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Freihandel
Elena Müller
Lieber Kanada als Katar

Die Ampel will das Ceta-Abkommen ratifizieren. Die Union wittert eine Hinhaltetaktik

Auf der Tagesordnung steht das Thema schon seit Wochen. Die CDU/CSU-Fraktion hatte bereits einen Gesetzentwurf und einen Antrag eingebracht. Doch mit einer Regelmäßigkeit, nach der man die Uhr stellen konnte, wurde die Beratung der Papiere im Wirtschaftsausschuss von den Ampelfraktionen in jeder Sitzungswoche aufs Neue vertagt.

Nun, kurz vor der Sommerpause, war es dann soweit: SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP brachten einen eigenen Gesetzentwurf (20/2569) ein, der das Freihandelsabkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union, Ceta, ratifizieren soll.

"Ich bin froh, dass wir uns endlich für einen freien und fairen Handel einsetzen können und hier in Europa aktiv sein können", sagte Franziska Brantner (Grüne), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, bei der Debatte am Donnerstagabend. Man wende sich der Welt zu und befreie sich aus den "gefährlichen Abhängigkeiten von einzelnen Autokraten".

Während es von der Seite der Ceta-Kritikerinnen und -Kritiker heftige Bedenken wegen des nun raschen Vorgehens gab, ging der Union die Ratifizierung immer noch nicht schnell genug.

"Insgesamt sechsmal - sechsmal! - haben wir unseren übrigens wortgleichen Gesetzentwurf hier bereits vorgelegt", sagte Jens Spahn (CDU) im Plenum. Man habe im Wirtschaftsausschuss danach gefragt, wann denn mit der Ratifizierung, der zweiten und dritten Lesung, zu rechnen sei, so Spahn weiter, und den Eindruck gewonnen, die Ampel verfolge eine Hinhaltetaktik.

Aus deren Reihen kommt daraufhin ein Versprechen: "Ich kann Ihnen nur sagen: Wir werden Ceta ratifizieren. Wir bringen es heute ein, dann werden wir in die Ausschussdebatte gehen. Wir werden uns darüber unterhalten, und am Ende wird Ceta in diesem Jahr ratifiziert", sagte Markus Töns (SPD) in Richtung Unionsfraktion.

Die Rednerinnen und Redner der Ampelfraktionen wiesen darauf hin, dass man das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Klagen gegen das Abkommen habe abwarten wollen. Mitte März dieses Jahres hatten die Karlsruher Richter die Klagen, die von rund 200.000 Menschen in Zusammenarbeit mit mehreren Nichtregierungsorganisationen sowie der Fraktion Die Linke eingereicht worden waren, abgelehnt.

Hauptsorge der Klägerinnen und Kläger war und ist die geplante Einrichtung von sogenannten Schiedsgerichten, vor denen Handelsstreitigkeiten zwischen Unternehmen und Staaten beigelegt werden sollen. Es wird befürchtet, dass eine unkontrollierbare Paralleljustiz entstehen könnte. In ihrer Urteilsbegründung vom März bezweifelten sogar die Richterinnen und Richter in Karlsruhe, dass eine Übertragung der Hoheitsrechte von Deutschland an die EU im Bereich der Gerichtsbarkeit mit dem Grundgesetz vereinbar wäre.

SPD, Grüne und FDP wollen deshalb mit einer Erklärung des Gemischten Ceta-Ausschusses erreichen, dass ein Missbrauch internationaler Verträge verhindert wird. "In diesem Sinne werden wir bei Ceta nachbessern", sagte Brantner.

Verena Hubertz (SPD) räumte die weiterhin bestehenden Bedenken in den eigenen Reihen offen ein: "Wir hatten Bedenken und haben Bedenken beim Investitionsschutz. Wir wollen nicht, dass man sich nach Gutdünken vor privaten Schiedsgerichten verklagen kann." Man wolle sich deshalb für "aufrichtige, staatlich verankerte, multilaterale Handelsgerichtshöfe einsetzen".

Bei allem Dissens in der Debatte: Einig war man sich immerhin weitgehend darin, dass Kanada einer der bestmöglichen Handelspartner wäre. "Gas aus Kanada wäre mir jedenfalls lieber als aus Katar", sagte Carl-Julius Cronenberg (FDP) mit Blick auf zukünftige Partnerschaften in der Energieversorgung.

Die Fraktion Die Linke sorgte sich um die in der Debatte vielbeschworenen gemeinsamen Werte von EU und Kanada und sieht "demokratische Errungenschaften zu Handelshemmnissen degradiert", wie Christian Leye sagte. Er warnte in seinem Redebeitrag vor einer "Paralleljustiz für Konzerne" und fragte: "Da bekommen Konzerne die Möglichkeit, den Staat zu verklagen, wenn sie denken, dass ihre Interessen nicht hinreichend berücksichtigt werden. Sag mal, geht's noch, Ampel?".

Die AfD-Fraktion fürchtet indes eine "Aushöhlung der Souveränität unseres Landes", wie Malte Kaufmann sagte. Er zitierte die Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts und schloss, dass durch Ceta "in Hinterzimmern Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen für unser Land ausgekungelt" würden.

Aus Politik und Zeitgeschichte

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