Piwik Webtracking Image

Komplizierte Organisationsstruktur : Es gilt das Primat der Politik

Die Nato gliedert sich in eine politische und eine militärische Organisation, wobei das Primat der Politik gilt. Ein Überblick über die Organisationsstruktur.

08.08.2022
2024-03-15T11:51:10.3600Z
4 Min

Jens Stoltenberg kennt man in Deutschland als "Mr. Nato": Der Generalsekretär der Allianz preist die Nato gern als "erfolgreichstes Verteidigungsbündnis der Welt", "Friedensmaschine" oder "Stabilitätsanker". Stoltenberg ist seit acht Jahren das öffentliche Gesicht der Nato und zusammen mit dem Generalsekretariat auch ihr Exekutivorgan. Doch ein richtiger Chef mit Befehlsgewalt ist der Norweger nicht, ein solches Amt gibt es gar nicht: Die Nato hat eine komplizierte Organisationsstruktur, die bei der Gründung 1949 im Nordatlantik-Vertrag nur in Grundzügen festgelegt, später ausgebaut und mehrfach verändert wurde.

Foto: picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka

Politik trifft Militär: Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) Ende Juni im Gespräch mit Spitzen-Generälen der Nato.

Mitgliedstaaten geben keine Souveränitätsrechte ab

Zentrales Prinzip ist die intergouvernementale Zusammenarbeit, bei der die Mitgliedstaaten keine Souveränitätsrechte abgeben. Die Nato unterhält deshalb auch kaum eigene Streitkräfte. Prinzip zwei: Die Nato gliedert sich in eine politische und eine militärische Organisation, wobei das Primat der Politik gilt. Der politischen Organisation gehören alle Mitgliedstaaten an. In der militärischen Organisation aber ist Island kein Mitglied; Frankreich war es vier Jahrzehnte nicht, nachdem Charles de Gaulles 1966 den Ausstieg verkündet hatte. Als Konsequenz verlegte das Bündnis ein Jahr später sein Hauptquartier von Paris nach Brüssel. Dort ist es bis heute, auch wenn Frankreich 2009 in die militärische Organisation zurückgekehrt ist.

In Brüssel hat nicht nur der jeweils für vier Jahre gewählte Generalsekretär seinen Sitz, sondern auch der Nato-Rat als oberstes Entscheidungsgremium. Er tagt einmal jährlich auf Ebene der Staats- und Regierungschefs, mehrmals im Jahr auf Ebene der Außen- oder Verteidigungsminister - und mindestens einmal wöchentlich auf Botschafter-Ebene. Entschieden wird im Konsensverfahren ohne formelle Abstimmungen: Schweigen gilt als Zustimmung, Bedenken teilen die Mitgliedstaaten dem Generalsekretär mit, der dann Kompromisse suchen muss.

Höchste militärische Instanz: Militärausschuss mit Stabschefs der Bündnisstaaten

Auf militärischer Ebene ist der Militärausschuss mit den Stabschefs der Bündnisstaaten die höchste Instanz. Seine Beschlüsse setzen ein internationaler Militärstab um und auf einer dritten Ebene die beiden Kommandobehörden als strategische Hauptquartiere: Das Allied Command Operations mit Sitz in Mons bei Brüssel, das alle Operationen plant und durchführt, und das Allied Command Transformation in Norfolk/Virginia, das für die Steuerung von Konzepten und Fähigkeiten zuständig ist. Der Oberbefehlshaber in Mons, der Supreme Allied Commander Europe (Saceur), hat im Bedarfsfall das operative Kommando über die der Nato zur Verfügung gestellten Streitkräfte, aktuell ist es US-General Christopher Cavoli: Saceur ist immer ein amerikanischer General, während der Generalsekretär stets aus der Riege europäischer Politiker stammt.

Mehr zum Thema

Ein Dutzend Fallschirme vor Bergkulisse und blauem Himmel und Flagge der Nato verschwimmen miteinander.
Neue Geschlossenheit der Nato: Putin ante portas
Gegen die russische Bedrohung in Europa setzt das Bündnis auf Aufrüstung und Abschreckung. Der Krieg in der Ukraine hat zu unerwartet neuer Geschlossenheit geführt.
Ein Abbild einer rückwärtslaufenden Uhr
Historie: Die Nato seit 1949: Stabil und flexibel
In mehr als 70 Jahren hat die Nato gelernt, sich Veränderungen der internationalen Ordnung immer wieder anzupassen.

Die Militärs müssen berücksichtigen, dass die Nato-Mitglieder selbst entscheiden, mit welchen Fähigkeiten sie sich am Bündnis beteiligen. Doch hat die Allianz abgestimmte Leitlinien und Planungsziele für die nationalen Streitkräfte, aufbauend auf dem "Strategischen Konzept". Eine große Rolle spielt auch die Vereinbarung, dass sich alle Nato-Staaten bis 2024 bei den Verteidigungsausgaben "auf den Richtwert von zwei Prozent" des Bruttosozialproduktes "zubewegen". Diese Quote, die Deutschland nur mit dem beschlossenen Sondervermögen von 100 Milliarden Euro erreichen wird, dürften aber eine Reihe von Staaten verfehlen.


Der Autor ist EU- und Nato- Korrespondent der Funke-Mediengruppe in Brüssel.