Piwik Webtracking Image

Editorial : Steht die Tür offen?

In der Debatte um die Vorratsspeicherung von Daten muss wieder sachlich miteinander gesprochen werden.

04.10.2022
2024-01-08T21:21:03.3600Z
2 Min

Sie ist ein Dilemma und steht auch deshalb erneut auf der Agenda. Die Vorratsdatenspeicherung kann helfen, schwerste Kriminalität zu bekämpfen, bis hin zum Kindesmissbrauch. Doch dafür müssten Daten zunächst auf Vorrat gespeichert werden. Auch ohne das Bild eines Überwachungsstaates zu zeichnen, können beim Gedanken daran Zweifel kommen. Denn es ist ein Unterschied, ob Telekom, Vodafone und Co bestimmte Verbindungsdaten ihrer Kunden, wie früher, eine Zeitlang für die Rechnung speichern oder für einen möglichen Abruf durch die Strafverfolgungsbehörden.

Es wäre an der Zeit, in der Diskussion über Vorratsdaten wieder sachlich miteinander zu ringen - zuletzt überwogen Triumph und Vorwürfe die Debatte. Die Rechtsprechung hat der Politik mit den Entscheidungen der vergangenen Jahre klar erkennbare Leitplanken gesetzt, zuletzt nochmals der Europäische Gerichtshof. Das Gericht hat die Vorratsdatenspeicherung gekippt und gleichzeitig die Tür für eine Neuregelung geöffnet: Erlaubt wäre eine Regelung zur Speicherung von sogenannten IP-Adressen auf Vorrat, wenn es um die Bekämpfung schwerer Kriminalität geht.

Es gibt eigentlich keine falsche Entscheidung

Der Bundestag erhält damit den Rahmen für eine Neuregelung. Dabei kann er kaum eine falsche Entscheidung treffen, egal wie sie ausfällt. Es gibt gute Gründe mit einer Neuregelung durch diese nun offenstehende Tür zu gehen. Genau das möchten die Innenministerinnen und Innenminister der Länder und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Es gibt auch gute Argumente dafür, die Tür zu schließen. Dies möchte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) mit seinem Vorschlag eines "Quick Freeze"-Verfahrens, bei dem ein Täter in der Praxis zwar keine Sicherung von Daten bereits begangener Taten befürchten müsste, sehr wohl aber künftige Taten.

Mehr zum Thema

Lars Castellucci während einer Ansprache im Paul-Löbe-Haus.
Interview zur IP-Speicherung: "Verhältnis von Freiheit und Sicherheit muss in der Balance bleiben"
Der SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci spricht sich für die Speicherung von IP-Daten aus, um schwere Kriminalität zu verfolgen. "Quick Freeze" reicht ihm nicht.
Ein Abbild eines hochgehaltenen und eines herunterzeigenden Daumens
Gastkommentare: Soll der Staat IP-Adressen speichern dürfen? Ein Pro und Contra
Sollte der Staat zur Strafverfolgung IP-Adressen speichern dürfen? Ein Pro und Contra von Helena Bubrowski und Markus Decker.
Serverraum im Hintergrund, davor 0en und 1en, alles in blau
IP-Daten: Streit um Speicherpflicht
Union fordert, Spielräume aus EuGH-Urteil zu nutzen. In der Ampelregierung können sich die Minister Buschmann und Faeser nicht auf eine gemeinsame Linie einigen.

Egal, welche Position man einnimmt, sie kann aus sich heraus begründet werden. Dazu braucht es weder den Vorwurf, die Aufklärung schwerster Straftaten zu vereiteln, noch den, dass damit der Überwachungsstaat droht. Der Bundestag muss schlicht das Dilemma in dieser Frage auflösen, die Abgeordneten müssen abwägen und die Entscheidung vor ihrem Gewissen rechtfertigen. Verstecken hinter der Rechtsprechung geht nicht mehr. Neue Bewegung in Sachen Vorratsdatenspeicherung ist möglich. Dies zeigt ein Blick zum Gerichtshof nach Luxemburg: Der EuGH hat sich bewegt.