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Erfolgsmodell Duale Berufsausbildung : Erfolgreiche Kombination

Das Duale System ist ein Erfolg. Dennoch gibt es aktuell Probleme am Ausbildungsmarkt: Sorgen bereitet vor allem der weitere Rückgang auf der Nachfrageseite.

28.03.2022
2024-03-14T09:08:26.3600Z
4 Min

Die duale Berufsausbildung ist ein international anerkanntes Erfolgsmodell. In dieser Einschätzung sind sich Politik, Gewerkschaften und Arbeitgeber einig. Die Kombination von beruflicher und schulischer Ausbildung sorgt dafür, dass die praktischen Berufskenntnisse in den Betrieben erlernt werden, die theoretischen in der Berufsschule. Seit 1969 wird die Berufsausbildung in Deutschland durch das Berufsbildungsgesetz (BBiG) geregelt. Darin sind die Rahmenbedingungen festgelegt. Durch das Gesetz wird auch garantiert, dass die Ausbildungen zu staatlich anerkannten Abschlüssen führen und nach verbindlichen Ausbildungsordnungen durchgeführt werden.

Pandemie hatte Ausbildungsmarkt 2021 im Griff

Schweißer-Lehrlinge in einem Ausbildungszentrum in Siegburg.   Foto: picture-alliance/SZ Photo/Rainer Unkel

473.100 junge Leute haben 2021 nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) einen Ausbildungsvertrag unterschrieben. Im Jahr 2019, vor Corona, waren es 513.300 Neuverträge. Am begehrtesten bei Frauen war 2021 laut BIBB die Ausbildung zur "Medizinischen Fachangestellten". Bei den Männern liegt der "Kraftfahrzeugmechatroniker" an der Spitze.

Bei allem Lob für die duale Berufsausbildung, gibt es zusehends Probleme auf dem Ausbildungsmarkt. Probleme, die nicht nur mit der Corona-Pandemie zu tun haben. Diese habe zwar den Ausbildungsmarkt auch 2021 "fest im Griff" gehabt, wie BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser urteilt. Große Sorge bereitet ihm aber der weitere Rückgang auf der Nachfrageseite. "Das ist ein eindeutiger Beleg dafür, dass das Interesse der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an der dualen Berufsausbildung weiter nachlässt." Angaben der Bundesagentur für Arbeit bestätigen diesen Befund. Seit 2017 liegt die Zahl der Ausbildungsplätze über der der Interessenten an einer Ausbildung. Warum ist das so?

DIHK: Run auf das Studium ein Hauptgrund

Für Nico Schönefeldt, Leiter des Bereichs Ausbildung beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) gehört, neben der sinkenden Zahl der Schulabgänger, der "weit verbreitete Run auf das Studium" zu den Hauptgründen. Um mit den "Vorurteilen in den Köpfen vieler Schüler und Eltern aufzuräumen", brauche es mehr Berufsorientierung an den Schulen, um die duale Ausbildung als interessante Alternative zum Studium darzustellen, sagt er.

In die gleiche Kerbe schlägt Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Ihm mangelt es in der Gesellschaft an Respekt für berufspraktische Ausbildung und Arbeit. "Wir brauchen Akademiker ebenso wie beruflich qualifizierte Fachkräfte - aber in einer vernünftigen Balance", sagt er. In den vergangenen Jahrzehnten sei da etwas in die Schieflage geraten, "weil nur die akademische Bildung gehypt wurde".

FDP: Gezieltes Werben für Ausbildungsberufe am Gymnasium

Ria Schröder, Bildungsexpertin der FDP, stimmt dem zu. Es müsse Schluss sein mit der Erwartung, "dass ein Abitur automatisch an die Uni führt". Gerade an Gymnasium sollte ihrer Ansicht nach gezielt für Ausbildungsberufe geworben werden. "Die Berufsorientierung sowie die Jugendberufsagenturen müssen flächendeckend ausgebaut werden", verlangt Schröder.

Nicole Höchst (AfD) sieht das ähnlich, nimmt aber auch die Kammern in die Pflicht. Abiturienten müssten verstärkt berufliche Perspektiven und Aufstiegschancen durch die jeweiligen Handwerkskammern angeboten werden, so dass eine Ausbildung einem Studium vorgezogen wird, sagt sie. Dazu müssten auch die Verdienstmöglichkeiten angepasst werden.

Duale Berufsausbildung

Gesetzt: Seit 1969 wird die Berufsausbildung in Deutschland durch das Berufsbildungsgesetz (BBiG) geregelt. Eine Mindestausbildungsvergütung, den sogenannten Azubi-Mindestlohn, gibt es seit Anfang 2020. Er liegt in diesem Jahr bei 585 Euro/Monat.

Ausbildungsverträge: Die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge 2021 ist gegenüber dem Jahr 2020 um 1,2 Prozent auf 473.100 Verträge gestiegen (2019: 525.000 Verträge).

Passungsprobleme: Zu Beginn des aktuellen Ausbildungsjahrs waren 63.200 Ausbildungsstellen unbesetzt. Zeitgleich waren 24.600 Bewerberinnen und Bewerber noch unversorgt.



Mit der Mindestauszubildendenvergütung seien hier bereits erste Schritte unternommen worden, findet Jessica Rosenthal (SPD). Zur Attraktivität der Ausbildung gehören aus ihrer Sicht auch eine gute Anbindung des Arbeitsortes, eine zeitgemäße digitale Infrastruktur, ein kostenloser ÖNPV und bezahlbarer Wohnraum.

Ausbau der Jugendberufsagenturen angestrebt

Auf politischer Ebene, so schätzt Unions-Bildungsexperte Stephan Albani ein, sei in der letzten Legislaturperiode durchaus einiges getan worden, um die Gleichwertigkeit der dualen und akademischen Bildung zu stärken. Albani führt unter anderem die BBIG-Novelle und die Ergänzung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes an.

Für die Ampelkoalition kündigt Anja Reinalter (Grüne) an, die Berufsorientierung und die Jugendberufsagenturen weiter auszubauen und eine Ausbildungsgarantie sicherzustellen. Nicole Gohlke (Linke) spricht sich für eine Umlagefinanzierung aus, die alle Betriebe für die Ausbildung junger Menschen in die Pflicht nimmt.

DGB: Umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie nötig

Forderungen, die Kristof Becker, DGB-Bundesjugendsekretär, teilt. Eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie wird aus seiner Sicht benötigt, "um allen jungen Menschen eine Perspektive zu bieten, die Zahl der Ausbildungsplätze zu steigern und die Betriebe zurück in die Verantwortung zu holen".

Becker findet es paradox, dass es auf der einen Seite eine konstant hohe Zahl an Bewerbern gibt, die keinen Ausbildungsplatz finden. Auf der anderen Seite steht der höchste Wert an unbesetzten Ausbildungsstellen seit 1994. Der DGB-Bundesjugendsekretär schiebt den Unternehmen den Schwarzen Peter zu. Diese betrieben vielfach Bestenauslese und stellten lieber niemanden ein, anstatt auch Hauptschülern eine Chance zu geben.

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Das sieht die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) anders. Sie hält auch eine solche Ausbildungsplatzgarantie angesichts des Überhangs an Ausbildungsplätzen für unnötig. BDA-Präsident Rainer Dulger verlangt stattdessen, alles daranzusetzen, "das Matching von Angebot und Nachfrage voranzubringen". Eine praxisorientierte Berufsorientierung sei dafür ein Muss.