betroffene

So wird die Impfpflicht in einem gestuften Verfahren umgesetzt. Die Gesundheitsämter sollen den Betroffenen eine Impfberatung anbieten und die Chance geben, ihre Entscheidung zu überdenken. Möglichst viele Ungeimpfte sollen überzeugt werden. Nur in letzter Konsequenz soll dann ein Betretungsverbot ausgesprochen werden unter Berücksichtigung der Versorgungssicherheit.

Auch die Berliner Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) kündigte laut RBB eine stufenweise Umsetzung der sektoralen Impfpflicht an. Mit Bußgeldverfahren oder Betretungsverboten für Ungeimpfte ist demnach vorerst nicht zu rechnen. Die Versorgungssicherheit soll auf keinen Fall gefährdet werden.

Neuer Impfstoff

Zur neuerlichen Belebung der Corona-Impfkampagne soll der neue, konventionelle Impfstoff von Novavax beitragen, der unter Impfskeptikern offenbar eher akzeptiert wird als die mRNA-Impfstoffe. Nach Angaben des BMG erhält Deutschland in diesem Jahr bis zu 34 Millionen Impfstoffdosen der US-Pharmafirma Novavax.

Deren Covid-19-Impfstoff Nuvaxovid wurde nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) im Dezember 2021 in Europa zugelassen und steht nun zur Verfügung. Es handele sich um den ersten proteinbasierten Covid-19-Impfstoff, der in Europa zum Einsatz komme. Der Totimpfstoff enthält ein modifiziertes Spike-Protein des Coronavirus und einen Wirkverstärker. Für eine Grundimmunisierung sind zwei Impfungen erforderlich. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt den Impfstoff für Personen ab 18 Jahren.

Schrittweise Lockerungen

Unterdessen gehen Virologen davon aus, dass die Omikron-Welle kontrollierbar ist. Die Gesundheitsministerkonferenz (MPK) hatte sich Mitte Februar auf schrittweise Lockerungen verständigt. Demnach gilt seit Freitag in der Gastronomie und bei Übernachtungen die 3G-Regel (geimpft, genesen oder getestet). Seit Donnerstag werden laut BMG außerdem Länder, in denen die Omikron-Variante vorherrscht, als Hochrisikogebiete gestrichen. Mit Inkrafttreten der "Dritten Änderungsverordnung der Coronavirus-Einreiseverordnung" gelten demnach keine Staaten oder Regionen mehr als Hochrisikogebiete, zuvor waren es nach einer Liste des Robert-Koch-Instituts (RKI) 62. Die Neuregelung erleichtert Einreisen.

In einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses in der vergangenen Woche äußerte sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verhalten über den weiteren Verlauf der Pandemie. Die Neuinfektionen gingen langsamer zurück, als sie sich in der Omikron-Welle aufgebaut hätten. Die Impflücke müsse geschlossen werden. Es sei inakzeptabel, 200 Corona-Tote pro Tag hinzunehmen. Nach Angaben des Ministers deutet sich an, dass auch der Novavax-Impfstoff die Impflücke nicht schließen kann. Er warb daher erneut für die allgemeine Impfpflicht.

Lauterbach ging auch auf die in Großbritannien registrierte sogenannte Deltakron-Variante ein, eine Kombination aus den Mutanten Delta und Omikron. Dies belege, dass es rekombinierte Coronaviren gebe. Mit weiteren Rekombinationsvarianten sei zu rechnen. Welche Auswirkungen das auf den kommenden Herbst habe, sei noch unklar.