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Editorial : Was immer es kostet

Deutschland steht im Sommer vor einer ungewissen Entwicklung. Dass der Bundestag schnell, entschlossen und kurzfristig reagieren kann, sollte Zuversicht verbreiten.

11.07.2022
2023-11-16T13:52:46.3600Z
2 Min

"Schwimmen Sie nicht zu weit raus", riet der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert den Abgeordneten vor zehn Jahren bei der Verabschiedung in die parlamentarische Sommerpause. Wegen der Euro-Krise wurde damals eine Sondersitzung erwartet. Eine solche zeichnet sich jetzt noch nicht ab, doch Krieg, Inflation, gestörte Lieferketten, Rezessionsgefahr und Energiesicherheit werden die Abgeordneten als Krisen auch in der sitzungsfreien Sommerzeit täglich beschäftigten.

Über allem schwebt die Unsicherheit, ob und wie die Gasversorgung im Winter sichergestellt werden kann. Beruhigen muss diese Lage auch der zuständige Minister Robert Habeck. Der Gasmarkt werde nicht zusammenbrechen, versicherte Habeck in einer Talkshow und fügte ein Zitat von Mario Draghi hinzu, der damit als EZB-Chef in der Euro-Krise 2012 die Finanzmärke beruhigen konnte: "Whatever it takes", was auch immer nötig ist. Am Ende wird es Geld sein, ahnt man mit Blick auf die Schuldenbremse wohl im Finanzministerium.


„Whatever it takes.“
Der ehemalige EZB-Präsident Mario Dragh im Jahr 2012

In einem Kraftakt hat der Bundestag nun nicht nur für den Klimaschutz aufs Tempo beim Ausbau von Ökostrom gedrückt und als kurzfristige Maßnahme zur Sicherung der Gasversorgung den Einsatz von Reserve-Kohlekraftwerken beschlossen. Jede Kilowattstunde Strom, für die kein Gas verbraucht wird, hilft, die Gasspeicher zu füllen. Der Rohstoff ist zu kostbar, wird dringend für die Wärmeerzeugung und industrielle Prozesse benötigt. Atomstrom soll trotzdem nur bis Jahresende die Lage entlasten. Für einen Weiterbetrieb 2023 steht die Ampel auf Rot, aus der Opposition kommt dagegen genau diese Forderung. Wie so häufig gibt es Argumente auf beiden Seiten.

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Deutschland steht im Sommer vor einer ungewissen Entwicklung, zu viele Fragen sind offen und zu viele Meldungen irritieren. Das Land importiert derzeit mehr Waren, als es exportiert. Für einen langjährigen Exportweltmeister sollte das ein kaum zu übersehendes Alarmsignal sein. Gefährdet sind nicht nur Wachstum und Wohlstand oder die Schuldenbremse, sondern am Ende Arbeitsplätze, soziale Sicherheit und gesellschaftlicher Zusammenhalt. Doch dass der Bundestag schnell, entschlossen und kurzfristig reagieren kann, sollte Zuversicht verbreiten. Es wird noch öfter auf gemeinsame Kraftanstrengungen ankommen, bis alles Notwendige getan ist. Denn eins ist sicher: Der Winter kommt bestimmt.