Maßnahmen gegen die Folgen der Inflation : Der Staat isst mit
Die Opposition fordert nach den Entlastungspaketen weitere Hilfen gegen Preissteigerungen und betont: der Staat verdient an den gestiegenen Lebensmittelpreisen mit.
Bei der drastischen Beschreibung der Inflations-Nöte gerade von Haushalten mit kleineren Einkommen herrschte Einigkeit im Bundestag: Dramatisch sei die Lage. Ansonsten attackierten sich Koalition und Opposition, als die Abgeordneten am Donnerstag über einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel "Teuerspirale beenden - Bürgerinnen und Bürger schnell und wirksam entlasten" debattierten. Julia Klöckner (CDU) rief nach einer "Bundesregierung, die schlichtweg handelt statt nur Zustände beschreibt oder Stückwerk betreibt". Helle Empörung andererseits bei Michael Schrodi (SPD): Der Ampelkoalition eine Teilschuld an der Inflation zu geben, das sei "Populismus, unanständig, falsch und völlig unangemessen", wetterte er in Richtung Union.

Der Gang in den Supermarkt wird für immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland zu einem teuren Vergnügen.
Dies war freilich nicht der Tenor der Klöckner-Rede. Ihr ging es darum, die Koalition aufzufordern, sofort massive Maßnahmen gegen die Folgen der Inflation zu ergreifen. Wo nach Meinung ihrer Fraktion unverzüglich Handlungsbedarf besteht, wird in dem Antrag aufgelistet. Doch damit konnte sich die Union nicht durchsetzen. Sie allein stimmte dafür, die Linksfraktion enthielt sich, die übrigen Fraktionen votierten dagegen. Später ging es im Bundestag noch um einen Antrag der Linksfraktion, keine Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel zu erheben. Der Antrag wurde an den Finanzausschuss überwiesen, ein Antrag der AfD wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Die AfD hatte vorgeschlagen, die Steuer auf Kraftstoffe, die CO2-Abgabe und die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel befristet aussetzen.
Finanzminister als Inflationsgewinner
Mehrere Oppositionsredner wiesen darauf hin, dass der Staat über die Mehrwertsteuer an den gestiegenen Lebensmittelpreisen mitverdiene. Auch nach Klöckners Darstellung ist der Staat Inflationsgewinner. So zahlten die Bürger durch die kalte Progression in diesem Jahr 13,5 Milliarden Euro zu viel an Lohnsteuer. Doch der Finanzminister wolle auf die heimliche Steuererhöhung erst im nächsten Jahr reagieren. Die Union fordere, den Steuertarif rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres anzupassen, um die Bürger sofort zu entlasten. Wenn es bei einer Inflation von acht Prozent bleibe, sei in knapp zehn Jahren die Hälfte der Kaufkraft verlorengegangen. "Zaudern Sie nicht, sondern handeln sie jetzt", forderte die CDU-Abgeordnete die Koalition auf.
„Bei der Bekämpfung der Inflation müssen die Ursachen angegangen werden, statt zu Taschenspieler-Tricks zu greifen.“
Michael Schrodi (SPD) verwies auf die von der Koalition auf den Weg gebrachten Entlastungspakete mit einem Umfang von 30 Milliarden Euro. Die inflationsbedingten Mehreinnahmen des Staates würden teilweise über diese Pakete zurückgegeben. Für Millionen Deutsche werde sich das Netto-Einkommen von Juli an erhöhen. Dies federe die Preissteigerungen ab. Inflations-Ursachen seien der Ukraine-Krieg und die Störung der Lieferketten durch die Pandemie. Beides liege nicht in der Verantwortung der Koalition.
AfD spricht von "Teuro-Spirale"
Kay Gottschalk (AfD) befand, die galoppierende Inflation sei seit mehr als fünf Jahren ein Thema. Er machte dafür insbesondere die Europäische Zentralbank (EZB) verantwortlich, der es mit ihrer Geldpolitik um die Rettung der Defizitstaaten im Süden der EU gegangen sei. Diese Länder hätten über ihre Verhältnisse gelebt. In sie seien Billionen von Euro an Steuergeldern auch aus Deutschland geflossen, ohne die sie längst pleite wären. Er sprach von einer "Teuro-Spirale", für die auch die Union mitverantwortlich sei. Wer den Ukraine-Krieg als Ursache für die Inflation im Energiesektor anführe, erzähle Lügengeschichten. Tatsächlich gehe es um verfehlte Energiepolitik.

Finanzminister Christian Lindner sieht die geringere Neuverschuldung als Beitrag zur Bekämpfung der Preissteigerungen. Aktuelle Stunde: Neue Strategien gegen Armut sind gefragt
Der Bundestag macht den Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbands zum Thema. Danach liegt die Armutsquote mit 16,6 Prozent auf einem traurigen Höchststand.

Kindergeld und Grundfreibetrag sollen steigen, die Umsatzsteuer auf Gas sinken. Kritik gibt es insbesondere an Plänen zum Abbau der sogenannten kalten Progression.
Andreas Audretsch (Grüne) sah im "Raus aus fossilen Energien" die richtige Antwort auf die steigenden Energiepreise. Damit werde auch die Klimapolitik angegangen. Er lenkte ebenso den Blick auf die Entlastungspakete von 30 Milliarden Euro, die auch die dramatisch steigenden Lebensmittelpreise abfederten. Bei der Bekämpfung der Inflation müssten die Ursachen angegangen werden, statt zu Taschenspieler-Tricks zu greifen. Der russische Präsident Wladimir Putin werde die Energiepreise weiter als Waffe verwenden, so dass die gegenwärtige Krise nicht kurzfristig enden werde. Die Koalition stelle bei ihren Maßnahmen die Menschen, die wirklich Hilfe brauchen, in den Mittelpunkt.
Entscheidung zwischen heizen oder essen
Janine Wissler (Linke) sagte, angesichts der steigenden Preise für Energie und Nahrungsmittel stelle sich für viele die Frage, ob sie Mahlzeiten auslassen müssten oder im Winter noch die Wohnung heizen könnten. Die Entlastungspakete der Koalition seien unzureichend und nicht zielgerichtet. Nötig seien staatliche Preiskontrollen für Strom, Öl und Gas. Finanzminister Christian Lindner (FDP) habe mit dem Tankrabatt vorgeführt, wie es nicht gehe. Es seien Extragewinne in die Kassen der Konzerne geflossen. Auf die skandalöse Umverteilung müsse mit einer Übergewinnsteuer reagiert werden.
„Für die Geldpolitik ist die Europäische Zentralbank verantwortlich. Die Politik kann die Inflationsfolgen nur abfedern.“
Markus Herbrand (FDP) hob hervor, dass für die Geldpolitik die Europäische Zentralbank verantwortlich sei. Die Politik könne die Inflationsfolgen nur abfedern. Dies leiste die Koalition auch mit dauerhaft wirkenden Maßnahmen wie der Anhebung des Grundfreibetrags bei der Steuer und der Abschaffung der EEG-Umlage. Die CDU/CSU-Fraktion bleibe die Antwort darauf schuldig, woher das Geld für ihre vielen kleinteiligen Forderungen kommen solle.