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Foto: Ulrich Steudel
Céphas Bansah in seiner Werkstatt in Ludwigshafen. Hier repariert der 73-Jährige nicht nur Autos, sondern regiert auch per Telefon sein Volk in Ghana.

Majestät im Blaumann : In Deutschland KfZ-Mechaniker, in Ghana König

Céphas Bansah repariert in seiner Ludwigshafener Werkstatt Autos - und ist außerdem König des Stammes der Ewe in Westafrika.

03.01.2022
2024-03-05T16:52:18.3600Z
6 Min

Wer den König in Deutschland besucht, findet keinen Palast. Im Gegenteil. Im Gewerbegebiet von Ludwigshafen-Mundenheim reihen sich Kleinbetriebe und schlichte, zweigeschossige Gebäude aneinander. Nur die goldenen Zeichen auf einem schwarzen Tor und die geschnitzten Holzsäulen am Hauseingang daneben deuten auf den hochwohlgeborenen Bewohner hin. Der Monarch empfängt im blauen Overall, an den Händen klebt Bremsflüssigkeit. Gerade hat Togbui Ngoryifia Céphas Kosi Bansah, so sein vollständiger Name, in seiner Werkstatt Bremsschläuche gewechselt und Zylinderköpfe überholt. Nun macht der König Kaffee in der Küche.

Pendeln zwischen zwei Welten

Es sind zwei Welten, zwischen denen Céphas Bansah seit über 50 Jahren pendelt. In der einen führt er eine Autowerkstatt, in der anderen ein ganzes Volk: In Deutschland ist der 73-jährige Kfz- und Landmaschinenmeister, in Ghana König der Ewe. Rund drei Millionen Angehörige des Volksstamms leben verteilt in dem westafrikanischen Land sowie in Togo, Benin und Nigeria. Etwa 200.000 von ihnen sind in der Volta-Region um Bansahs Heimatstadt Hohoe zuhause. Für sie ist Bansah spiritueller Führer und anerkannte Autorität.


„Ich bin zum Kurpfälzer geworden, aber meine Wurzeln in Ghana verbinden mich für immer mit meinem Volk.“
Céphas Bansah

Deutschland und Ghana: Die beiden Welten spiegeln sich im Wohnzimmer der Familie Bansah. Hier beigefarbene Sitzgarnitur, Couchtisch und Fernseher, dort zwei gewaltige Throne aus schwerem Holz, Felle und ausgestopfte Raubkatzenköpfe. "Ich bin zum Kurpfälzer geworden, aber meine Wurzeln in Ghana verbinden mich für immer mit meinem Volk", sagt Céphas Bansah. 1970 kam er über ein Jugendaustauschprogramm in die Bundesrepublik. Sein Großvater war begeistert von Deutschland und wollte unbedingt, dass einer seiner Enkel dort seine Ausbildung macht.

Überraschend zum Thronfolger ernannt

22 Jahre alt war er, als er am Frankfurter Flughafen zum ersten Mal landete. Dass Deutschland sein Lebensmittelpunkt werden würde, ahnte der junge Ghanaer nicht. Doch er lernte rasch die deutsche Sprache, absolvierte seine Lehre, fand Freunde - und blieb. 1983 gründete er seinen eigenen Kfz-Betrieb, bildete seitdem 14 Lehrlinge aus. Als Boxer brachte es der alterslos und drahtig wirkende Mann bis zum Südwestmeister im Fliegengewicht. Der Tod des Großvaters jedoch veränderte Céphas Bansahs Leben gründlich: Der Ältestenrat der Ewe wählte ihn als Thronfolger. Bansahs Vater kam als Linkshänder nicht in Betracht, da die linke Hand bei den Ewe als unrein gilt. Und auch unter seinen 74 Kindern wurden die Weisen des Stammes lange nicht fündig - bis das Gespräch auf Céphas fiel.

Der Stamm der Ewe

🌊 Die Ewe sind ein eine westafrikanische Ethnie, die heute vor allem entlang der Küste im Osten von Ghana und Togo lebt. Nach Überlieferung kamen Ewe ab dem 17. Jahrhundert aus Benin an der Grenze zu Nigeria.

🐠 Die Lebensgrundlagen bildeten überwiegend Fischfang und Ackerbau. Heute werden hauptsächlich Mais, Cassava und Ölpalmen gepflanzt.

⛪️ Ewe sind überwiegend Christen, glauben aber auch an ihre traditionellen Religionen oder praktizieren Mischformen. Die traditionelle Religion wird zusammenfassend als Voodoo bezeichnet.



Die Krönungszeremonie mit zahlreichen Voodoo-Ritualen sei die schwerste Prüfung seines Lebens gewesen, erinnert sich Bansah. Er watete durch das Blut frisch geschlachteter Schafe, Schamanen schnitten ihm in die Haut und rieben Kräuter in die offenen Wunden. Das schmerzt, soll den König aber stark, selbstbewusst und angstfrei machen. Seit 1992 ist Bansah König von Hohoe Gbi Traditional Ghana. Ein Amt, das dem Träger im demokratischen Ghana zwar keine Macht, aber hohes Ansehen beschert. Von der Regierung toleriert, gelten Stammeskönige als Stabilitätsanker in dem Vielvölkerstaat. Nicht selten springen sie ein, wenn dieser seine Aufgaben nicht erfüllen kann.

Keine Rückkehr nach Ghana 

Aber schafft das ein König, der gut 6.000 Kilometer entfernt in Ludwigshafen lebt? "Ich wollte nicht zurück, weil ich mir sicher war, von Deutschland aus meinem Volk besser helfen zu können", sagt Bansah. Die Installation des ersten Faxgerätes in Hohoe habe die Zweifler im Ältestenrat schließlich überzeugt. Seitdem ist er König in Teilzeit: Tagsüber repariert er Autos, abends regiert er sein Volk via Smartphone. Er berät seine Landsleute, schlichtet Streit und organisiert ärztliche Hilfe.

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Immer in Bewegung, immer gut gelaunt tourt er zudem als Entertainer durchs Land und wirbt als Schirmherr bei Veranstaltungen um Spenden. Ob Fahrräder, Rollstühle oder Nähmaschinen - regelmäßig verschifft der König Waren per Container, bezuschusst von "Engagement Global", einer Gesellschaft, die im Auftrag der Bundesregierung bürgerliche Entwicklungshilfe unterstützt. Mehrmals im Jahr reisen Bansah und seine Frau Gabriele auch selbst nach Hohoe, um Hilfsprojekte zu koordinieren: So entstanden Brücken, eine Schule mit angegliederter Lehrwerkstatt und ein Frauengefängnis, um die Insassinnen vor Übergriffen männlicher Häftlinge zu schützen.

Besonders wichtig: der Brunnenbau. Verschmutztes Trinkwasser ist bis heute in Ghana verantwortlich für Krankheiten und eine hohe Kindersterblichkeit. Ein Umstand, der den König mehr als bedrücke, sagt Regisseurin Agnes Lisa Wegner. Sie hat 2020 den ZDF-Dokumentarfilm "König Bansah und seine Tochter" gedreht und ihn dafür bis nach Ghana begleitet. "Ich hatte das Gefühl, dass Céphas Bansah selbst darunter leidet, wenn schmutziges Trinkwasser die Ewe krank macht."

Bansahs Name stand auf Liste des NSU

Auf die Deutschen lässt der König nichts kommen. "Wenn es darum geht, anderen Menschen zu helfen, sind sie die Nummer eins in der Welt", schwärmt er. Über Rassismus redet er weniger gern - obwohl er ihn erlebt hat. Erst in Ghana, in Interviews für den Dokumentarfilm, äußerte er sich kritisch. "Scheinbar fiel es ihm mit dem geografischen Abstand leichter, über seine Rassismuserfahrungen zu sprechen", so Regisseurin Wegner. 2012 war Bansah ins Visier des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) geraten: Sein Name stand auf einem halbverkohlten Zettel, den Fahnder in der von Beate Zschäpe in Brand gesetzten Wohnung in Zwickau gefunden hatten. Da half auch kein Voodoo, der König spürte Angst. Doch dieser nachgeben würde Céphas Bansah nie.


Der Autor ist Redakteur der Deutschen Handwerks Zeitung.